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Umbruch in der Zeitarbeit – Bundesarbeitsgericht kippt Tarifverträge christlicher Gewerkschaften
Das Bundesarbeitsgericht hat am 14.12.2010 eine richtungsweisende Entscheidung getroffen, die für Unternehmen, die im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung tätig sind, von existenzbedrohender Bedeutung ist.
Worum geht es? Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Arbeitnehmerüberlassung finden sich im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) vom 03.02.1995. § 9 Ziff. 2 AÜG beinhaltet den sogenannten „Equal-Pay“-Grundsatz. Danach ist das verleihende Unternehmen verpflichtet, dem zu überlassenden Arbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an einen Entleiher die Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren, die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer gelten. Zusammengefasst bedeutet dies, dass überlassene Arbeitnehmer denselben Lohn erhalten müssen, den vergleichbare Stammarbeitnehmer des Entleiherbetriebs erhalten.
Hiervon darf nur in Ausnahmefällen abgewichen werden. Der wichtigste gesetzliche Ausnahmefall liegt darin, dass ein maßgeblicher Tarifvertrag abweichende Regelung (geringere Vergütungssätze) zulässt und dieser Tarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis des beschäftigten Leiharbeitnehmers Anwendung findet. Dies ist dann der Fall, wenn entweder der betreffende Arbeitnehmer Mitglied der tarifvertragschließenden Gewerkschaft ist oder aber ein solcher Tarifvertrag mit eigenen Vergütungsregelungen im Arbeitsvertrag als verbindlich benannt wurde (sog. arbeitsvertragliche Inbezugnahme). Für die Zeitarbeitsbranche bestanden in der Vergangenheit zum einen Tarifwerke unter Beteiligung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Dieser hatte sowohl mit dem Bundesverband Zeitarbeit e.V. (BZA) als auch mit dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ) Tarifverträge für Unternehmen der Zeitarbeitsbranche geschlossen.
Zum anderen steht hier der „Tarif“-Vertrag zwischen der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) und dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister (AMP) im Fokus. Letztgenannter Vertrag ist häufig als „Dumping-Lohn-Tarifvertrag“ bezeichnet worden. Er ermöglichte eine Beschäftigung von Leiharbeitnehmern zu vergleichsweise geringen Stundensätzen, ohne an höhere Vergütungen im Entleiherbetrieb gebunden zu sein. Das Bundesarbeitsgericht hat nunmehr im Beschluss vom 14.12.2010 ausgesprochen, dass es sich bei der CGZP nicht um eine Gewerkschaft bzw. um einen Zusammenschluss von Gewerkschaften handelt, der Tarifverträge abschließen kann. Die entsprechenden Verträge der Vergangenheit sind damit unverbindlich. BAG, Beschluss vom 14.12.2010, Aktenzeichen: 1 ABR 19/10)
Die Auswirkungen: Soweit Arbeitsverträge mit Leiharbeitnehmern auf die Arbeitsbedingungen der Vereinbarungen zwischen CPZP und AMP verweisen, ist der Vertrag unwirksam. Damit greift wieder der gesetzliche Grundsatz, wonach die regelmäßig höheren Vergütungen vergleichbarer Arbeitnehmer im Entleiherbetrieb auch an den überlassenen Arbeitnehmer zu zahlen sind. Dies gilt auch rückwirkend!
Daraus ergibt sich eine Vielzahl von Problemen: Zum einen haben Arbeitnehmer im Rahmen der gesetzlichen Verjährungsfrist von drei Jahren bzw. wirksamer Verfallfristen Ansprüche auf Nachzahlung von Arbeitsvergütung. Diese Ansprüche werden regelmäßig durch Auskunftsbegehren bezüglich der Arbeitsbedingungen vergleichbarer Arbeitnehmer im Entleiherbetrieb ergänzt. Selbstverständlich können auch für die Zukunft nicht mehr die bisherigen „tarifvertraglichen“ Vergütungssätze gezahlt werden.
Von großer Bedeutung ist, dass die Sozialversicherungsträger Ansprüche auf Nachentrichtung des gesamten Sozialversicherungsbeitrages (Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil) geltend machen können. Die Verjährungsfrist beträgt hier nach § 25 Abs. 1 SGB IV vier Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Ansprüche fällig geworden sind! Arbeitnehmer können für die Vergangenheit auf Zahlung der Arbeitnehmersozialversicherungsbeiträge für allenfalls drei Monate in Anspruch genommen werden (§ 28 g SGB IV), sodass der Arbeitgeber faktisch allein die Last etwaiger Nachberechnungen trägt.
Was ist zu tun? Auf Grundlage der oben geschilderten Rechtssituation erscheint es als Akt grober Fahrlässigkeit, Arbeitsverträge unter Hinweis auf die Tarifverträge der CGZP weiterzuführen. Hier besteht sofortiger Änderungsbedarf. Darüber hinaus sollten die Möglichkeiten der Beseitigung von Ansprüchen für die Vergangenheit genutzt werden. Regelmäßig kann dies nur im Wege der Vertragsanpassung erfolgen. Zum jetzigen Zeitpunkt besteht noch die Möglichkeit, Änderungen herbeizuführen, um so die Risiken auch für eine rückwirkende Inanspruchnahme weitgehend zu minimieren. Lassen Sie sich hier beraten und Lösungsmöglichkeiten aufzeigen.
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