Dr. Gloistein & Partner

News

Rechtsinfos und aktuelle Beiträge

Zwingendes „Corona-Homeoffice“? – Was Arbeitgeber jetzt wissen müssen:

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat am 22.01.2021 die Sars-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung (Corona-ArbSchV) im Bundesanzeiger veröffentlicht. Dem vorangegangen waren die Beschlüsse der Bundeskanzlerin und der Ministerpräsidenten der Bundesländer vom 19.01.2021. Es u.a. beschlossen, dass im Angesicht der pandemischen Lage die weitere Reduzierung von epidemiologisch relevanten Kontakten im beruflichen Kontext erforderlich sei. Das BMAS wurde beauftragt, eine befristete Verordnung zu erlassen, wonach Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern den Beschäftigten dort, wo es möglich ist, das Arbeiten im Homeoffice ermöglichen müssen.

Das BMAS, dessen Minister die flächendeckende Etablierung von Arbeit im Homeoffice seit längerem ein Herzensanliegen ist, reagierte umgehend. Mit der sogleich erlassenen Verordnung gehen weit reichende Eingriffe in die verfassungsrechtlich geschützte Unternehmerfreiheit (Art. 14 Abs. 1 GG) und die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) einher, deren Inhalt, Bedeutung und Reichweite wir für das Arbeitsrecht im nachfolgenden praktisch darstellen wollen:

Das wichtigste im Überblick:

  • Die Corona-ArbSchV verpflichtet Arbeitgeber zum Angebot von Arbeit im Homeoffice nur bei Büroarbeit und vergleichbaren Tätigkeiten.

Der Arbeitsplatz muss für die Weiterführung im Homeoffice geeignet sein, insgesamt muss die Festlegung von Homeoffice-Arbeit für das Unternehmen zumutbar sein. Kein Arbeitgeber muss Arbeitsplätze umorganisieren, um (Teil-) Homeoffice-Arbeit zu ermöglichen.

  • Die Verpflichtung, Arbeitnehmern Arbeit im Homeoffice anzubieten, entfällt in vielen Fällen. In Betracht kommen sowohl objektive als auch subjektive Umstände (technische Schwierigkeiten, tätigkeitsspezifische Erfordernisse, Ausbildungsbedürfnisse, erforderliche Kundenpräsenzen, Unzuverlässigkeiten von Mitarbeitern etc.).
  • Der Arbeitgeber darf Arbeit im Homeoffice nicht einseitig anweisen. Arbeitnehmer müssen zustimmen. Eine Homeoffice-Vereinbarung ist dringend ratsam.
  • Arbeitnehmer dürfen sich einschränkungslos weigern, Arbeit im Homeoffice zu erbringen.
  • Es besteht kein Anspruch von Arbeitnehmern auf Einrichtung eines Arbeitsplatzes im Homeoffice. Arbeitsgerichtliche Klagen hätten keine Erfolgsaussicht.
  • Ein Betriebsrat muss bei der Festlegung von Arbeit im Homeoffice grundsätzlich beteiligt werden. Hier sind verschiedene Mitbestimmungsrechte berührt.
  • Die Corona-ArbSchV enthält keine Sanktionsregelungen für etwaige Verstöße. Denkbar sind behördliche Kontrollen und Einzelanordnungen. Insgesamt sind die behördlichen Möglichkeiten aber in rechtlicher Hinsicht außerordentlich begrenzt.

Im Einzelnen:

1. Rechtliche Grundlagen der Corona-ArbSchV

Die Corona-ArbSchV ist auf der Grundlage von § 18 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) erlassen worden. § 18 Abs. 1 ArbschG ermächtigt die Bundesregierung, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates vorzuschreiben, welche Maßnahmen der Arbeitgeber und die sonstigen verantwortlichen Personen zu treffen haben und wie sich die Beschäftigten zu verhalten haben, um ihre jeweiligen Pflichten, die sich aus diesem Gesetz ergeben, zu erfüllen. Mit Gesetz zur Verbesserung des Vollzugs im Arbeitsschutz (Arbeitsschutzkontrollgesetz/ArbSchKong) vom 22.12.2020 ist die Regelung in § 18 AbschG um einen neugefassten Abs. 3 ergänzt worden. Dieser ermöglicht den Erlass von Rechtsverordnungen „in Epidemielagen von nationaler Tragweite“ ohne Zustimmung des Bundesrats.

