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Moderne Altersteilzeit nach Wegfall der staatlichen Förderung – Rahmenbedingungen und Gestaltungsmöglichkeiten

Nach mittlerweile überkommen dem Verständnis ist die „klassische“ Erwerbsbiografie dadurch gekennzeichnet, dass Arbeitnehmer ihre arbeitsvertragliche Tätigkeit in vollem Umfang bis zum Erreichen des Rentenalters erbringen und dann, gleichsam von einem Tag auf den anderen, aus dem Beschäftigungsverhältnis ausscheiden. Dieses Modell der Gestaltung des Arbeitslebens entspricht in immer größerem Umfang nicht mehr den Interessen von Unternehmen und Arbeitnehmern. Vielfach besteht auf Arbeitnehmerseite das Bedürfnis, einen gleitenden Übergang in den Ruhestand zu finden, weil z.B. die körperliche Leistungsfähigkeit nachgelassen hat, familiäre oder sonstige private Erfordernisse oder Zielvorstellungen der Lebensgestaltung einer Aufrechterhaltung der Vollzeitbeschäftigung entgegenstehen. Für Unternehmen/Arbeitgeber können Varianten eines sukzessiven Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis sinnvoll sein, um z.B. einem veränderten Arbeitsvolumen Rechnung zu tragen, langfristige Personalveränderungen durchzuführen oder schlichtweg die womöglich nur noch verminderte Arbeitskraft eines Mitarbeiters weiter nutzen zu können.

 

1. Gleitender Übergang in die Altersrente durch Altersteilzeit und alternative Gestaltungsvarianten

Ein Instrument des gleitenden Übergangs in den Ruhestand ist die Altersteilzeit nach dem Altersteilzeitgesetz vom 23.07.1996 (ATG). Das ATG sieht in § 2 Abs. 1 Nr. 2 vor, dass die von diesem Gesetz erfassten Arbeitnehmer die für ihr Arbeitsverhältnis maßgebliche Arbeitszeit auf die Hälfte der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit verringern. Dabei kommt die gleichmäßige Absenkung der Arbeitszeit über die gesamte Laufzeit des Altersteilzeitverhältnisses ebenso in Betracht wie die Arbeit im sogenannten „Blockmodell“.

Letzteres ist dadurch gekennzeichnet, dass Arbeitnehmer während der ersten Hälfte der Altersteilzeit mit der bisher im Arbeitsverhältnis maßgeblichen Arbeitszeit beschäftigt werden und in der zweiten Hälfte der Altersteilzeit in die Ruhephase ohne jegliche Arbeit eintreten. De facto bewirkt das „Blockmodell“ nur eine zeitliche Vorziehung des Zeitpunkts der vollständigen Beendigung der Arbeitstätigkeit vor Inanspruchnahme der Altersrente. Das Element des gleitenden Übergangs kommt hier weniger zum Tragen.

Alternativen zur Altersteilzeit finden sich in den Möglichkeiten der Inanspruchnahme vorgezogener Altersrenten, so z.B. für „langjährig“ oder „besonders langjährig“ Versicherte in der gesetzlichen Rentenversicherung. Zu denken ist ferner an die Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente unter Inkaufnahme von Rentenabschlägen.

Schließlich ist auf die Möglichkeit des Aufbaus von Wertguthaben/Zeitguthaben („Lebensarbeitszeitkonto“) zu verweisen. Danach können sich Arbeitnehmer aufgrund einer schriftlichen Vereinbarung und unter Beachtung der gesetzlichen Rahmenbedingungen (§§ 7b ff. SGB IV) ein Zeitguthaben erarbeiten, welches sie typischerweise im Vorfeld des vollständigen Ausscheidens aus dem Erwerbsleben durch Freistellung bei Fortzahlung der Vergütung auflösen.

 

2. Rahmenbedingungen der Altersteilzeit

Der Sache nach beinhaltet eine Vereinbarung über Altersteilzeitregelungen zur Reduzierung der Arbeitszeit und zu den Modalitäten der Verteilung der Arbeitszeit bei damit einhergehender Kürzung der Arbeitsvergütung. Hinzu kommt, dass sich in einer solchen Vereinbarung eine Regelung zum Beendigungszeitpunkt findet.

