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Schulungs- und Bildungsveranstaltungen für den Betriebsrat, Bildungsplan, zeitlicher und personeller Umfang von Schulungen – was ist von Arbeitgeber und Betriebsrat zu beachten?

1. Anspruch des Betriebsrats auf Schulungs- und Bildungsveranstaltungen

Gemäß § 37 Abs. 6 BetrVG sind Betriebsratsmitglieder von ihrer beruflichen Tätigkeit unter Fortzahlung der Arbeitsvergütung zu befreien, soweit diese an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen teilnehmen, die Kenntnisse vermitteln, die für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich sind. Im Übrigen hat der Betriebsrat bei der Festlegung der zeitlichen Lage der Teilnahme von Betriebsratsmitgliedern an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen die betrieblichen Notwendigkeiten zu berücksichtigen (§ 37 Abs. 6 S. 3 BetrVG).

Diese Regelung wird von derjenigen in § 40 Abs. 1 BetrVG flankiert, wonach der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten trägt. Die Kostentragungspflicht erstreckt sich grundsätzlich auch auf Schulungs- und Bildungsveranstaltungen im Sinne von § 37 Abs. 6 BetrVG.

 

2. Freistellung von Betriebsratsmitgliedern und Fortzahlung der Arbeitsvergütung bei Schulung

Im Hinblick auf die Freistellung von Betriebsratsmitgliedern unter Fortzahlung der Arbeitsvergütung für Schulungs- und Bildungsveranstaltungen gilt Folgendes:

Schulungsmöglichkeiten nach § 37 Abs. 6 BetrVG beschränken sich auf Betriebsratsmitglieder sowie auf Mitglieder der Jugend- und Auszubildendenvertretung (§ 65 Abs. 1 BetrVG). Freistellungsansprüche bestehen lediglich für Schulungs-und Bildungsveranstaltungen, die Kenntnisse vermitteln, welche für die Betriebsratsarbeit erforderlich sind. Die Kenntnisvermittlung muss sich nach allgemeiner und zuzustimmender Auffassung der betriebsverfassungsrechtlichen Literatur auf die Betriebsratsarbeit, d.h. auf Gegenstände beziehen, die zu den Aufgaben des Betriebsrats im Betrieb gehören.

Das Bundesarbeitsgericht stellt in ständiger Rechtsprechung heraus, dass auf die konkreten Verhältnisse im Betrieb und im Betriebsrat abgestellt werden muss. Nur diese konkreten Umstände können die Erforderlichkeit im Einzelfall begründen (BAG, Beschluss vom 19.07.1995, Az. 7 ABR 49/94). So kann es durchaus möglich sein, dass auch Schulungen des Betriebsrats zur Thematik „Burn-Out im Betrieb“ oder „Mobbing-erkennen-vorbeugen-kompetent agieren“ oder Ähnliches in Betracht kommen, sofern die betrieblichen Umstände dies gebieten. Für Neumitglieder des Betriebsrats werden stets Grundschulungen als erforderlich anzusehen sein.

Allgemein gilt, dass sich die Erforderlichkeit einer Schulung/Fortbildung nicht zwingend auf 100 % des Seminarinhalts beziehen muss, allerdings müssen die „erforderlichen“ Themen mit mehr als 50 % der Fortbildungszeit überwiegen (BAG, Urteil vom 28.05.1976, Az. 1 AZR 116/74).

 

3. Anzahl der zu Schulungen zu entsendenden Betriebsratsmitglieder und Dauer der Schulungsmaßnahme

Von herausragender Bedeutung ist die Frage der Anzahl der zu den jeweiligen Schulungsmaßnahmen zu entsendenden Betriebsratsmitglieder und die Dauer der Schulungsmaßnahme im Einzelnen bzw. insgesamt.

Es liegt auf der Hand, dass nicht sämtliche Betriebsratsmitglieder in allen nur erdenklichen Fragen unterrichtet werden können. Faktisch erkennen Rechtsprechung und Literatur hier den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit an. In der Praxis haben sich durchaus Richtwerte für den personellen und zeitlichen Schulungsumfang herausgebildet, die auch von der Größe des Betriebs und des jeweiligen Betriebsrats abhängen. So wird angenommen, dass es noch den Grundsätzen der Erforderlichkeit entsprechen kann, wenn ein einköpfiger Betriebsrat in der gesamten Amtszeit von vier Jahren Schulungen im Umfang von 21 Tagen in Anspruch nimmt. Bei einem 31-köpfigen Betriebsrat soll es noch erforderlich sein können, dass innerhalb der vierjährigen Amtszeit 396 Schulungstage insgesamt aufgewendet werden.