Ob der Verordnungsgeber mangels ausdrücklicher Legitimation durch den Gesetzgeber von Verfassung wegen überhaupt berechtigt ist, derart weit reichende Eingriffe in die Gestaltung unternehmerischer/betrieblicher Abläufe vorzunehmen, wird in der Rechtswissenschaft sehr kontrovers diskutiert und erscheint zweifelhaft. Unternehmen/Arbeitgeber werden sich aber zunächst der neuen Realität der Corona-ArbSchV stellen müssen.

2. Inhalt der Corona-ArbSchV zu Kontaktreduktionen im Betrieb/zum Homeoffice

Der wesentliche Inhalt der Verordnung lautet wie folgt:

㤠2

Maßnahmen zur Kontaktreduktion im Betrieb

(4)   Der Arbeitgeber hat den Beschäftigten im Falle von Büroarbeiten oder vergleichbaren Tätigkeiten anzubieten, diese Tätigkeiten in deren Wohnung auszuführen, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen.“

Diese Regelung wird von weiteren, eher generellen Anordnungen der Verordnung flankiert. So werden Arbeitgeber u.a. angehalten, die Gefährdungsbeurteilung hinsichtlich zusätzlich erforderlicher Maßnahmen des betrieblichen Infektionsschutzes zu überprüfen und (gegebenenfalls) zu aktualisieren sowie sonstige geeignete technische und organisatorische Maßnahmen zur Kontaktreduzierung zu ergreifen. Die Raumbelegung in Betrieben soll so ausgestaltet werden, dass jeder im Raum befindlichen Person eine Mindestfläche von 10 Quadratmetern verbleibt. Kann dies nicht gewährleistet werden, ist der Arbeitgeber angehalten, medizinische Gesichtsmasken oder FFP2-Masken zur Verfügung zu stellen, die dann nach dem Willen der Verordnung von den Beschäftigten zu tragen sein sollen. Eine generelle Maskenpflicht in Betrieben gibt es danach aber nicht.

3. Inkrafttreten und Geltungsdauer der Corona-ArbSchV:

Die Regelung tritt am 27.01.2021 in Kraft. Sie hat (vorerst) eine Geltung bis zum 15.03.2021. Ob es danach eine ersetzende Verordnung oder eine Verlängerung der vorherigen Regelung geben wird, kann naturgemäß zum jetzigen Zeitpunkt nicht abgeschätzt werden.

4. Praktische Fragen der Homeoffice-Regelung

Die in der Corona-ArbSchV getroffene Regelung zur Homeoffice-Arbeit wirft weitreichende arbeitsrechtliche Fragen auf, die in der außerordentlichen knapp gefassten Verordnung selbst nicht beantwortet werden. Die wesentlichen Punkte wollen wir betrachten:

 

a) Welche Bereiche sind von der Homeoffice-Regelung betroffen?

Die Corona-ArbSchV will Arbeitgeber verpflichten, den Beschäftigten im Falle von

  • Büroarbeit
  • vergleichbaren Tätigkeiten

Arbeit im Homeoffice anzubieten.

Die Begriffe der Büroarbeit und der vergleichbaren Tätigkeiten werden in der Verordnung nicht näher beschrieben. Als Büroarbeit gilt allgemein diejenige, die größtenteils durch Handhabung von Informationen (Erzeugung, Bearbeitung, Übermittlung u.a.) gekennzeichnet ist. Büroarbeit ist im Wesentlichen von Kommunikationsvorgängen geprägt (vgl. Gabler Wirtschaftslexikon, „Büroarbeit“).

