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Krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit, betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM), krankheitsbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses: Welche Spielregeln sind von Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu beachten?

Das Arbeitsverhältnis entsteht mit dem Arbeitsvertrag im Sinne von § 611a BGB. Dieses begründet wechselseitige Pflichten: Der Arbeitnehmer verpflichtet sich gegenüber dem Arbeitgeber zur Erbringung der arbeitsvertraglichen Arbeitsleistung, im Gegenzug ist der Arbeitgeber verpflichtet, für die Arbeitsleistung die vereinbarte Vergütung zu zahlen.

Einer der wesentlichen Umstände, der zu einer Störung dieses Gegenseitigkeitsverhältnisses führt, ist die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers. Während der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit ist der Arbeitnehmer naturgemäß nicht in der Lage, seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis zu erfüllen. Der Arbeitnehmer verliert für diese Zeit der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit seinen Anspruch auf Arbeitsvergütung, soweit nicht gesetzliche oder vertragliche Entgeltfortzahlungsansprüche im Krankheitsfall eingreifen (vgl. §§ 3 ff. Entgeltfortzahlungsgesetz). Auch für das Unternehmen/den Arbeitgeber hat die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers regelmäßig gravierende Folgen. Die aufgrund der Arbeitsunfähigkeit in Wegfall geratene Arbeitskraft des erkrankten Arbeitnehmers muss anderweitig kompensiert werden. Die Ersatzplanung bzw. eine etwaige Entscheidung über die (vorübergehende) Einstellung einer Ersatzkraft wird insbesondere dann erschwert, wenn keine konkreten Voraussagen über den Verlauf der Heilung und den Zeitpunkt der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Arbeitsnehmers getroffen werden können.

Die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit ist kein Kündigungsgrund im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG). Allein der Umstand, dass ein Arbeitnehmer erkrankt ist, kann insbesondere keine so genannte „personenbedingte” Kündigung im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG rechtfertigen.

Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses kommt aber auch unter der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes dann in Betracht, wenn arbeitgeberseitig die Prognose aufgestellt werden darf, dass die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers auf unabsehbare Zeit andauert bzw. das Arbeitsverhältnis in Zukunft durch krankheitsbedingte Abwesenheitszeiten des Arbeitsnehmers erheblich gestört sein wird und damit einhergehend berechtigte Interessen des Arbeitgebers beeinträchtigt werden. Kann eine solche Prognose aufgestellt werden, liegt ein personenbedingter Kündigungsgrund vor. Trotz der Bezeichnung als krankheitsbedingte Kündigung ist Anknüpfungspunkt für die Kündigung also nie die Krankheit selbst, sondern die Erwartung, dass das Arbeitsverhältnis durch das Andauern einer Erkrankung oder das Auftreten weiterer krankheitsbedingter Abwesenheitszeiten erheblich gestört wird. Eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses stellt insbesondere nach der Konzeption des Kündigungsschutzgesetzes immer die letzte Möglichkeit dar, auf die krankheitsbedingt eingetretene Störung des Arbeitsverhältnisses zu reagieren bzw. solche Störungen zukünftig zu vermeiden. Zuvor ist das Unternehmen/der Arbeitgeber gehalten, Möglichkeiten einer anderweitigen (leidensgerechten) Beschäftigung des Arbeitnehmers zu prüfen und gegebenenfalls umzusetzen. Bei der Findung solcher Möglichkeiten spielt das sogenannte „betriebliche Eingliederungsmanagement” gemäß § 167 Abs. 2 SGB IX eine bedeutende Rolle.

Nachstehend stellen wir dar, unter welchen Voraussetzungen eine krankheitsbedingte Kündigung im Arbeitsverhältnis in Betracht kommt, welche Möglichkeiten anderweitiger Beschäftigung arbeitgeberseitig ins Auge zu fassen sind und welche Rolle ein betriebliches Eingliederungsmanagement hierbei spielt.

1. Krankheitsbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses

Das Arbeitsverhältnis kann nicht deshalb gekündigt werden, weil der Arbeitnehmer in der Vergangenheit (möglicherweise länger andauernd) bzw. noch andauernd arbeitsunfähig erkrankt ist. Das Kündigungsschutzgesetz sieht keine Sanktion für krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit vor. Dies wäre auch verfehlt, treten Krankheiten, die den Arbeitnehmer an der Arbeitsleistung hindern, regelmäßig unverschuldet auf.

a) „3-Stufen-Theorie” der Rechtsprechung zur Frage der Rechtfertigung einer krankheitsbedingten Kündigung

Die personenbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist aber gerechtfertigt, wenn mit einer andauernden Störung des Arbeitsverhältnisses in der Zukunft zu rechnen ist. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat zur Frage der Rechtfertigung einer krankheitsbedingten ordentlichen Kündigung unter der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes ein 3-Stufen-Schema entwickelt (st. Rspr.; vgl. BAG, Urteil vom 25.04.2018, Az. 2 AZR 6/18).

– Erste Stufe: Negative Gesundheitsprognose

In einer ersten Stufe prüfen die Arbeitsgerichte, ob eine negative Prognose hinsichtlich des weiteren Gesundheitszustands des zu kündigenden Arbeitnehmers als gerechtfertigt erscheint. Es ist zu klären, ob der Arbeitnehmer auf absehbare Zeit außerstande bleiben wird, die vertraglich geschuldete Tätigkeit zu erbringen. Diese Prognose wird auf der Grundlage der dem Arbeitnehmer bisher übertragenen arbeitsvertraglichen Tätigkeit angestellt. Hingegen muss der Arbeitgeber auf dieser Prüfungsstufe noch nicht ermitteln, ob eine solche negative Prognose dadurch vermieden werden kann, dass eine Abänderung des Arbeitsbereichs/des Arbeitsvertrags erfolgt und dem Arbeitnehmer eine anderweitige Tätigkeit zugewiesen wird (BAG, Urteil vom 19.04.2007, Az. 2 AZR 239/06).

Bei der Frage der negativen Gesundheitsprognose ist zwischen Fällen häufiger Kurzzeiterkrankung und solchen, die durch Langzeiterkrankung des Arbeitnehmers geprägt sind, zu unterscheiden. Indizielle Bedeutung für diese Frage haben Feststellungen zu krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeitszeiten des Arbeitnehmers in der Vergangenheit. Lassen diese erkennen, dass der Arbeitnehmer auf unabsehbare Zeit in der Zukunft weiterhin in erheblichem Umfang Krankheitsphasen von nicht unerheblicher Dauer aufweisen wird oder aber mit einer Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit in absehbarer Zeit (Anhaltszeitraum: 24 Monate nach Kündigungsausspruch) nicht zu rechnen ist, ist arbeitgeberseitig eine negative Gesundheitsprognose gerechtfertigt (BAG, Urteil vom 13.05.2015, Az. 2 AZR 565/14).

Naturgemäß begegnen Prognosen erheblichen Schwierigkeiten, da es weder dem Arbeitgeber noch sonstigen, medizinisch sachkundigen Personen nicht gegeben ist, verlässlich in die Zukunft zu schauen. Entwickelt sich in einem etwaigen Kündigungsschutzverfahren beim Arbeitsgericht Streit über die Frage der arbeitgeberseitig angestellten negativen Gesundheitsprognose, werden regelmäßig Sachverständige (Ärzte) herangezogen, die dann ihrerseits auf der Grundlage der im Verfahren vorliegenden Informationen zum Krankheitsbild bzw. einer erneuten Untersuchung eine Einschätzung zur zukünftigen Entwicklung von krankheitsbedingten Ausfallzeiten vornehmen.

– Zweite Stufe: Störung des Arbeitsverhältnisses, Möglichkeit anderweitiger Beschäftigung

Die von den Arbeitsgerichten auf dieser Stufe geforderte erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen kann sich durch Störungen im Betriebsablauf oder aus zu erwartenden wirtschaftlichen Belastungen (z. B. aufgrund weiter zu leistender Entgeltfortzahlung) ergeben.

