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Betriebsratstätigkeit außerhalb von Arbeitsschichten – Was gilt für Ruhezeit und Freistellung?

Die Betriebsratstätigkeit erfolgt grundsätzlich während der Arbeitszeit. Somit müssen auch die regulären Betriebsratssitzungen während der Arbeitszeit der Betriebsratsmitglieder stattfinden. Dieser Grundsatz kann in Betrieben, die in Schichten arbeiten, jedenfalls dann nicht für jedes Betriebsratsmitglied eingehalten werden, wenn die Betriebsratsmitglieder in verschiedenen Schichten eingesetzt sind.

Für einige Betriebsratsmitglieder wird dies in Schichtbetrieben bedeuten, dass sie außerhalb ihrer individuellen Arbeitsschicht an der Sitzung des Betriebsrats teilzunehmen haben. Dies wiederum wirft die Frage auf, ob eine solche Betriebsratstätigkeit außerhalb der individuellen Arbeitszeit mit der im Arbeitszeitgesetz verankerten Mindestruhezeit von 11 Stunden kollidiert.

Dies sei an folgendem Beispiel deutlich gemacht:

Im Betrieb wird im vollkontinuierlichen Schichtsystem gearbeitet. Die Sitzungen des Betriebsrats finden regelmäßig am Donnerstag von 8:00 Uhr bis 10:00 Uhr statt. Ein Mitglied des Betriebsrats ist in der Nachtschicht eingesetzt. Die Nachtschicht geht von 21:30 bis 5:30 Uhr.

§ 5 Abs. 1 ArbZG bestimmt, dass Arbeitnehmer nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 11 Stunden haben. Für das im obigen Beispielsfall in der Nachtschicht arbeitende Betriebsratsmitglied fiele die Teilnahme an der Sitzung des Betriebsrats in die Ruhezeit, die sich über den Zeitraum von 5:30 bis 16:30 Uhr erstreckt.

Dies wirft verschiedene Fragen auf:

  • Zunächst ist zu klären, ob das Mitglied des Betriebsrats in diesem Fall einen Anspruch auf Freistellung von der Arbeit in der vorangehenden Nachtschicht hat.
  • Des Weiteren ist zu prüfen, ob für die außerhalb der regulären Arbeitszeit liegende Zeit der Teilnahme an der Betriebsratssitzung ein Anspruch auf Freizeitausgleich gemäß § 37 Abs. 3 BetrVG besteht.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich mit dieser Fragestellung eingehend auseinandergesetzt. In einem Urteil vom 18.01.2017 hat das Gericht eine ausnehmend „betriebsratsfreundliche“ Entscheidung getroffen, die nachstehend eingehend betrachtet werden soll:

1. Anspruch auf Freistellung in der vorangegangenen Schicht:

Nach Auffassung des BAG habe ein Betriebsratsmitglied gemäß § 37 Abs. 2 BetrVG einen Anspruch auf bezahlte Arbeitsbefreiung, wenn es an einer außerhalb seiner persönlichen Arbeitszeit stattfindenden Betriebsratssitzung teilnimmt und es ihm deswegen unmöglich oder unzumutbar ist, seine vor oder nach der Betriebsratssitzung liegende Arbeitszeit einzuhalten.

Bei der Beurteilung der Frage, ob und wann einem Betriebsratsmitglied die Fortsetzung der Arbeit wegen einer außerhalb seiner persönlichen Arbeitszeit bevorstehenden Betriebsratssitzung unzumutbar ist, sei die in § 5 Abs. 1 ArbZG zum Ausdruck kommende Wertung zu berücksichtigen, wonach Arbeitnehmer nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 11 Stunden haben müssen. Deshalb sei ein Betriebsratsmitglied, das zwischen 2 Nachtschichten an einer Betriebsratssitzung teilzunehmen hat, berechtigt, die Arbeit in den vorherigen Nachtschichten vor dem Ende der Schicht zu einem Zeitpunkt einzustellen, der eine ununterbrochene Erholungszeit von 11 Stunden am Tag ermöglicht, in der weder Arbeitsleistung noch Betriebsratstätigkeit zu erbringen ist.