Im Regelfall bereitet die Beantwortung der Frage, ob es sich bei einem Arbeitsplatz um einen solchen mit Büroarbeit oder vergleichbarer Tätigkeit handelt, keine Schwierigkeiten. So sind z.B. Sachbearbeitertätigkeiten am Schreibtisch, Auskunftstätigkeiten, Datenerfassung usw. regelmäßig Büroarbeit. Nicht zum Bereich der Büroarbeit gehören hingegen Tätigkeiten in der Produktion, an Maschinen, in der Logistik, in Laboren, Praxen, in der medizinischen Betreuung und in der Pflege.

Allerdings gibt es in Betrieben häufig auch „gemischte“ Arbeitsplätze, die sowohl Tätigkeiten an Maschinen, in Lagern und an sonstigen stationären Einrichtungen als auch begleitende Büroarbeiten beinhalten.

Obgleich dies in der Corona-ArbSchV nicht ausdrücklich geregelt ist, kann eine Verpflichtung zum Anbieten von Arbeit im Homeoffice nur bestehen, wenn ein Arbeitnehmer eine dafür geeignete Arbeit erbringt. Arbeit im Homeoffice kommt selbstverständlich nur dann in Betracht, wenn damit eine sinnvolle Weiterführung des gesamten Arbeitsplatzes gesichert ist. Kein Arbeitgeber ist verpflichtet, vorhandene Arbeitsplätze mit gemischten Tätigkeiten so umzustrukturieren, dass Arbeitnehmern die Möglichkeit zur Arbeit in einem „Teil-Homeoffice“ geschaffen wird.

b) Wann entfällt die Verpflichtung zum Anbieten von Arbeit im Homeoffice/Wann liegen entgegenstehende „zwingende betriebsbedingte Gründe“ vor?

Auch Mitarbeitern, die Büroarbeit oder vergleichbare Tätigkeiten verrichten, ist Arbeit im Homeoffice nur dann anzubieten, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen.

Der vom BMAS in der Verordnung gewählte Maßstab der „zwingenden betriebsbedingten Gründe“ ist bemerkenswert. Das gesamte Arbeitsrecht kennt einen so formulierten Maßstab bisher nicht. In verschiedenen Rechtsnormen des Arbeitsrechts finden sich Verweise auf „betriebliche Gründe“ (§§ 8 Abs. 4, 9a Abs. 2 TzBfG), „dringende betriebliche Erfordernisse“ (§ 1 Abs. 2 KSchG), „dringende betriebliche Gründe“ (§ 15 Abs. 4 BEEG) usw. Es handelt sich bei diesen Begriffen um sogenannte unbestimmte und ausfüllungsbedürftige Rechtsbegriffe. Sie müssen im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung konturiert werden.

Wann also kann man von „zwingenden betriebsbedingten Gründen“ im Sinne der Corona-ArbSchV sprechen?

  • In erster Linie ist hier auf objektive Umstände abzustellen. In Betracht kommen insbesondere
  • fehlende Möglichkeit der Ausstattung eines Homeoffice-Arbeitsplatzes durch den Arbeitgeber;
  • nicht vorhandene oder unsichere Möglichkeit der Datenübertragung;
  • fehlende Möglichkeit des Einsatzes von Software/EDV-Anwendungen am Heimarbeitsplatz;
  • tätigkeitsspezifische Erfordernisse, z.B. Anfallen von Präsenzgesprächen mit Kunden, Lieferanten, Bearbeitung und Verteilung der Post, Bearbeitung des Warenein- und –ausgangs, Schalterdienst, Reparatur- und Wartungsarbeiten, Hausmeisterdienste, sonstige Notdienste;
  • Notwendigkeit der Arbeitskoordination zwischen Arbeitsplätzen/Tätigkeiten vor Ort;
  • Notwendigkeit der persönlichen Kontrolle von Arbeitsverhalten und Arbeitsinhalten am Arbeitsplatz;
  • Bedürfnis der individuellen Ausbildung durch Ausbilder/Führungskraft am Arbeitsplatz;
  • Sicherstellung von Erste Hilfe, Datenschutz, Emissionsschutz .

