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Vorsorgeuntersuchung für Bildschirmarbeitsplätze – Welche Regelungen des Arbeitsschutzes und der arbeitsmedizinischen Vorsorge haben Arbeitgeber zu beachten?

2020 sind in der Bundesrepublik Deutschland ca. 45 Mio. Menschen erwerbstätig. Nachdem 2010 schätzungsweise ca. 26,5 Mio. Arbeitsplatzcomputer an Arbeitsplätzen in der Bundesrepublik Deutschland eingerichtet waren, hat sich diese Zahl 2020 auf ca. 37,5 Mio. Computer erhöht. Diese Zahlen machen deutlich, dass die weit überwiegende Anzahl aller Arbeitsplätze einen Bezug zur Bildschirmarbeit haben. Die Digitalisierung der Arbeitswelt wird diese Entwicklung weiter vorantreiben.

Auch die Zeit, die Arbeitnehmer am Computer und damit vor dem Bildschirm verbringen, nimmt weiter zu.

Es gilt als arbeitsmedizinisch gesichert, dass Bildschirmarbeitsplätze spezifische Gesundheitsgefahren für Arbeitnehmer mit sich bringen. Strahlung, Lichtverhältnisse, Reflexionen sowie die Art und Weise der grafischen Aufbereitung von auf dem Bildschirm wiedergegebenen Inhalten können Augen schädigen und psychische Belastungen erzeugen. Bildschirmarbeit kann ferner physische Beeinträchtigungen erzeugen, so z.B. bei andauernden Fehlhaltungen etc..

Aus diesen Gründen haben Arbeitgeber weitreichende Verpflichtungen, für den Gesundheitsschutz von Arbeitnehmern an Bildschirmarbeitsplätzen zu sorgen.

Aber welche Regelungen sind hier zu beachten?

Wer sich mit der Frage des Arbeitsschutzes und der arbeitsmedizinischen Vorsorge bei Bildschirmarbeitsplätzen befasst, stellt schnell fest, dass sich ein „Dickicht“ verschiedener, ineinandergreifender und ergänzender Regelungen finden. Diese sollen im Nachstehenden näher beleuchtet werden:

1. Arbeitsschutzgesetz

Grundlegende Regelungen zur arbeitgeberseitigen Verpflichtung zum Arbeitsschutz finden sich im Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG). Gemäß § 3 Abs. 1 ArbSchG ist der Arbeitgeber verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Er hat die Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und erforderlichenfalls sich ändernden Gegebenheiten anzupassen. Dabei hat er eine Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten anzustreben.

Hier finden sich grundlegende Programmsätze für die arbeitgeberseitige Fürsorgepflicht in Fragen des Gesundheitsschutzes für unterschiedlichste Bereiche der betrieblichen Arbeit.

2. Arbeitsstättenverordnung

Bis Dezember 2016 fanden sich weitgehende Regelungen für die Arbeit an Bildschirmgeräten in der Bildschirmarbeitsverordnung (BildSchArbV) vom 04.12.1996. Deren Regelungen wurden sodann in die Arbeitsstättenverordnung überführt. Die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) beschreibt unter 6 des Anhangs „Anforderungen und Maßnahmen für Arbeitsstätten nach § 3 Abs. 1″ Maßnahmen zur Gestaltung von Bildschirmarbeitsplätzen. Neben den allgemeinen Anforderungen an solche Arbeitsplätze sind Anforderungen an Bildschirme und Bildschirmgeräte ebenso beschrieben wie solche an die Benutzerfreundlichkeit. So müssen z.B. gemäß Ziffer 6.2 dieser Regelung die Text- und Grafikdarstellungen auf dem Bildschirm entsprechend der Arbeitsaufgabe und dem Sehabstand scharf und deutlich sowie ausreichend groß sein. Ziffer 6.3 verpflichtet dazu, Bildschirme frei sowie leicht dreh- und neigbar aufzustellen. Bildschirme müssen über eine reflexionsarme Oberfläche verfügen.

3. Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge

Die Regelungen der Arbeitsstättenverordnung enthalten keine Festlegungen zur individuellen arbeitsmedizinischen Vorsorge. Solche Vorgaben finden sich indes in der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV). Ziel der ArbMedVV ist es, durch Maßnahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge arbeitsbedingte Erkrankungen einschließlich Berufskrankheiten frühzeitig zu erkennen und zu verhüten. Arbeitsmedizinische Vorsorge soll einen Beitrag zum Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit und zur Fortentwicklung des betrieblichen Gesundheitsschutzes leisten (§ 1 Abs. 1 ArbMedVV). Die Verordnung gilt für die arbeitsmedizinischen Vorsorge im Geltungsbereich des Arbeitsschutzgesetzes.