BAG, Urteil vom 18.01.2017, Az. 7 AZR 224/15

Zwar diskutiert das BAG die Frage, ob es sich bei der Betriebsratstätigkeit um Arbeitszeit im arbeitszeitrechtlichen Sinne handelt. Letztendlich hat das Gericht diese Frage mit der Erwägung offengelassen, die durch § 5 Abs. 1 ArbZG gewährleistete Erholungszeit werde durch Betriebsratstätigkeit in vergleichbarer Weise beeinträchtigt wie durch die Erbringung von Arbeitsleistung. Betriebsratstätigkeit stehe regelmäßig hinsichtlich der Anforderungen an Aufmerksamkeit und geistige Leistungsfähigkeit denjenigen bei der Erbringung der vertraglich geschuldeten Tätigkeit gleich.

so schon BAG, Urteil vom 07.06.1989, Az. 7 AZR 500/88

Auch die Erwägung, dass Betriebsratsmitglieder ihre Tätigkeit gemäß § 37 Abs. 1 BetrVG als Ehrenamt ausüben, soll dem nicht entgegenstehen. Hier verweist das BAG auf einen unmittelbaren Bezug der Betriebsratstätigkeit zum Arbeitsverhältnis.

Unter Anlegung dieser Maßstäbe kann ein Betriebsratsmitglied die Tätigkeit in einer vorangehenden Arbeitsschicht spätestens zu einem Zeitpunkt einstellen, der 11 Stunden vor dem Beginn der Betriebsratstätigkeit liegt.

2. Freizeitausgleich für Betriebsratstätigkeit bei vorangegangener Freistellung:

Das Bundesarbeitsgericht hat darüber hinaus entschieden, dass ein Betriebsratsmitglied, das außerhalb seiner Arbeitsschicht an einer Betriebsratssitzung teilnimmt, für die Zeit der Sitzungsteilnahme einen weiteren Freistellungsanspruch nach § 37 Abs. 3 S. 1 BetrVG hat. Das Gericht spricht Betriebsratsmitgliedern hier einen Anspruch auf Ausgleich für Betriebsratstätigkeit, die aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen ist, zu, auch wenn das Betriebsratsmitglied zur Wahrnehmung der Sitzungsteilnahme die Arbeiten bereits in der vorangegangenen Schicht eingestellt hat.

Das BAG hat klargestellt, dass dieser betriebsverfassungsrechtliche Freistellungsanspruch für die Zeit der Sitzungsteilnahme außerhalb der vorgesehenen Arbeitszeit nicht mit der Freistellung in der vorangegangenen Arbeitsschicht verrechnet werden kann. Dazu führt das BAG lapidar aus, der Freistellungsanspruch gemäß § 37 Abs. 3 BetrVG entstehe erst nach der zuvor ausgefallenen Schicht; dem Arbeitgeber sei es nicht möglich, die gesetzliche Freistellung rückwirkend durch Arbeitsbefreiung in der vorangegangenen Nachtschicht zu gewähren!

Nach dieser Entscheidung hätte das Betriebsratsmitglied, welches gemäß dem obigen Beispielsfall bereits keine Arbeiten in der vorangegangenen Nachtschicht erbringen müsste, für die Zeit der Teilnahme an der Betriebsratssitzung von 8:00 Uhr bis 10:00 Uhr einen weiteren Freizeitanspruch.

3. Gestaltungsmöglichkeiten zur Umgehung/Minimierung von Freistellungsansprüchen:

Fraglich ist, welche Gestaltungsmöglichkeiten bestehen, die vorstehend beschriebenen Rechtsfolgen möglich zu vermeiden.

Sollten Betriebsratsmitglieder sämtlichst in derselben Schicht eingesetzt sein, könnte ohne weiteres festgelegt werden, dass die Sitzung des Betriebsrats während der Arbeitsschicht stattfindet. Insoweit entstünden für die Betriebsratsmitglieder lediglich Ansprüche auf Freistellung im Umfang der Betriebsratstätigkeit.

Die Zeit der Betriebsratssitzung kann auch an den Rand einer Schicht gelegt werden. Die in dieser Schicht arbeitenden Betriebsratsmitglieder würden dann die Arbeit für die Dauer der Betriebsratssitzung während der Arbeitsschicht einstellen. Mitarbeiter der Folgeschicht könnten dann regelmäßig ebenfalls an dieser Betriebsratssitzung teilnehmen, um im Anschluss daran ihre reguläre Schichtarbeit zu leisten. In diesen sowie in sonstigen betriebsverfassungsrechtlichen Fragen beraten und unterstützen wir Sie gerne. Kontaktieren Sie uns.