Nur die zukünftig zu erwartenden krankheitsbedingten Ausfallzeiten eines Arbeitnehmers, die erhebliche Störungen des Arbeitsverhältnisses mit sich bringen, sollen kündigungsrelevant sein. Werden Interessen des Arbeitgebers hingegen durch auch in der Zukunft zu erwartende krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeitszeiten des Arbeitnehmers nicht berührt, scheidet die personenbedingte Kündigung aus.

Auf dieser Prüfungsstufe ist weiter zu klären, ob die zukünftig über einen längeren Zeitraum zu erwartenden Beeinträchtigungen dadurch beseitigt werden können, dass eine zumutbare anderweitige Beschäftigung des Arbeitnehmers auf einem leidensgerechten Arbeitsplatz erfolgt. So führt das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung aus, dass eine personenbedingte Kündigung dann nicht gerechtfertigt ist, sofern die Möglichkeit einer zumutbaren anderweitigen Beschäftigung auf einem der Fähigkeit und Eignung des Arbeitnehmers entsprechenden freien Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens besteht (BAG, Urteil vom 19.04.2007, Az. 2 AZR 239/06). Dasselbe soll gelten, wenn der Arbeitgeber die Möglichkeit hat, einen als leidensgerecht zu bewertenden anderen Arbeitsplatz in Ausübung seines Weisungsrechtes für den erkrankten Arbeitnehmer freizumachen (BAG, Urteil vom 12.07.2007, Az. 2 AZR 716/06). Zu erwägen sind dann weiter eine Beschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen, gegebenenfalls nach Ausspruch einer entsprechenden Änderungskündigung sowie eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen.

– Dritte Stufe: Interessenabwägung

In der von der Rechtsprechung entwickelten dritten Stufe ist eine allgemeine Interessenabwägung vorzunehmen. Innerhalb dieser ist die Frage zu beantworten, ob die auf der vorherigen Stufe festgestellte erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Belange zu einer billigerweise nicht hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führt oder ob der Arbeitgeber im Einzelfall gehalten ist, solche Beeinträchtigungen im bestehenden Arbeitsverhältnis weiter hinzunehmen (BAG, Urteil vom 12.04.2002, Az. 2 AZR 148/01).

Unter anderem ist hier zu berücksichtigen, ob die zur Arbeitsunfähigkeit führende Erkrankung auf betriebliche Ursachen zurückzuführen ist, über welchen Zeitraum das Arbeitsverhältnis in der Vergangenheit ungestört verlaufen ist, ob der Arbeitgeber eine ausreichende Personalreserve vorhält und wie sich die so genannten Sozialdaten des Arbeitnehmers (Alter, Familienstand, Unterhaltspflichten, Schwerbehinderung) darstellen (BAG, Urteil vom 10.11.2005, Az. 2 AZR 44/05).

b) Kündigung während der Krankheit?

Immer wieder wird seitens Arbeitgeber/Arbeitnehmer die Annahme getätigt, eine personen-/krankheitsbedingte Kündigung sei während der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers ausgeschlossen, da gesetzlich verboten. Hierbei handelt es sich um einen Irrtum! Diese populäre Fehlannahme geht vermutlich auf die Regelung in § 58 d des Arbeitsgesetzbuches der DDR zurück, nach der die Kündigung des Arbeitsverhältnisses während der Krankheit des Arbeitnehmers verboten war. Der Arbeitgeber ist nach heutiger Rechtslage nicht gehindert, das Arbeitsverhältnis auch während der ärztlicherseits attestierten Krankheit des Arbeitnehmers zu kündigen.

2. Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)

In dem am 19.06.2001 in Kraft getretenen Sozialgesetzbuch IX – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – hat der Gesetzgeber ein Präventionsverfahren für längerzeitig erkrankte Beschäftigte/Arbeitnehmer geschaffen, das sog. betriebliche Eingliederungsmanagement. Dieses ist in § 167 Abs. 2 SGB IX normiert. Die Vorschrift lautet wie folgt:

Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, klärt der Arbeitgeber mit der zuständigen Interessenvertretung im Sinne des § 176, bei schwerbehinderten Menschen außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung, mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person die Möglichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann (betriebliches Eingliederungsmanagement). Soweit erforderlich, wird der Werks- oder Betriebsarzt hinzugezogen. Die betroffene Person oder ihr gesetzlicher Vertreter ist zuvor auf die Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hinzuweisen. Kommen Leistungen zur Teilhabe oder begleitende Hilfen im Arbeitsleben in Betracht, werden vom Arbeitgeber die Rehabilitationsträger oder bei schwerbehinderten Beschäftigten das Integrationsamt hinzugezogen. Diese wirken darauf hin, dass die erforderlichen Leistungen oder Hilfen unverzüglich beantragt und innerhalb der Frist des § 14 Absatz 2 Satz 2 erbracht werden. Die zuständige Interessenvertretung im Sinne des § 176, bei schwerbehinderten Menschen außerdem die Schwerbehindertenvertretung, können die Klärung verlangen. Sie wachen darüber, dass der Arbeitgeber die ihm nach dieser Vorschrift obliegenden Verpflichtungen erfüllt.

a) Zweck und Voraussetzungen des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM)

Zweck des BEM ist es, einer Gefährdung des Arbeitsverhältnisses aus gesundheitlichen Gründen möglichst frühzeitig vorzubeugen. Darüber hinaus soll durch dieses Verfahren erreicht werden, die Arbeitsunfähigkeit möglichst zu überwinden (BT-Drucksache 14/5074 Seite 61).

167 Abs. 2 SGB IX statuiert ein verpflichtendes Verfahren für jeden Arbeitgeber, nicht hingegen ein freiwilliges Procedere. Das Bundesarbeitsgericht ist der Auffassung, dass die gesetzliche Verpflichtung zur Durchführung des BEM nicht nur gegenüber behinderten Arbeitnehmern besteht, vielmehr gegenüber allen Beschäftigten, soweit die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind (BAG, Urteil vom 28.04.2011, Az.8 AZR 515/10).

Das Gesetz formuliert nur wenige Voraussetzungen, unter denen ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchzuführen ist. Dieses Verfahren ist schon dann obligatorisch, wenn Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig erkrankt waren. Bei der Bestimmung des Zeitraums soll es nicht auf das Kalenderjahr ankommen. Streitig ist, ob es auf die Ursachen der Arbeitsunfähigkeit ankommt.

Ist ein Arbeitnehmer/Beschäftigter im Zeitraum von einem Jahr länger als sechs Wochen arbeitsunfähig erkrankt, ist der Arbeitgeber verpflichtet, mit dem betroffenen Arbeitnehmer Kontakt aufzunehmen und ihm die Durchführung einer Maßnahme des betrieblichen Eingliederungsmanagement anzubieten. Gemäß § 167 Abs. 2 S. 3 SGB IX hat der Arbeitgeber darüber hinaus die Pflicht, den Arbeitnehmer auf die Ziele des BEM ebenso hinzuweisen wie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten. Das Bundesarbeitsgericht nimmt an, dass auch der Betriebsrat vom Arbeitgeber verlangen kann, dass ein BEM eingeleitet wird (BAG, Beschluss vom 07.02.2012, Az. 1 ABR 46/10).

Das Gesetz enthält keine Regelungen zur Ausgestaltung des BEM. Für den Arbeitnehmer ist ein solches BEM bzw. die Teilnahme daran nicht verpflichtend, hier gilt vielmehr einschränkungslos der Grundsatz der Freiwilligkeit.

b) Ausgestaltung des Verfahrens; Betriebsvereinbarung/Dienstvereinbarung

Das SGB IX enthält keine Regelungen zur Ausgestaltung des BEM. Der Gesetzgeber hat diese Frage vielmehr offengelassen.

Allgemein wird empfohlen, dass BEM als strukturiertes Verfahren durchzuführen, wobei dann, wenn im Betrieb eine Arbeitnehmervertretung besteht (Betriebsrat, Personalrat, Mitarbeitervertretung) zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung/Dienstvereinbarung zu raten ist. Solche Regelungen, die mit den Arbeitnehmervertretungen abgestimmt werden, erzeugen Verbindlichkeit im Betrieb und hohe Transparenz für die Mitarbeiter.