Entgegenstehende Gründe werden auch dann vorliegen, wenn die Maßnahme der Zustimmung des Betriebsrats bedarf und eine solche nicht vorliegt (vgl. unten: „Muss ein Betriebsrat bei der Festlegung von Arbeit im Homeoffice beteiligt werden?“).

  • Auch subjektive Umstände können „zwingende betriebsbedingte Gründe“ zum Absehen von Arbeit im Homeoffice darstellen. Hier seien beispielhaft folgende Sachverhalte aufgelistet:
  • Arbeitnehmer haben bei Arbeit im Homeoffice in der zurückliegenden Zeit unzureichende Leistungen erbracht;
  • Arbeitnehmer konnten bisher bei Homeoffice-Arbeit nicht immer im vorgegebenen Rahmen erreicht werden;
  • Datenschutz und -sicherheit im Homeoffice vermag der Arbeitnehmer nicht zu gewährleisten.

Vorstehende Aufzählungen sind selbstverständlich nicht abschließend.

Es ist deutlich darauf hinzuweisen, dass dem Unternehmen/Arbeitgeber auch im Rahmen der Corona-ArbSchV ein erheblicher Einschätzungsspielraum hinsichtlich des Vorliegens der Arbeit im Homeoffice entgegenstehender „zwingender betriebsbedingter Gründe“ zukommt. Der Verordnungsgeber kann sein Ermessen nicht an die Stelle des unternehmerischen Ermessens setzen!

c) Ist der Arbeitgeber verpflichtet, neue Technik zur Ausstattung von Homeoffice-Arbeitsplätzen zu beschaffen?

Auch zu dieser Frage enthält die hier angesprochene Verordnung keine Regelung.

Grundsätzlich gilt, dass der Arbeitgeber die Organisation und die Ausstattung der Arbeitsplätze zu verantworten hat. Eine kompensationslose Verpflichtung, weitere Betriebsausgaben für Technik etc. zu tätigen, kann einem Unternehmen grundsätzlich nicht auferlegt werden. Dies würde den grundgesetzlich geschützten Bereich der Unternehmerfreiheit übermäßig einschränken.

d) Darf der Arbeitgeber Arbeitnehmern einseitig anweisen, Arbeiten im Homeoffice zu erbringen?

Diese Frage berührt zum einen die Reichweite des arbeitnehmerseitigen Weisungsrechtes im Arbeitsbehältnisses, zum anderen die der Reichweite der Corona-ArbSchV.

Der Arbeitgeber ist arbeitsrechtlich nicht ohne weiteres berechtigt, Arbeitnehmer in ein Homeoffice zu versetzen. Zwar hat der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer im Hinblick auf Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung ein Weisungsrecht (§ 106 GewO), das Weisungsrecht kann aber nur im Rahmen der vertraglichen Festlegungen ausgeübt werden. Regelmäßig umfasst der Arbeitsvertrag keine Verpflichtung eines Arbeitnehmers, die Arbeit auch außerhalb des Betriebes bzw. der betrieblichen Einrichtungen in seinem Zuhause zu erbringen. Art. 13 des Grundgesetzes schützt auch die Unverletzlichkeit der Wohnung. Auf die Wohnung als etwaigen Arbeitsplatz hat der Arbeitgeber daher keinen Zugriff, es sei denn, im jeweiligen Arbeitsverhältnis ist eine Regelung zur Arbeit im Homeoffice bzw. zur Telearbeit getroffen worden, der der Arbeitnehmer ausdrücklich zugestimmt hat.

Auch auf der Grundlage eines Tarifvertrages oder einer Betriebsvereinbarung kann ein Arbeitnehmer nicht ohne seine Zustimmung in ein Homeoffice versetzt werden.

