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Überwachung am Arbeitsplatz durch „Keylogger-Software“. Bundesarbeitsgericht stärkt Arbeitnehmerrechte

Die moderne Arbeitswelt ist von der Arbeit am Computer geprägt. Kaum noch ein Arbeitsplatz kommt ohne die (zumindest gelegentliche) Bedienung des Computers und den Zugriff auf die elektronische Datenverarbeitung aus. So unbeschränkt die produktiven Möglichkeiten von Computern sind, so weitreichend sind die Überwachungspotenziale. Auch das Datenschutzrecht vermag nicht zu verhindern, dass das Arbeitnehmerverhalten am Computer vielfach und zum Teil sehr weitgehend überwacht wird.

In eingeschränkten Fällen wird eine solche Überwachung sogar erforderlich sein.

Eine schrankenlose Überwachung am Arbeitsplatz degradiert den Arbeitnehmer aber zum bloßen Objekt der Kontrolle. Jede Überwachungsmaßnahme berührt den Bereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Mitarbeiters. Je ausufernder eine Kontrolle und Überwachung stattfindet, desto weiter werden die Persönlichkeitsrechte außer Kraft gesetzt.

 

Wie weit also darf das Unternehmen/der Arbeitgeber den Arbeitnehmer am Arbeitsplatz überwachen und welche Folgen haben übermäßige Überwachungsvorgänge? Darf der Arbeitgeber etwaige Erkenntnisse, die er im Rahmen einer zu weit reichenden Überwachung gewonnen hat, auch zur Rechtfertigung einer Kündigung im Kündigungsschutzprozess verwerten?

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einer Leitentscheidung zu diesem Themenkomplex eine weitere Klärung offener Fragen im Sinne der Stärkung von Arbeitnehmerrechten beim Einsatz von Überwachungssoftware vorgenommen.

Nachstehend möchten wir Sie über die Grenzen der Arbeitsplatzüberwachung und die weitreichenden Auswirkungen der neuen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auf Rechte und Pflichten von Arbeitgebern und Arbeitnehmer informieren:

 

  1. Überwachung und Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers

 

Die Reichweite der Zulässigkeit arbeitgeberseitiger Überwachung von Arbeitnehmern ergibt sich aus der Abwägung der beiderseitigen Rechte/Interessen. Auf Arbeitgeberseite findet sich z.B. das in Art. 14 GG geschützte Eigentumsrecht. Dieses umfasst auch das Recht des Arbeitgebers, die betrieblichen Abläufe betriebswirtschaftlich sinnvoll zu gestalten und betriebliche Abläufe zu kontrollieren.

Demgegenüber steht das in Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützte, auch im Privatrechtsverkehr zu beachtende allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers. Dieses Recht umfasst auch das Recht auf sogenannte „informationelle Selbstbestimmung“.

 

Allgemein wird davon ausgegangen, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers nicht schrankenlos gewährleistet wird. Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers sollen durch Wahrnehmung überwiegender schutzwürdiger Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt werden können.

Das Bundesverfassungsgericht hat geurteilt, dass bei einer Kollision des allgemeinen Persönlichkeitsrechts mit Interessen des Arbeitgebers durch eine Güteabwägung im Einzelfall zu ermitteln sei, welches Recht den Vorrang verdiene (BVerfG, Urteil vom 09.10.2002, Az. 1 BvR 1611/96). Dem hat sich das Bundesarbeitsgericht angeschlossen (BAG, Urteil vom 13.12.2007, Az. 2 AZR 537/06; BAG, Urteil vom 16.12.2010, Az. 2 AZR 485/08).

 

Solche Abwägungsvorgänge waren bereits mehrfach Gegenstand der arbeitsrechtlichen Rechtsprechung. So hatte das Bundesarbeitsgericht z.B. Fälle der Überwachung durch Videokameras zu beurteilen.

In einer jüngeren Entscheidung hat das Gericht ausgeführt, Eingriffe in das Recht am eigenen Bild als Ausformung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch Videoüberwachung seien dann zulässig, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zulasten des Arbeitgebers besteht, weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachts ergebnislos ausgeschöpft sind, die verdeckte Videoüberwachung damit das praktisch einzig verbleibende Mittel darstellt und sie insgesamt nicht unverhältnismäßig ist (BAG, Urteil vom 20.10.2016, Az. 2 AZR 395/15). Im Umkehrschluss ergibt sich, dass eine (verdeckte) Videoüberwachung des Arbeitnehmers ohne begründete Verdachtsmomente regelmäßig verboten ist, weil dann die Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers die erforderlichen Überwachungsinteressen des Arbeitgebers überwiegen.

 

  1. Einsatz von Überwachungssoftware (z.B. „Keylogger“)

 

Die vorstehenden Grundsätze gelten in gleicher Weise für den Einsatz von Überwachungssoftware.

In der Entscheidung vom 27.07.2017 hatte sich das Bundesarbeitsgericht mit dem Ausspionieren eines Arbeitnehmers durch derartige Software zu befassen. Der Arbeitgeber hatte einen sogenannten „Keylogger“ am Arbeitsplatz des Arbeitnehmers verwendet. Die aufgespielte Software registrierte jeden Klick der Tastatur am Arbeitsplatz des Arbeitnehmers und die Öffnung von Programmfenstern. Das Programm dokumentierte so sämtliche Aktivitäten des Arbeitnehmers am Computer. Dies geschah ohne Kenntnis oder gar Einwilligung des Arbeitnehmers in verdeckter Weise.

 

Das BAG hatte auch hier zutreffend erkannt, dass die Verwendung einer solchen Software die allgemeinen Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers massiv beeinträchtigt. Es fragte nach der Rechtfertigung eines solchen Eingriffs in die Rechtspositionen des Mitarbeiters.

