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Sozialkassenverfahren im Baugewerbe: Beitragspflicht bei der SOKA-BAU – worauf haben Unternehmen/Arbeitgeber zu achten?

1. „ULAK“, „ZVK“, „SOKA-BAU“ – wichtige Institutionen für Arbeitgeber, die einen Baubetrieb unterhalten.

Das Baugewerbe stellt einen der stärksten Erwerbsbereiche der Bundesrepublik Deutschland dar. In ihm sind 2013 ca. 2,4 Millionen Menschen beschäftigt gewesen. Der Baubereich ist einer der wesentlichen Stützen der Volkswirtschaft.

Die Beschäftigungsverhältnisse von Arbeitnehmern im Baugewerbe weisen gegenüber sonstigen Arbeitsverhältnissen strukturelle Besonderheiten auf. Im Vordergrund steht die Abhängigkeit der Bautätigkeit von Witterungsbedingungen. Insbesondere im Winter ist Bautätigkeit regelmäßig nur sehr eingeschränkt möglich oder gar unmöglich, insoweit reduziert sich in Schlechtwetterzeiten auch das Bedürfnis für die Beschäftigung von Arbeitnehmern im Baugewerbe, so dass hier die stete Gefahr von Kündigungen, Lohnausfällen etc. besteht.

Der Baubereich zeichnet sich ferner dadurch aus, dass es kaum stationäre Arbeitsplätze gibt, die Arbeit vielmehr auf den wechselnden Baustellen zu leisten ist. Schließlich hat sich der Baubereich in der Vergangenheit phasenweise als besonders insolvenzgefährdet erwiesen.

Schon nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges setzte sich die Erkenntnis durch, dass baugewerblich tätige Arbeitnehmer wegen der vorstehend beschriebenen Sonderbedingungen einen weitergehenden Schutz benötigen als sonstige Arbeitnehmer. So entstanden tarifvertragliche Einrichtungen, die diesen Schutzzweck erfüllen sollten. Aktuell bestehen hier folgende Einrichtungen:

– Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft, (ULAK)

– Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes AG (ZVK)

Diese Einrichtungen werden von den Tarifvertragsparteien der Bauwirtschaft, (Zentralverband des Deutschen Baugewerbes e.V., Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V., Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt) getragen. Gemeinsamer Name für ULAK und ZVK ist „SOKA-BAU“. Diese Einrichtungen haben ihren Sitz in Wiesbaden.

 

2. Aufgaben der SOKA-BAU und maßgebliche Tarifverträge

Die Aufgaben und Zuständigkeiten der SOKA-BAU und damit der ULAK und der ZVK bestimmen sich in erster Linie nach dem Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV). Gemäß § 3 Abs. 1 VTV erbringt die ULAK Leistungen im Urlaubs- und Berufsausbildungsverfahren. Sie hat Anspruch auf die zur Finanzierung dieser Verfahren festgesetzten Beiträge.

Die ZVK gewährt zusätzliche Leistungen zu den gesetzlichen Renten (§ 3 Abs. 2 VTV).

Im Zentrum dieser Thematik steht ferner der Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV). Dieser enthält Regelungen zur Ausgestaltung der Arbeitsverhältnisse gewerblich beschäftigter Arbeitnehmer in Baubetrieben.

 

3. Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen für das Baugewerbe

Sowohl der BRTV als auch der VTV sind für allgemeinverbindlich erklärt worden (dies gilt für den VTV mit Einschränkungen). Die Allgemeinverbindlichkeitserklärung gemäß § 5 TVG erfolgt durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Mit der Allgemeinverbindlichkeitserklärung erfassen die Rechtsnormen des Tarifvertrages in seinem Geltungsbereich auch die bisher nicht tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer (§ 5 Abs. 4 TVG). Um es anders auszudrücken: Für Arbeitgeber, die unter den Geltungsbereich von z.B. BRTV und VTV fallen, gelten diese Tarifverträge gleichsam „automatisch“, ohne dass es darauf ankommt, ob der Arbeitgeber/das Unternehmen einem tarifvertragsschließenden Arbeitgeberverband und Arbeitnehmer der tarifvertragschließenden Gewerkschaft angehören!

 

4. Finanzierung der Leistungen der SOKA-BAU

Die Einrichtungen der SOKA-BAU erbringen Leistungen an gewerbliche Arbeitnehmer. Beispielhaft sei auf die Leistungserbringung im Bereich der Urlaubsvergütung verwiesen:

In „regulären“ Arbeitsverhältnissen außerhalb der Baubranche ist der Arbeitgeber verpflichtet, Urlaubsvergütung an Arbeitnehmer aus eigenen Mitteln zu zahlen. Rechtliche Grundlage hierfür ist das Bundesurlaubsgesetz. Ferner hat der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen Anspruch auf Abgeltung nichtgewährten Urlaubs unmittelbar gegen den Arbeitgeber (§ 7 Abs. 4 BUrlG). Anders verhält sich dies unter der Geltung des BRTV in Baubetrieben. Gemäß § 8 BRTV hat der Arbeitnehmer, welcher in einem Baubetrieb beschäftigt ist, tariflich festgelegte Urlaubsvergütungsansprüche. Die Urlaubsvergütung wird seitens des Arbeitgebers gezahlt. Dieser hat aber einen Erstattungsanspruch gegen die ULAK. Dieses Erstattungssystem trägt dem Umstand Rechnung, dass der Bauarbeitgeber zuvor verpflichtet war, tarifvertraglich festgelegte Zahlungen an die Urlaubskasse zu leisten. Ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung richtet sich nach den Vorschriften des BRTV unmittelbar gegen die ULAK, nicht hingegen gegen den Arbeitgeber. Auch dies berücksichtigt, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, Urlaubskassenbeiträge an die ULAK zu leisten.

 

5. Vor-und Nachteile des Sozialkassenverfahrens

Für Arbeitnehmer bewirkt das tarifvertragliche Sozialkassenverfahren des Baugewerbes regelmäßig nicht unerhebliche Vorteile. Das Kassenverfahren verringert das Risiko von Arbeitnehmern, im Insolvenzfall von Zahlungsausfällen betroffen zu sein. Darüber hinaus werden mit dem Verfahren saisonale Arbeitsschwankungen und damit verbundene Lohnrisiken ausgeglichen.

Arbeitgeber begreifen das Sozialkassenverfahren häufig als zwiespältig. Das Verfahren ist mit nicht unerheblicher Bürokratie verbunden. Es führte darüber hinaus zu finanziellen Belastungen, die im „regulären“ Urlaubsverfahren nicht entstehen würden. So müssen aus den arbeitgeberseitig aufzubringenden Beiträgen auch die Kosten der SOKA-BAU getragen werden.

 

6. Geltungsbereich des Sozialkassenverfahren

§ 1 VTV beschreibt seinen Geltungsbereich und damit denjenigen des Sozialkassenverfahrens. Die tarifverträglichen Regelungen gelten für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. In betrieblicher Hinsicht werden ausschließlich Betriebe des Baugewerbes erfasst. Hierbei handelt es sich um Betriebe, die nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeit geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich Bauten aller Art erstellen oder sonstige, im Tarifvertrag näher beschriebene, bauliche Leistungen erbringen.

 

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