Etwas anderes folgt auch nicht aus der Corona-ArbSchV. Zu derart weitreichenden Eingriffen wäre der Verordnungsgeber auch nicht befugt.

Die Verordnung formuliert ausdrücklich, dass Arbeitnehmern die Ausführung der arbeitsvertraglichen Tätigkeiten in deren Wohnung anzubieten ist. Ob Arbeitnehmer das Angebot annehmen, steht in deren alleiniger Entscheidungsfreiheit.

e) Dürfen Arbeitnehmer Arbeit im Homeoffice verweigern?

Diese Frage ist eindeutig zu bejahen. Kein Arbeitsbehältnisses unterfällt einem Homeoffice-Zwang. Kein Arbeitnehmer kann gezwungen werden, die Wohnung und damit seinen privaten Lebensbereich für eine Arbeitstätigkeit zu öffnen, es sei denn, er hat sich zuvor anderweitig im Rahmen einer Homeoffice-Vereinbarung gegenüber dem Arbeitgeber verpflichtet.

Wird einem Arbeitnehmer Arbeit im Homeoffice angeboten und lehnt dieser das Angebot ab, kann die Ablehnung nicht sanktioniert werden. Dafür kann weder eine Abmahnung noch eine Kündigung ausgesprochen werden.

Praxishinweis: Ist es dem Arbeitgeber möglich und zumutbar, Arbeit im Homeoffice anzubieten und ist der Arbeitnehmer dazu bereit, empfiehlt es sich dringend, eine entsprechende schriftliche Vereinbarung zu treffen!

f) Haben Arbeitnehmer einen Anspruch auf Homeoffice/Können Arbeitnehmer die Arbeit im Homeoffice einklagen?

Eine solche Möglichkeit ergibt sich für Arbeitnehmer auf der Grundlage der Corona-ArbSchV ausdrücklich nicht. Diese Verordnung gewährt keinen individuellen Homeoffice-Anspruch. Die Klage eines Arbeitnehmers beim Arbeitsgericht, mit der ein Homeoffice-Arbeitsplatz durchgesetzt werden soll, wird erfolglos bleiben. Im Übrigen würde ein reguläres Klageverfahren auch nicht innerhalb der jetzt vorgesehenen Laufzeit der Verordnung zu einem Ende gebracht werden können.

Theoretisch denkbar ist, dass Arbeitnehmer beschleunigten Rechtsschutz begehren und den Erlass einer einstweiligen Verfügung durch ein Arbeitsgericht beantragen. Ein dafür erforderlicher Verfügungsanspruch existiert aber nicht, auch ein solches Verfahren hat keine Erfolgsaussichten.

g) Können Arbeitnehmer die Arbeitsleistung einstellen, wenn ihnen kein Homeoffice-Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt wird?

Ein Recht zur Zurückbehaltung der Arbeitsleistung kann nicht unmittelbar auf die Vorgaben der Corona-ArbSchV gestützt werden. Es ist theoretisch denkbar, dass Arbeitnehmer die Arbeit unter dem Aspekt einstellen, dass der Arbeitgeber seine ihnen gegenüber bestehenden Verpflichtungen zu Schutzmaßnahmen im Sinne von § 618 Abs. 1 BGB nicht erfüllt.

Von einer solchen Einstellung der Arbeit ist Arbeitnehmern aber dringend abzuraten. Sollte eine solche Maßnahme ergriffen werden, wird der Arbeitgeber zunächst die Vergütungszahlung einstellen. Darüber hinaus drohen arbeitsrechtliche Maßnahmen, wie der Ausspruch einer Abmahnung oder gar die Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Im Zuge einer sich dann etwaig ergebenden rechtlichen Auseinandersetzung ist dann zu klären, ob die gesetzliche Verpflichtung zu Schutzmaßnahmen tatsächlich verletzt worden ist oder nicht.