Dabei stellte es auf die bei der Beurteilung dieses Falles maßgebliche Regelung in § 32 Abs. 1 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) ab. Nach dieser gesetzlichen Regelung dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten zur Aufdeckung von Straftaten erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, sofern tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass der Betroffene im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat, die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung zur Aufdeckung erforderlich ist und das schutzwürdige Interesse des Beschäftigten an dem Ausschluss der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung nicht überwiegt, insbesondere Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sind.

 

Diese strengen Voraussetzungen für eine verdeckte Überwachung auch durch eine Keylogger-Software erkannte das Gericht in dem von ihm zu beurteilenden Fall nicht. Der Arbeitgeber konnte nicht darlegen, dass er Anhaltspunkte für die Begehung von Straftaten durch den Arbeitnehmer hatte. Ebensowenig war dem Arbeitgeber vor Einleitung der Überwachungsmaßnahme erkennbar, dass der überwachte Arbeitnehmer in sonstiger und schwerwiegender Weise gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstößt. Das Gericht bewertete die Überwachungsmaßnahme daher als erheblich zu weitgehend und rechtswidrig (BAG, Urteil vom 27.07.2017, Az. 2 AZR 681/16).

 

  1. Rechtliche Konsequenzen verbotener Computerüberwachung

 

–           Verbot der Verwertung von Erkenntnissen aus der Überwachung im Kündigungsschutzverfahren?

 

Gewinnt der Arbeitgeber im Rahmen der rechtswidrigen Überwachung letztendlich Erkenntnisse über Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers oder gar Straftaten, stellt sich die Frage, ob die so gewonnenen Erkenntnisse vom Arbeitgeber verwertet werden können.

In der vorliegend referierten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 27.07.2017 war über die Wirksamkeit der vom Arbeitgeber ausgesprochenen Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu befinden. Zur Begründung der Kündigung hatte sich der Arbeitgeber eben auf die Kenntnisse aus der Überwachung berufen.

 

Das Bundesarbeitsgericht hat hier sehr deutlich gemacht, dass bei nicht zu rechtfertigender Überwachung die Erkenntnisse derselben nicht verwertet werden dürfen.

Im vom BAG entschiedenen Fall hatte der Arbeitnehmer die arbeitgeberseitig vorgebrachten Umstände zur Rechtfertigung der Kündigung bestritten. Das BAG erkannte aufgrund der schweren Rechtswidrigkeit der Überwachungsmaßnahme ein Beweiserhebungsverbot. Der Fall durfte damit nur auf der Grundlage des unstreitigen Sachverhalts entschieden werden. Da aber gerade die vom Arbeitgeber ins Feld geführten Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers streitig waren, konnten diese die Kündigung nicht rechtfertigen.

 

– Sanktionierung des Arbeitgebers?

 

Die rechtswidrige Überwachung von Arbeitnehmern am Arbeitsplatz durch Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung von Daten stellt einen Ordnungswidrigkeitentatbestand dar, § 43 Abs. 2 BDSG. Gemäß § 43 Abs. 3 BDSG kommt insoweit eine Geldbuße bis zu 300.000 € in Betracht.

Handelt der Arbeitgeber sogar in der Absicht, sich zu bereichern oder einen anderen zu schädigen, droht nach § 44 Abs. 1 BDSG eine Freiheitsstrafe von bis zu 2 Jahren.

 

  1. Exkurs: Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Einführung und Anwendung technischer Überwachungseinrichtungen

 

Ist im Betrieb ein Betriebsrat gewählt, kommt die Einführung und Anwendung auch rechtmäßiger technischer Überwachung nur mit Zustimmung des Betriebsrats in Betracht. Rechtlicher Anknüpfungspunkt hierfür ist § 87 Abs. 1 Nr. 6 Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG). Danach bestimmt der Betriebsrat bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen, mit.

Die Mitbestimmung ist in der Weise auszuüben, dass der Betriebsrat vor Einführung und Anwendung derlei Einrichtungen umfassend zu unterrichten ist. Seine Zustimmung hierzu ist einzuholen. Diese muss ausdrücklich erteilt werden. Fehlt die Zustimmung, darf die Maßnahme nicht durchgeführt werden. Der Arbeitgeber hat dann lediglich die Möglichkeit, eine Einigung mit dem Betriebsrat über die Einführung und Anwendung solcher technischen Einrichtungen in der so genannten „Einigungsstelle“ (§ 76 BetrVG) zu erzielen.

 

Fazit:

 

Eine verdeckte technische Überwachung von Arbeitnehmern ohne ausreichenden Anlass ist regelmäßig rechtswidrig. Der Arbeitgeber wird in rechtswidriger Weise gewonnene Erkenntnisse solcher Überwachungsmaßnahmen vielfach nicht gegenüber dem Arbeitnehmer verwerten können, z.B. zur Begründung einer verhaltensbedingten Kündigung.

Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht dem Arbeitgeber in einer solchen Situation festgestellter Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers in einer jüngeren Entscheidung einen Ausweg aufgezeigt: Soweit die Erkenntnisse über kündigungsrelevante Pflichtverletzungen auch auf andere Weise als durch rechtswidrige technische Überwachung gewonnen worden sind, können diese im Rechtsstreit verwertet werden (BAG, Urteil vom 16.12.2010, Az. 2 AZR 485/08).

 

In Fragen des Arbeitnehmerdatenschutzes sowie der Überwachung am Arbeitsplatz und der Beteiligung von Betriebsräten beraten und unterstützen wir Sie gern.