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Verschiebung einer Betriebsratswahl in der Corona-Krise: Was müssen Wahlvorstände beachten:

Die Corona-Pandemie beeinflusst das Privatleben ebenso wie das Wirtschaftsleben in einer zuvor nicht geahnten Weise. Zeitweilige Betriebsschließungen oder -einschränkungen sind nicht lediglich Randphänomene, vielmehr an der Tagesordnung. Diese Ereignisse erfolgten ohne Vorwarnung und entfalteten sofort ihre Wirkungen. Dies berührt selbstverständlich auch bereits in Gang gesetzte Abläufe in den Betrieben, so z.B. vor der Krise eingeleitete Betriebsratswahlen.

Gerade in Betrieben, die vorübergehend stillgelegt werden oder jedenfalls erhebliche Einschränkungen erfahren, stellt sich die Frage, in welcher Weise die eingeleitete Betriebsratswahl fortgesetzt wird. Viele Betriebsräte werden das Problem erkennen, dass womöglich zum vor der Krise festgelegten Termin der Stimmabgabe (Wahltermin) keine oder nur sehr wenig Arbeitnehmer in der Lage sein werden, überhaupt ihre Stimme im Betrieb abzugeben.

Die nachstehenden Ausführungen befassen sich mit der Frage, wie in solchen Situationen vorgegangen werden kann.

1. Grundsatz der Verbindlichkeit des Wahlausschreibens

Gemäß § 18 Abs. 1 BetrVG hat der Wahlvorstand die Betriebsratswahl unverzüglich einzuleiten, sie durchzuführen und das Wahlergebnis festzustellen. Diese Verpflichtung ist ernst zu nehmen. Das Gesetz bestimmt nämlich, dass der Wahlvorstand bei Verletzung dieser Pflicht vom Arbeitsgericht auf Antrag von mindestens 3 wahlberechtigten Arbeitnehmern oder einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft ersetzt wird!

Die Einzelheiten des Wahlverfahrens sind in der Wahlordnung zum BetrVG (WO) geregelt. § 3 Abs. 2 Nr. 11 WO bestimmt, dass neben dem Ort auch Tag und Zeit der Stimmabgabe im Wahlausschreiben angegeben werden müssen. Die dortigen Angaben sind verbindlich. Arbeitnehmer sollen sich auf die Festlegungen im Wahlausschreiben verlassen können, um dann eben zur rechten Zeit am rechten Ort an der Wahl teilnehmen zu können.

2. Verschiebung des Wahltermins

Weder das BetrVG noch die dazugehörige Wahlordnung enthalten Regelungen zur Verschiebung des Wahltermins. Dennoch ist eine solche Verschiebung nicht schlechterdings ausgeschlossen. Rechtsprechung und Literatur gehen davon aus, dass eine solche grundsätzlich erfolgen kann.

Essenziell ist aber, dass die Verschiebung hinreichend kommuniziert wird:

Das Bundesarbeitsgericht hat bereits in einer Entscheidung von 1960 herausgestellt, dass es einen die Wahlanfechtung begründenden Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschrift darstellt, wenn die im Wahlausschreiben angegebene Zeit für die Stimmabgabe nicht eingehalten, sondern nachträglich geändert und die Änderung im Betrieb nicht oder nur mündlich bekannt gemacht wird (BAG, Beschluss vom 11.03.1960, Az. 1 ABR 15/59).

Sollte es gute Gründe für die Aufhebung eines zunächst festgelegten Termins für die Betriebsratswahl geben (dies erscheint im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie „Corona“ nicht als fernliegend), sollte der Betriebsrat wie folgt vorgehen:

  • Es sollte ein neues Wahlausschreiben erstellt werden, in dem der neue Zeitpunkt für die Betriebsratswahl im Betrieb ausdrücklich benannt ist
  • Es muss sichergestellt werden, dass Arbeitnehmer, die sich nicht mehr im Betrieb befinden (wegen Anordnung von Kurzarbeit „0″, Krankheit, Urlaub, Unmöglichkeit der Arbeitsleistung wegen Kinderbetreuung etc.) Kenntnis von dem abgeänderten Termin erhalten.
  • Zur Sicherstellung der Information aller Arbeitnehmer sollten die innerbetrieblichen Kommunikationsmöglichkeiten, wie z.B. Intranet, E-Mail-Verteiler, genutzt werden, um den neuen Termin bekanntzugeben.

3. Alternative: Stärkung der schriftlichen Stimmabgabe

Gemäß § 24 der Wahlordnung zum BetrVG können Wahlberechtigte, die im Zeitpunkt der Wahl wegen Abwesenheit vom Betrieb verhindert sind, ihre Stimme persönlich abzugeben, die Stimme im schriftlichen Verfahren abgeben. Diesen Mitarbeitern sind auf deren Verlangen

  • das Wahlausschreiben
  • die Vorschlagslisten
  • der Stimmzettel und der Wahlumschlag
  • eine vorgedruckte abzugebende Erklärung über die persönliche Kennzeichnung des Stimmzettels
  • ein größerer Freiumschlag

auszuhändigen oder zu übersenden.

Die schriftliche Stimmabgabe macht aber nur Sinn, wenn die Auszählung der Stimmen am festgelegten Tag der Wahl durch Mitglieder des Wahlvorstands im Betrieb erfolgen kann. Allerdings dürfte dies regelmäßig möglich sein.

Fazit:

Das Betriebsverfassungsgesetz ist hinreichend flexibel, den besonderen Anforderungen in der Corona-Krise gerecht zu werden, jedenfalls im Zusammenhang mit einer anstehenden Betriebsratswahl. Der Wahlvorstand sollte mit Augenmaß über etwaige Maßnahmen entscheiden.

In solchen Fragestellungen beraten und unterstützen wir Sie gerne.