Sollte eine dahingehend erfolgte Einschätzung eines Arbeitnehmers von einem Arbeitsgericht nicht geteilt werden, hätte der Arbeitnehmer die negativen Konsequenzen zu tragen.

h) Muss ein Betriebsrat bei der Festlegung von Arbeit im Homeoffice beteiligt werden?

Auch in pandemischen Sonderlagen gilt das Betriebsverfassungsrecht uneingeschränkt fort. Die allgemeinen Beteiligungsrechte der Betriebsräte (Mitwirkung-/Mitbestimmungsrechte) sind weiterhin strengstens zu beachten.

  • Die Umsetzung eines Arbeitnehmers vom betrieblichen Arbeitsplatz in ein Homeoffice stellt regelmäßig eine Versetzung im Sinne von § 99 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) dar. Eine solche Versetzung bedarf der vorherigen umfassenden Information des Betriebsrats und dessen Zustimmung.

Kann eine solche Zustimmung nicht sogleich durch den Arbeitgeber erreicht werden, kann die Versetzung als sogenannte „vorläufige Maßnahme“ im Rahmen von § 100 Abs. 1 BetrVG durchgeführt werden, wenn dies „aus sachlichen Gründen dringend erforderlich“ ist. Auch über die vorläufige Maßnahme ist der Betriebsrat sogleich zu informieren. Widerspricht er der Maßnahme, muss der Arbeitgeber, möchte er die Maßnahme aufrechterhaltenen, beim Arbeitsgericht ein sogenanntes Zustimmungsersetzungsverfahren betreiben.

Hier ergibt sich die Frage, ob ein Arbeitgeber dann, wenn der Betriebsrat einer Versetzung eines zum Homeoffice bereiten Arbeitnehmers ins Homeoffice widerspricht, verpflichtet ist, diese Maßnahme als „vorläufige Maßnahme“ durchzuführen und es auf ein arbeitsgerichtliches Zustimmungsersetzungsverfahren ankommen zu lassen.

Nach unserer Einschätzung besteht eine solche Verpflichtung des Arbeitgebers nicht. Der Aufwand eines arbeitsgerichtlichen Klärungsverfahrens ist für Unternehmen erheblich und stellt ein regelmäßig nicht verpflichtendes Sonderopfer dar.

  • Verändern sich mit der Arbeit im Homeoffice auch Regelungen zur Arbeitszeit sowie Zuordnung und Verhalten des betroffenen Arbeitnehmers, sind Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 1-3 BetrVG berührt. Geht es um die Veränderung technischer Einrichtungen (Ausweitung der EDV-Anlage, Installierung neuer Software etc.), hat der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG mitzubestimmen.

Maßnahmen im Rahmen solcher Mitbestimmungsrechte dürfen erst getroffen werden, wenn der Betriebsrat dem ausdrücklich zugestimmt hat!

Daher entspricht es gängiger Praxis, dass in Betrieben mit einem Betriebsrat Regelungen zur Ausgestaltung von Arbeit im Homeoffice in einer Betriebsvereinbarung verhandelt und getroffen werden.

5. Staatliche Kontrollen/Sanktionen?

Ein Unterlassen des Anbietens möglicher, geeigneter und zumutbarer Arbeit im Homeoffice ist nicht mit unmittelbaren staatlichen Sanktionen bedroht.

Die Corona-ArbSchV enthält keine Bußgeldregelungen. Zwar finden sich in § 25 ArbSchG Bußgeldvorschriften. Diese Regelung findet aber auf die hier angesprochene Verordnung keine Anwendung!

Das ArbSchG spricht den zuständigen Verwaltungsbehörden aber in § 22 das Recht zu, Prüfungen und Kontrollen in den Betrieben durchzuführen. Die mit der Überwachung beauftragten Personen sind befugt, zu den Betriebs-und Arbeitszeiten Betriebsstätten, Geschäfts-und Betriebsräume zu betreten, zu besichtigen und zu prüfen, soweit dies zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben erforderlich ist.

