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Verlängerung der gesetzlichen Kündigungsfrist im Arbeitsverhältnis – Gestaltungsmöglichkeiten und rechtliche Grenzen:

Das Arbeitsverhältnis ist ein sogenanntes Dauerschuldverhältnis, welches in den überwiegenden Fällen auf „unbestimmte Zeit“ geschlossen ist. Möchte eine der Vertragsparteien dieses Rechtsverhältnis beenden, muss sie kündigen. Nur in den Fällen, in denen ein „wichtiger Grund“ besteht, kommt eine sofortige (außerordentliche) Kündigung durch eine Vertragspartei in Betracht. Die Anforderungen an einen solchen wichtigen Grund sind aber vergleichsweise streng. Ansonsten bleibt nur die Möglichkeit der „ordentlichen“ Kündigung unter Einhaltung der maßgeblichen Kündigungsfrist. Dies gilt für Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen.

 

Der Gesetzgeber hat Mindestfristen für die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses festgelegt. Die gesetzlichen Regelungen sollen in erster Linie den Arbeitnehmer schützen. Dies ist daran ablesbar, dass sich die Dauer der vom Arbeitgeber zu beachtenden ordentlichen Kündigungsfrist in Abhängigkeit von der Dauer des Arbeitsverhältnisses verlängert, dasselbe für die Kündigung durch den Arbeitnehmer aber nicht gilt.

Dieser Arbeitnehmerschutz verliert vor dem Hintergrund des demographischen Wandels und des Fachkräftemangel in vielen Arbeitsverhältnissen zunehmend an Bedeutung. Arbeitgeber aus Branchen, in denen nur noch schwer neue Arbeitskräfte gefunden werden können, sehen sich zunehmend gehalten, sich selbst vor (kurzfristigen) Kündigungen von Mitarbeitern zu schützen.

Die nachfolgenden Ausführungen sollen die gesetzliche Kündigungsfristenregelung und die vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten und -grenzen einer Verlängerung von Kündigungsfristen beleuchten:

 

1. Gesetzliche Kündigungsfristen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer

 

– Grundkündigungsfrist

Der Gesetzgeber hat in § 622 BGB Festlegungen hinsichtlich der im Arbeitsverhältnis zu beachtenden ordentlichen Kündigungsfristen getroffen. Gemäß § 622 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers mit einer Frist von 4 Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden. Hierbei handelt es sich um die sogenannte Grundkündigungsfrist in Arbeitsverhältnissen.

 

– Probezeitkündigung

Diese Grundkündigungsfrist kann nach § 622 Abs. 3 BGB während einer vereinbarten Probezeit, längstens für die Dauer von sechs Monaten, auf zwei Wochen verkürzt werden. Hier ist darauf hinzuweisen, dass nicht automatisch innerhalb der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses die verkürzte Probezeitkündigungsfrist gilt. Wie der Wortlaut des Gesetzes deutlich macht, bedarf dies vielmehr einer Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien im Arbeitsvertrag. Das Bundesarbeitsgericht hat in einer jüngeren Entscheidung deutlich herausgestellt, dass die Vereinbarungen im Arbeitsvertrag über eine Probezeit und die während dieser Zeit geltende Kündigungsfrist hinreichend klar und unmissverständlich gefasst werden muss. Anderenfalls könne sich der Arbeitgeber, der typischerweise den Arbeitsvertragstext vorgibt, nicht auf die geringere Probezeitkündigungsfrist berufen (BAG, Urteil vom 23.03.2017, Az. 6 AZR 705/15).

 

– Verlängerte Kündigungsfristen im langjährigen Arveitsverhältnis

Nach § 622 Abs. 2 BGB verlängert sich die vom Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer einzuhaltende ordentliche Kündigungsfrist in Abhängigkeit von der Dauer des Bestands des Arbeitsverhältnisses. So verlängert sich die Grundkündigungsfrist nach 2-jährigem Bestand des Arbeitsverhältnisses auf einen Monat zum Ende eines Kalendermonats. Eine weitere Verlängerung um jeweils einen weiteren Monat erfolgt nach 5-, 8-, 10-, 12-, 15-und 20-jährigem Bestand des Arbeitsverhältnisses bis zur maximalen ordentlichen Kündigungsfrist von sieben Monaten zum Monatsende.

Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben zu beachten, dass eine solche Verlängerung der gesetzlichen Kündigungsfristen nur die Arbeitgeberkündigung erfasst, für Kündigungen des Arbeitnehmers verbleibt es auch im langjährigen Arbeitsverhältnis bei der gesetzlichen Grundkündigungsfrist von vier Wochen zum 15. oder Ende eines Kalendermonats. In vielen Arbeitsverträgen finden sich aber davon abweichende Regelungen dergestalt, dass die verlängerten gesetzlichen Kündigungsfristen auch für die arbeitnehmerseitige Kündigung gelten sollen.

 

2. Abweichende Kündigungsfristen im Arbeitsvertrag

Die gesetzlichen Regelungen zur Mindestkündigungsfrist in Arbeitsverhältnissen begründen einen Mindestschutz für Arbeitnehmer. Von diesen Regelungen kann in Arbeitsverträgen zunächst zugunsten von Arbeitnehmern abgewichen werden. Grundsätzlich können also im Arbeitsvertrag längere Kündigungsfristen als diejenigen des § 622 BGB festgelegt werden. Gerade in herausgehobenen Arbeitsverhältnissen finden sich solche Regelungen gehäuft, indem z.B. mehrmonatige Kündigungsfristen zum jeweiligen Monats-, Quartals-, Halbjahres- oder Jahresende statuiert werden.

Auch zugunsten von Arbeitgebern sind vertragliche Modifikationen der gesetzlichen Fristenregelungen möglich und üblich. So finden sich in vielen Arbeitsverträgen Klauseln, wonach die in Abhängigkeit von der Dauer des Arbeitsverhältnisses verlängerten gesetzlichen Kündigungsfristenregelungen für die Arbeitgeberkündigung auch für eine Kündigung durch den Arbeitnehmer gelten sollen. Eine solche Klausel kann z.B. bewirken, dass ein Arbeitnehmer im mehr als 20-jährigen Arbeitsverhältnis nur mit der verlängerten Kündigungsfrist von 7 Monaten zum Monatsende (§ 622 Abs. 2 Nr. 7 BGB) anstelle der Grundkündigungsfrist von vier Wochen zum 15. bzw. Monatsende kündigen kann.

 

3. Grenzen der Verlängerung von Kündigungsfristen zulasten des Arbeitnehmers

Theoretisch ist es auch denkbar, im Arbeitsvertrag außerordentlich lange Kündigungsfristen zu vereinbaren bzw. das Arbeitsverhältnis als ordentlich unkündbar zu gestalten. Diesbezüglich hat das Bundesarbeitsgericht aber in einer neueren Entscheidung Grenzen aufgezeigt. Eine Kündigungsfrist von 3 Jahren zum Monatsende soll regelmäßig unwirksam sein:

Das Gericht unterscheidet insoweit zwischen vertraglichen Regelungen zur Kündigungsfrist in sogenannten „Allgemeinen Geschäftsbedingungen“ (AGB) oder „Einmalbedingungen“ gemäß §§ 305 ff. BGB und solchen in echten Individualabreden.

Gemäß § 305 Abs. 1 BGB sind Allgemeine Geschäftsbedingungen die für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei, der sogenannte „Verwender“, der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages stellt. Solchen AGB gleichgestellt sind von einer Vertragspartei vorgegebene Einmalbedingungen in einem Arbeitsvertrag, § 310 Abs. 3 BGB. Kernmerkmal solcher Regelungen ist die einseitige Vorgabe durch eine der Vertragsparteien. Im Arbeitsverhältnis ist dies im Regelfall der Arbeitgeber. Dem gegenüber steht die echte Individualvereinbarung, die auf ein Aushandeln der Vertragsparteien gleichsam „auf Augenhöhe“ zurückgeht. Die Abgrenzung von AGB/Einmalbedingungen einerseits und echten Individualabreden andererseits erfolgt nach dem Maß der Möglichkeit der Einflussnahme beider Vertragsparteien auf die vertraglichen Regelungen. Diese Abgrenzung wird vom Bundesarbeitsgericht an einem strengen Maßstab gemessen. Das Gericht unterstellt bei Arbeitsverträgen, die letztendlich vom Arbeitgeber ausgefertigt werden, dass die darin enthaltenen Klauseln auch von dem Arbeitgeber einseitig vorgegeben worden sind. Die Möglichkeit der Einflussnahme des Arbeitnehmers auf das Klauselwerk soll nur dann anzunehmen sein, wenn der Arbeitgeber den Kerngehalt der Regelungen ernsthaft zur Disposition stellt und dem Vertragspartner (Arbeitnehmer) Gestaltungsfreiheit einräumt, um seine Interessen zu wahren. Dies setze nach Auffassung des BAG zumindest voraus, dass sich der Arbeitgeber deutlich und ernsthaft zu gewünschten Änderungen der zu treffenden Vereinbarung bereit erklärt und dem Arbeitnehmer dies bei Abschluss des Vertrages bewusst war (BAG, Urteil vom 26.10.2017, Az. 6 AZR 158/16).