Das Altersteilzeitarbeitsverhältnis ist ein reguläres Arbeitsverhältnis. Wird es nach den Regelungen des ATG durchgeführt, ist die Halbierung der zuletzt maßgeblichen Arbeitszeit erforderlich (siehe oben).

Grundsätzlich können Regelungen zur Reduzierung von Arbeitszeit und -vergütung für einen bestimmten Zeitraum auch außerhalb der Vorgaben des ATG geschlossen werden. So ist es ohne weiteres möglich, dass sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf eine zeitweilige Reduzierung von Arbeitszeit und -vergütung einigen. Eine gesetzliche Verpflichtung des Arbeitgebers, irgendwelche Aufstockungsleistungen auf die bei Teilzeitarbeit anteilig reduzierte Vergütung zu leisten, besteht nicht. Eine solche Pflicht folgt gerade auch nicht aus dem ATG.

Das ATG enthält im Wesentlichen Regelungen zur Förderung der Altersteilzeit durch die Bundesagentur für Arbeit. Insoweit sieht das Gesetz in § 3 vor, dass der Arbeitgeber die entsprechend der Arbeitszeit reduzierte Arbeitsvergütung aufstockt. Unter den Vorgaben des ATG soll eine Erstattung dieser Aufstockungsleistungen durch die Bundesagentur für Arbeit erfolgen können (§ 4 ATG).

Allerdings ist die Möglichkeit der Förderung der Altersteilzeit durch Erstattungsleistungen der Bundesagentur für Arbeit für Altersteilzeitvereinbarungen, die nach dem 31.12.2009 Inkraft treten, ausgeschlossen (§ 1 Abs. 2 ATG). Dies hat zur Folge, dass der Arbeitgeber die Lasten einer etwaigen (und nicht verpflichtenden) Aufstockung der Altersteilzeitvergütung nun nicht mehr auf die Bundesagentur für Arbeit überwälzen kann.

Trotz des Wegfalls der Subventionierung der Altersteilzeit durch die Bundesagentur für Arbeit enthalten noch heute verschiedene Tarifverträge Regelungen, nach denen Arbeitnehmer Altersteilzeit beanspruchen können. Solche Regelungen sind weiterhin verbindlich.

 

3. Steuer- und sozialversicherungsrechtliches Umfeld der Altersteilzeit

Eine staatliche Förderung der Altersteilzeit findet nur noch in der Weise statt, dass etwaige (freiwillige) Aufstockungsleistungen des Arbeitgebers entsprechend § 3 Abs. 1 ATG steuerfrei sind, soweit diese nicht zur Folge haben, dass die bisherige Vollzeitvergütung unter Hinzurechnung der Aufstockungsleistungen überschritten wird (§ 3 Nr. 28 EStG i.V.m. R 3.28 Abs. 3 LStR 2015). Dieser Vorteil kommt aber allein dem Arbeitnehmer zugute.

Die Steuerfreiheit von Aufstockungsleistungen bewirkt gleichzeitig, dass die Vergütungsaufstockung sozialversicherungs- und damit -abgabenfrei bleibt (§ 1 Abs. 1 S. 1 SvEV. Somit ist auch arbeitgeberseitig auf den Vergütungsaufstockungsbetrag kein Sozialversicherungsbeitrag zu leisten.

Auch diesbezüglich hält sich die Förderung von Arbeitgebern aber sehr in Grenzen.

