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Kürzung des Erholungsurlaubs wegen der Inanspruchnahme von Elternzeit – Bundesarbeitsgericht schränkt Rechte von Arbeitgebern ein
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind berechtigt, auf Grundlage des Gesetzes zum Elterngeld und zur Elternzeit (Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz – BEEG) Elternzeit in Anspruch zu nehmen. Diese muss spätestens 7 Wochen vor Beginn schriftlich vom Arbeitgeber verlangt werden. Gleichzeitig muss die Erklärung erfolgen, für welche Zeiten innerhalb von zwei Jahren Elternzeit genommen werden soll.
Durch die Inanspruchnahme der Elternzeit wird der Bestand des Arbeitsverhältnisses nicht berührt. Die jeweiligen Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis sind jedoch suspendiert; d.h., die Beschäftigten sind nicht verpflichtet, Ihre Arbeitsleistungen zu erbringen. Der Arbeitgeber wird von seiner Vergütungspflicht (z.B. Lohn- und Gehaltszahlung oder Weihnachtsgeld) frei.
1. Kürzung des Urlaubs bei Elternzeit
Dieser Grundsatz gilt jedoch ausdrücklich nicht für das Entstehen von Urlaubsansprüchen während der Elternzeit. In diesem Sinne wird durch § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG geregelt, dass zwar zunächst ein Urlaubsanspruch auch für die Dauer einer Elternzeit entsteht. Der Arbeitgeber ist jedoch gesetzlich berechtigt, den für die Elternzeit entstehenden Urlaub durch einseitige Erklärung zu kürzen. Die insoweit maßgebliche gesetzliche Regelung lautet wie folgt:
§ 17 Abs. 1 BEEG
(1) Der Arbeitgeber kann den Erholungsurlaub, der dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin für das Urlaubsjahr zusteht, für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um 1/12 kürzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin während der Elternzeit bei seinem oder ihrem Arbeitgeber Teilzeitarbeit leistet.
Die Kürzungsmöglichkeit tritt nicht automatisch ein, sondern der Arbeitgeber muss das ihm zustehende Recht ausüben. Dabei ist er nur an das Gleichbehandlungsgebot gebunden. Eine bestimmte Form der Erklärung ist dem Arbeitgeber nicht vorgegeben. Auch der Zeitpunkt zur Abgabe der Kürzungserklärung ist ihm freigestellt. Er ist nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts nicht verpflichtet, seine Kürzungsabsicht vor Antritt der Elternzeit mitzuteilen (BAG, Urteil vom 28.07.1992, Az: 9 AZR 340/91). Die in dieser Hinsicht sehr großzügige ältere Rechtsprechung erlaubte dem Arbeitgeber sogar, den Elternzeiturlaub noch nach Ablauf und Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu kürzen (BAG, Urteil vom 23.04.1996, Az: 9 AZR 165/95).
2. Neue Rechtsprechung des BAG im Urteil vom 19.05.2015
Das BAG hat nun in einer jüngeren Entscheidung seine bisherige Auffassung revidiert und entschieden, dass der Arbeitgeber eine solche Kürzungserklärung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr abgeben kann (BAG, Urteil vom 19.05.2015, Az: 9 AZR 725/13). Er ist in diesem Fall verpflichtet, den während der Elternzeit entstandenen Erholungsurlaub durch Geldzahlung abzugelten.
In dem vom BAG zu entscheidenden Streitfall standen einer Ergotherapeutin, die an 5 Tagen pro Woche arbeiten musste, 36 Tage Erholungsurlaub pro Jahr zu. Anfang 2010 wurde sie schwanger und durfte danach wegen eines ärztlichen Beschäftigungsverbotes nicht mehr arbeiten. Sie befand sich nach der Geburt ihres Sohnes im Dezember 2010 ab Mitte Februar 2011 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 15.05.2012 in Elternzeit. Mit Anwaltsschreiben vom 24.05.2012, d.h. nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, verlangte sie vom Arbeitgeber ohne Erfolg die Abrechnung und Abgeltung ihrer Urlaubsansprüche aus den Jahren 2010 – 2012. Erstmals im September 2012 erklärte der Arbeitgeber die Kürzung des Erholungsurlaubs der Arbeitnehmerin wegen der Elternzeit.