Nach diesem strengen Maßstab wird die weit überwiegende Zahl der Arbeitsverträge einseitig vom Arbeitgeber vorgegeben sein. Im Regelfall enthalten Arbeitsverträge mithin Allgemeine Geschäftsbedingungen bzw. Einmalbedingungen gemäß §§ 305 ff. BGB.

Solche AGB oder Einmalbedingungen unterfallen einer strengen Rechtmäßigkeitskontrolle. So ist unter anderem zu prüfen, ob derlei Klauseln einer sogenannten Inhaltskontrolle nach § 307 BGB standhalten. Auf echte Individualabreden finden diese besonderen Kontrollen der Rechtmäßigkeit hingegen keine Anwendung.

Das BAG hat sich in der vorstehend benannten Entscheidung mit der Frage auseinandergesetzt, ob eine in einem arbeitgeberseitig vorformulierten Arbeitsvertrag enthaltene erhebliche Verlängerung der gesetzlichen Kündigungsfrist einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB standhält. Zu beurteilen hatte das Gericht eine Klausel im Arbeitsvertrag, wonach für beide Vertragsparteien eine ordentliche Kündigungsfrist von drei Jahren zum Monatsende gelten sollte.

Hier führte das Gericht aus, eine solche Kündigungsfristenregelung verstoße gegen § 307 Abs. 1 Nr. 1 BGB, denn sie benachteilige den Arbeitnehmer in unangemessener Weise. Bei einer vom Arbeitgeber vorformulierten Kündigungsfrist, die die gesetzliche Regelfrist des § 622 Abs. 1 BGB verlängert, sei nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls unter Beachtung der dem Abnehmer zukommenden Berufsfreiheitsgarantie in Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes zu prüfen, ob die verlängerte Frist eine unangemessene Beschränkung der beruflichen Bewegungsfreiheit darstellt. Dies sei bei einer derart langen Ausgestaltung der vom Arbeitnehmer zu beachtenden Kündigungsfrist der Fall. Eine solche Kündigungsfrist könnte nur dann Bestand haben, wenn dem Arbeitnehmer an anderer Stelle vertraglich ein außerordentlich gewichtiger Vorteil gewährt wird, wobei ein solcher Vorteil in einem inneren Zusammenhang mit dem Nachteil der verlängerten Kündigungsfrist in einem inneren Zusammenhang stehen müsse. In einer bloßen (geringeren) Gehaltserhöhung erkennt das BAG einen solchen, den Nachteil der verlängerten Kündigungsfrist aufwiegenden Vorteil nicht (BAG, Urteil vom 26.10.2017, Az. 6 AZR 158/16).

 

4. Was haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu beachten?

Ein arbeitgeberseitiges Interesse an einer längeren Bindung von Arbeitnehmern wird in vielen Branchen immer dringender. Werden die Interessen des Arbeitgebers/Unternehmens nicht mehr hinreichend durch die gesetzlichen Kündigungsfristenregelungen abgebildet, kommt eine Vereinbarung einer verlängerten Kündigungsfrist im Arbeitsvertrag in Betracht. Unter Berücksichtigung der vergleichsweise strengen Vorgaben der Arbeitsgerichtsbarkeit ist besondere Sorgfalt bei der Vertragsgestaltung an den Tag zu legen.

Arbeitnehmer, deren Arbeitsvertrag deutlich längere als die gesetzlichen Kündigungsfristen enthält, hätten im Einzelfall zu prüfen, ob eine solche Klausel tatsächlich Geltung für sich in Anspruch nehmen kann. Sollte dies nicht der Fall sein, könnte die Kündigung des Arbeitsvertrags unter Einhaltung der vergleichsweise kurz bemessenen gesetzlichen Grundkündigungsfrist erfolgen.

 

In diesen Fragestellungen und insbesondere bei der Vertragsgestaltung beraten wir Sie gern.