Die ArbMedVV unterscheidet zwischen Maßnahmen der

  • Pflichtvorsorge (§ 4)
  • Angebotsvorsorge (§ 5) und
  • Wunschvorsorge (§ 5a).

Unmittelbare Verpflichtungen des Arbeitgebers ergeben sich im Hinblick auf die Pflicht- und Angebotsvorsorge, ohne dass hier ein Tätigwerden/eine Initiative von Arbeitnehmern vonnöten ist.

Ob Maßnahmen der Pflicht- bzw. der Angebotsvorsorge ergriffen werden müssen, bestimmt sich nach den Festlegungen des Anhangs der ArMedVV.

Teil 4 (2) Ziffer 1. statuiert die Verpflichtung zur Angebotsvorsorge bei Tätigkeiten an Bildschirmgeräten. Die Angebotsvorsorge enthält nach den Festlegungen der Anlage das Angebot auf eine angemessene Untersuchung der Augen und des Sehvermögens. Erweist sich aufgrund der Angebotsvorsorge eine augenärztliche Untersuchung als erforderlich, so ist diese zu ermöglichen. Ausdrücklich wird hier bestimmt, dass den Beschäftigten im erforderlichen Umfang spezielle Sehhilfen für ihre Arbeit an Bildschirmgeräten zur Verfügung zu stellen sind, sofern Ergebnis der Angebotsvorsorge ist, dass spezielle Sehhilfen notwendig und normale Sehhilfen nicht geeignet sind (Bildschirmarbeitsplatzbrille).

4. G 37

G 37 beschreibt einen Standard für arbeitsmedizinische Augenuntersuchungen. Dieser Standard der Berufsgenossenschaften wird regelmäßig bei Untersuchungen im Zusammenhang mit Bildschirmarbeit zur Anwendung gelangen.

5. Arbeitsmedizinische Regeln (AMR)

Gemäß § 9 Abs. 4 der ArbMedVV kann das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die vom Ausschuss für Arbeitsmedizin ermittelten Regeln und Erkenntnisse sowie Empfehlungen im gemeinsamen Ministerialblatt bekanntgeben. Von dieser Möglichkeit ist umfangreich Gebrauch gemacht worden. Die hier veröffentlichten arbeitsmedizinischen Regeln konkretisieren die Anforderungen der ArbMedVV.

Die AMR Nr. 2.1 befasst sich z.B. mit der Frage, innerhalb welcher Zeiträume/Fristen Angebotsvorsorgemaßnahmen im Sinne von § 5 der ArbMedVV zu ergreifen sind. In Ziffer 3 dieser AMR ist beschrieben, dass eine „erste Vorsorge“ innerhalb von 3 Monaten vor Aufnahme der Tätigkeit veranlasst oder angeboten werden muss. Die sogenannte „zweite Vorsorge“ muss spätestens 12 Monate nach Aufnahme der Tätigkeit veranlasst bzw. angeboten werden. Jede „weitere Vorsorge“ einschließlich nachgehender Vorsorge hat spätestens 36 Monate nach der vorangegangenen Vorsorge veranlasst bzw. angeboten zu werden. Diese Fristen sind Maximalfristen, sie dürfen nach der Vorgabe der AMR nicht überschritten werden, kürzere Fristen sind indes (selbstverständlich) zulässig.

Fazit:

Kein Arbeitgeber kommt umhin, für Arbeitnehmer, die ganz oder teilweise Bildschirmarbeit leisten, umfangreiche arbeitsmedizinische Vorsorgemaßnahmen jedenfalls anzubieten. Die Verletzung von Vorgaben des Arbeitsschutzes kann zu einer Sanktion als Ordnungswidrigkeit oder gar Straftat führen. So handelt gemäß § 10 Abs. 1 ArbMedVV ordnungswidrig, wer entgegen § 5 Abs. 1 S. 1 eine Angebotsvorsorge nicht oder nicht rechtzeitig anbietet. Wer dies vorsätzlich unterlässt und dadurch Leben oder Gesundheit von Beschäftigten gefährdet, ist gemäß § 26 Nr. 2 ArbSchG strafbar!

Gerade in kleineren Betrieben wird der Arbeitsschutz und die arbeitsmedizinische Vorsorge häufig nicht mit der nötigen Sensibilität beachtet. In den sich hier für Sie ergebenden Fragestellungen beraten und unterstützen wir Sie gerne.