Das bedeutet, dass in sehr kleinen Betriebsräten durchaus ca. 20 Schulungstage insgesamt pro Betriebsratsmitglied und Amtszeit anfallen können. In größeren Betriebsräten würde sich das für das einzelne Betriebsratsmitglied zur Verfügung stehende Schulungskontingent pro Amtszeit auf bis zu 12 Tage reduzieren.

Diese Maßstäbe gelten auch für die Frage der Kostenübernahme durch den Arbeitgeber nach § 40 BetrVG.

 

4. Rechte und Pflichten des Betriebsrats im Zusammenhang mit Schulungsmaßnahmen

Grundsätzlich ist der Betriebsrat berufen, Festlegungen hinsichtlich der Teilnahme von Betriebsratsmitgliedern an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen zu treffen. Der Betriebsrat hat hier einen entsprechenden Beschluss zu fassen. Es bedarf grundsätzlich keiner Zustimmung des Arbeitgebers.

Allerdings hat der Arbeitgeber weitreichende Unterrichtungsansprüche. Da der Arbeitgeber nur dann verpflichtet ist, Betriebsratsmitglieder unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts von der beruflichen Tätigkeit freizustellen, wenn es sich um Schulungs- oder Bildungsveranstaltungen nach § 37 Abs. 6 oder Abs. 7 BetrVG handelt, ist der Betriebsrat verpflichtet, dem Arbeitgeber auch die näheren Einzelheiten der Schulung, d.h. Ort, Zeit, Dauer, Themenplan der Veranstaltung mitzuteilen.

 

5. Einspruchsrechte des Arbeitgebers, gerichtliche Überprüfung

Soweit der Arbeitgeber davon ausgeht, dass die betrieblichen Notwendigkeiten bei der Festlegung des Schulungszeitraums nicht hinreichend berücksichtigt worden sind, kann er zur Klärung dieser Frage die Einigungsstelle gemäß § 76 Abs. 5 BetrVG anrufen. Die Einigungsstelle hat nur über die Frage der Berücksichtigung der betrieblichen Notwendigkeiten zu entscheiden.

Zum Teil wird angenommen, dass der Arbeitgeber gehalten ist, seine Bedenken gegen die hinreichende Berücksichtigung der betrieblichen Notwendigkeiten binnen kurzer Frist (14 Tage) geltend zu machen. Zum Teil wird angenommen, der Arbeitgeber müsse sogar „unverzüglich“ handeln, anderenfalls sei von einem Einverständnis auszugehen.

Spricht sich der Arbeitgeber gegen die Teilnahme von Betriebsratsmitgliedern an einer Bildungsveranstaltung aus, weil diese nach seiner Ansicht keine für die Betriebsratsarbeit erforderlichen Kenntnisse vermittelt, so obliegt die Entscheidung dieser Frage nicht der Einigungsstelle, vielmehr dem Arbeitsgericht. Dieses entscheidet im Beschlussverfahren nach § 2 a ArbGG.

 

6. Teilnahme des Betriebsratsmitglieds an einer Fortbildungsmaßnahme trotz Widerspruch des Arbeitgebers?

Es ist umstritten, ob ein Betriebsratsmitglied an einer Schulungs- oder Bildungsveranstaltung zunächst auch dann teilnehmen darf, wenn der Arbeitsgeber dem widersprochen hat und noch keine verbindliche Entscheidung über die Frage ergangen ist.

Das BAG hat hier festgelegt, dass die Schulungsteilnahme jedenfalls dann zurückzustellen ist, wenn der Arbeitgeber derselben unter Hinweis darauf widerspricht, der Betriebsrat habe bei der Festlegung der zeitlichen Lage die betrieblichen Notwendigkeiten nicht berücksichtigt. Es sei dann zunächst der Spruch der Einigungsstelle abzuwarten (BAG, Beschluss vom 18.03.1977, Az. 1 ABR 54/74).

 

7. Fazit:

In der Thematik der Schulung und Fortbildung von Betriebsräten lauern zahlreiche Fallstricke für den Betriebsrat einerseits und den Arbeitgeber andererseits. Der Betriebsrat hat seinerseits Sorge dafür zu tragen, dass eine hinreichende Schulung erfolgt, um so die Betriebsratsarbeit zu sichern. Andererseits hat der Arbeitgeber drauf zu achten, dass Schulungen und die damit verbundenen Kosten und Arbeitsausfälle nicht ausufern.

Hier ist ein „vernünftiges“ Gleichgewicht zu finden.

Zweifelsfragen und strategische Überlegungen hierzu erörtern wir mit Ihnen gerne.