Zur Sicherung der vorstehend geschilderten Steuer- und Sozialversicherungsvorteile ist erforderlich, dass eine Vereinbarung mit dem jeweiligen Arbeitnehmer getroffen wird, welche die Voraussetzungen von § 2 ATG erfüllt. Die Altersteilzeitvereinbarung muss sich also auf die Zeit beziehen, zu der Arbeitnehmer das 55. Lebensjahr vollendet hat. Erforderlich ist ferner eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, wonach sich die Arbeitszeit auf die Hälfte der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit vermindert. Die zukünftig in Altersteilzeit zu beschäftigenden Mitarbeiter müssen darüber hinaus die Vorversicherungszeit von 1080 Kalendertagen innerhalb der letzten 5 Jahre vor Beginn der Altersteilzeitarbeit erfüllt haben. Von Bedeutung ist auch, dass die (Rest-) Förderung der Altersteilzeit ferner voraussetzt, dass sich die Altersteilzeitvereinbarung mindestens auf die Zeit erstrecken muss, bis der Arbeitnehmer eine Altersrente beanspruchen kann!

Gemäß § 35 SGB VI beträgt die Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung 67 Jahre. Allerdings können Versicherte, die vor 1964 geboren sind, zu einem früheren Zeitpunkt Regelaltersrente in Anspruch nehmen.

In jedem Einzelfall einer vorgesehenen Altersteilzeit sollte der Arbeitnehmer eine verbindliche Rentenauskunft einholen, aus der sich der Zeitpunkt ergibt, zudem eine Altersrente beansprucht werden kann.

 

4. Erforderliche Insolvenzsicherung eines Wertguthabens in der Altersteilzeit

Die arbeitsrechtlichen Regelungen des ATG gelten auch nach Wegfall der Förderung der Altersteilzeit durch die Bundesagentur für Arbeit weiter. Von besonderer Bedeutung ist die Regelung in § 8 a ATG. Diese zwingt den Arbeitgeber zu einer Insolvenzsicherung eines Wertguthabens des Arbeitnehmers, sofern dieses Wertguthaben den Betrag des dreifachen des monatlich zu bemessenden Regelarbeitsentgelts übersteigt. Dies ist bei längerzeitigen Altersteilzeitvereinbarungen stets der Fall.

Gemäß § 8 a Abs. 3 ATG hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die zur Sicherung des Wertguthabens ergriffenen Maßnahmen mit der ersten Gutschrift und danach alle sechs Monate in Textform (§ 126 b BGB: z.B. auch per E-Mail) nachzuweisen. Kommt der Arbeitgeber seiner Verpflichtung zum Nachweis nicht nach oder sind die nachgewiesenen Maßnahme nicht geeignet und weist er auf die schriftliche Aufforderung des Arbeitnehmers nicht innerhalb eines Monats eine geeignete Insolvenzsicherung des bestehenden Wertguthabens in Textform nach, kann der Arbeitnehmer verlangen, dass Sicherheit in Höhe des bestehenden Wertguthabens geleistet wird (§ 8 a ATG).

Als geeignete Insolvenzsicherungsmodelle werden anerkannt:

– Bankbürgschaften

– Absicherung im Wege dinglicher Sicherheiten (Verpfändung von Wertpapieren, insbesondere Fonds) zugunsten des Arbeitnehmers;

– bestimmte Versicherungsmodelle der Versicherungswirtschaft;

– das Modell der sogenannten „doppelseitigen Treuhand“.

 

5. Fazit

Altersteilzeit ist in vielen Fällen auch nach Wegfall der staatlichen Förderung weiterhin für Arbeitgeber und Arbeitnehmer interessant. Allerdings werden sich Arbeitnehmer regelmäßig nur dann für einen gleitenden Übergang in die Altersrente in Altersteilzeit entscheiden, wenn sich der Arbeitgeber (freiwillige) verpflichtet, die Teilzeitvergütung während der Altersteilzeit aufzustocken.

Um hier die aktuell möglichen steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Begünstigungen nicht zu verlieren, ist auf eine sorgsame Ausgestaltung der Altersteilzeit und der entsprechenden Vereinbarung zu achten. In der Altersteilzeitvereinbarung sind typischerweise zahlreiche arbeitsrechtliche Fragen einer Regelung zuzuführen. Besonderes Augenmerk ist auf die gesetzlich vorgeschriebene Insolvenzsicherung zu legen.

Vor Begründung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses sollten Alternativen eines solchen Modells unter Berücksichtigung der jeweiligen Interessenlage geprüft werden.

 

In diesen Themen beraten und unterstützen wir Sie gerne.