Während das Arbeitsgericht Hamm die Klage zunächst abwies, gab das Landesarbeitsgericht Hamm der Arbeitnehmerin überwiegend Recht. Der Arbeitgeber wurde zur Zahlung von Urlaubsabgeltung i.H.v. 7.234,50 € brutto verurteilt. Davon entfiel ein Teil i.H.v. 3.822,00 € auf den während der Elternzeit entstandenen Erholungsurlaub (42 Urlaubstage). Nach Auffassung des LAG Hamm stand der Arbeitnehmerin auch diese Urlaubsabgeltung zu, weil der Arbeitgeber von seinem Kürzungsrecht erst nach Ablauf des Arbeitsverhältnisses Gebrauch gemacht hatte – und damit zu spät kam.
Das BAG hat diese Entscheidung bestätigt. Der Arbeitgeber konnte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 15.05.2012 mit seiner Kürzungserklärung im September 2012 den Anspruch der Arbeitnehmerin auf Erholungsurlaub wegen der Elternzeit nicht mehr verringern. Damit setzte das BAG konsequent die Aufgabe der so genannten „Surrogationstheorie“ fort.
Nach früherer Auffassung des Bundesarbeitsgerichtes waren die Ansprüche auf Inanspruchnahme von Urlaub (tatsächlich) und Urlaubsabgeltung im Grunde identisch. Die Urlaubsabgeltung trat bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses als „Surrogat“ an die Stelle des Urlaubsanspruchs. Dieses „Surrogat“ (Ersatz) sollte der Arbeitgeber nach bisheriger Rechtsprechung des BAG auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses für die vorherige Elternzeit einer Arbeitnehmerin/eines Arbeitnehmers kürzen können.
Mit der Entscheidung vom 24.03.2009 (AZ: 9 AZR 983/07) hat das BAG jedoch ausdrücklich diese „Surrogationstheorie“ aufgegeben. So sieht es nun den Urlaubsabgeltungsanspruch als einen eigenständigen, vom Urlaubsanspruch getrennten Geldanspruch an. Damit begründete das BAG gleichsam seine Auffassung, dass die Abgeltung von Erholungsurlaub nicht davon abhängig gemacht werden kann, dass der Urlaubsanspruch bis zur Beendigung noch erfüllbar ist. Selbst wenn ein Arbeitnehmer bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses durchweg arbeitsunfähig erkrankt ist, kann er die Abgeltung von Erholungsurlaub verlangen.
Mit Urteil vom 19.06.2012 (AZ: 9 AZR 652/10) gab das BAG die Surrogationstheorie auch für den Fall auf, dass der Arbeitnehmer arbeitsfähig ist, weil es keine sachlichen Gründe für eine Differenzierung zwischen arbeitsfähigen und arbeitsunfähigen Arbeitnehmern gibt. Als reiner Geldanspruch unterliege der Urlaubsabgeltungsanspruch nicht dem Fristenregime des § 13 Bundesurlaubsgesetz.
Auch die bisherige Rechtsprechung zur Kürzungsbefugnis des Arbeitgebers auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses beruhte auf der vom BAG vollständig aufgegebenen Surrogationstheorie (s.o.). Nach aktueller BAG-Rechtsprechung ist jedoch der Anspruch auf Urlaubsabgeltung nicht mehr Surrogat des Urlaubsanspruchs, sondern ein reiner Geldanspruch. Er bildet ein Teil des Vermögens des Arbeitnehmers und unterscheidet sich in rechtlicher Hinsicht nicht von anderen Zahlungsansprüchen des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, ist aber mit dem Urlaubsanspruch selbst nicht identisch. Da § 17 Abs. 1 BEEG nur die Kürzung des Urlaubsanspruchs, nicht aber eine davon zu unterscheidende Urlaubsabgeltung zulasse, scheidet eine Kürzungsmöglichkeit für den Arbeitgeber nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus. Nach dem klaren Wortlaut der vorstehenden Regelung sei es schließlich nicht möglich, durch einseitige Erklärung des Arbeitgebers auch den Urlaubsabgeltungsanspruch zu kürzen.
Fazit:
Das BAG hat aufgrund der Aufgabe der Surrogationstheorie eine Rechtsprechungsänderung im Bereich der in § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG enthaltenen Kürzungsmöglichkeit vollzogen. Damit hatte es entgegen der in jüngerer Zeit von einigen Gerichten vertretenen Ansicht entschieden.
Im Einzelfall sollte daher genauestens geprüft und abgewogen werden, ob und wann eine entsprechende Erklärung zur Kürzung des Elternzeiturlaubs abgegeben wird und wurde. Aufgrund der Dauer der Elternzeit von in der Regel mindestens 12 Monaten stehen hier Vergütungsforderungen von erheblichem Umfang im Raum.
Wir beraten und unterstützen Sie in diesem Problemkreis gerne.
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