Im Einzelfall soll die zuständige Behörde anordnen können, welche Maßnahmen der Arbeitgeber und die verantwortlichen Personen oder die Beschäftigten zur Erfüllung derjenigen Pflichten zu treffen haben, die sich aus diesem Gesetz und den aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen ergeben. Für etwaige Maßnahmen ist grundsätzlich eine angemessene Frist zu setzen. Der Verstoß gegen solche Verwaltungsanordnungen kann zur Verhängung eines Bußgeldes geahndet werden.

Im Falle beharrlicher Verstöße gegen vollziehbare Anordnungen der zuständigen Behörde kommt eine Strafbarkeit nach § 26 AbschG in Betracht.

Auf der Grundlage von § 22 ArbSchG kann die Behörde nicht anweisen, dass Arbeitnehmer tatsächlich im Homeoffice beschäftigt werden. Eine solche Anweisung ginge über den Inhalt der Corona-ArbSchV hinaus und wäre rechtswidrig.

Ob die im ArbSchG ermöglichten (theoretischen) Prüfungen auf der Grundlage der Corona-ArbSchV tatsächlich durchgeführt werden, erscheint aber als fraglich, obwohl das BMAS (vermutlich insbesondere durch gewerkschaftlichen Druck) Kontrollen in Aussicht gestellt hat. Erst recht ist fraglich, ob etwaige Maßnahmen einer selbstverständlich möglichen gerichtlichen Überprüfung stand halten.

Achtung: Sollte es (wider Erwarten) tatsächlich im Einzelfall eine Verwaltungsanordnung nach dem ArbSchG geben, erfolgt dies regelmäßig in Form eines Verwaltungsaktes. Gegen solche behördlichen Akte kann Widerspruch erhoben werden (§ 68 VwGO). Ein solcher Widerspruch sollte sofort erhoben werden. Er hat aufschiebende, d.h. vollstreckungshindernde Wirkung, § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO!

Gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO kann die Behörde ausnahmsweise die sofortige Vollziehung ihrer Anordnung anordnen. Dann gilt das Begründungserfordernis gemäß § 80 Abs. 3 VwGO. Es bedarf einer auf den konkreten Einzelfall abstellenden Begründung des besonderen öffentlichen Interesses, dass die sofortige Vollziehbarkeit notwendig ist. Die besonderen, auf den jeweiligen fallbezogenen Gründe müssen dargelegt werden.

Zusammenfassung:

Der „Schnellschuss“ des BMAS hinsichtlich einer Verordnung zur Kontaktbeschränkung in Betrieben ist verfassungsrechtlich zweifelhaft. Allerdings hat das Ministerium damit zunächst Fakten geschaffen. Die Verordnung stellt Unternehmen vor erhebliche Herausforderungen bei der Umsetzung.

Die Corona-ArbSchV beseitigt aber nicht das in der Hand des Unternehmens/Arbeitgebers liegende Ermessen, die betrieblichen Abläufe entsprechend der unternehmerischen Ausrichtung und betrieblichen Bedürfnisse zu gestalten und über die Geeignetheit und Zumutbarkeit von Arbeit im Homeoffice im Einzelfall unter Berücksichtigung der Eckpunkte der Verordnung zu entscheiden.

Erfolgversprechende individualrechtliche Klageverfahren bei Arbeitsgerichten wird es auf der Grundlage dieser Verordnung nicht gegeben. Es ist theoretisch denkbar, dass sich Arbeitnehmer oder sonstige Dritte an die für den Arbeitsschutz zuständigen Behörden wenden und eine aus ihrer Sicht mangelnde Umsetzung der Vorgaben der Verordnung monieren.

Ist Arbeit im Homeoffice möglich und zumutbar und stimmen Arbeitnehmer zu, sollte eine klare Homeoffice-Vereinbarung getroffen werden. Besteht ein Betriebsrat, muss dieser vorher beteiligt werden.

Zu den sich hier ergebenden Fragestellungen und Handlungs- bzw. Rechtsschutzmöglichkeiten beraten wir Sie selbstverständlich gerne.