Typischerweise enthalten Regelungen in Betriebsvereinbarungen/Dienstvereinbarungen zum BEM sowohl weitergehende Zieldefinitionen als auch Vorgaben zum Datenschutz (Umgang mit Krankheitsdaten, Aufbewahrungsfristen, Schweigepflichten etc.). Dieser Regelungsbereich ist von besonderer Bedeutung, fußt doch ein sinnvolles BEM gerade auf als besonders sensibel einzustufenden persönlichen Daten/Krankheitsdaten. § 167 Abs. 2 SGB IX betont daher den besonderen Stellenwert des Datenschutzes im BEM!

3. BEM und krankheitsbedingte Kündigung

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Durchführung des BEM keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine (krankheitsbedingte) Kündigung des Arbeitsverhältnisses BAG, Urteil vom 23.04.2008, Az. 2 AZR 1012/06). Das bedeutet, dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines langzeiterkrankten Arbeitnehmers nicht schon deshalb unwirksam ist, weil es der Arbeitgeber verabsäumt hat, dass zwingende Verfahren des betrieblichen Eingliederungsmanagements nach § 167 Abs. 2 SGB IX einzuleiten bzw. durchzuführen.

Allerdings stellt das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung ebenfalls heraus, dass § 167 Abs. 2 SGB IX nicht lediglich einen Programmsatz enthält, diese Norm vielmehr den dem Kündigungsrecht innewohnenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz konkretisiert. Führt der Arbeitgeber entgegen seiner gesetzlichen Pflicht kein BEM durch, hat dies nach Meinung des Bundesarbeitsgerichts gravierende Auswirkungen auf ein etwaig vom Arbeitnehmer nach Erhalt einer krankheitsbedingten Kündigung eingeleitetes Kündigungsschutzverfahren. Der insoweit säumige Arbeitgeber ist dann verpflichtet, in dem Kündigungsschutzverfahren darzulegen und zu beweisen, dass es ihm nicht möglich bzw. zumutbar war, dem Arbeitnehmer eine anderweitige Tätigkeit zu übertragen oder den Arbeitsbereich des Arbeitnehmers so abzuändern, dass eine Weiterbeschäftigung möglich ist (BAG, Urteil vom 10.12.2009, Az. 2 AZR 400/08).

Damit verschärft das Bundesarbeitsgericht die arbeitgeberseitige Darlegungs- und Beweislast im Kündigungsschutzverfahren bei unterlassener Durchführung eines BEM massiv. Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber nach dem Kündigungsschutzgesetz grundsätzlich nicht gehalten ist, das Nichtbestehen einer adäquaten Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für einen erkrankten Arbeitnehmer im Prozess darzulegen und zu beweisen. Die vom Bundesarbeitsgericht vorgenommene Umkehrung der Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers im Kündigungsschutzprozess erschwert dem Arbeitgeber die Rechtfertigung der krankheitsbedingten Kündigung, so dass jedem Arbeitnehmer schon aus diesem Grund dringend anzuraten ist, unter den gesetzlichen Voraussetzungen ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchzuführen!

Was aber gilt, wenn der Arbeitnehmer die Teilnahme am BEM verweigert? Eine solche Entscheidung ist dem Arbeitnehmer entsprechend dem oben angeführten Freiwilligkeitsgrundsatz jederzeit möglich und vereitelt ein sinnvolles BEM.

Hierzu hat das Bundesarbeitsgericht ausgeführt, dass sich Nachteile des Arbeitgebers aufgrund der Nichtdurchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements dann nicht ergeben dürfen, wenn dieses nur deshalb nicht durchgeführt wurde, weil der betroffene Arbeitnehmer nicht eingewilligt hat. Allerdings soll es darauf ankommen, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor auf die Ziele des BEM sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hingewiesen hatte. Eine solche Erklärung bzw. ein derartiger Hinweis soll dem Arbeitnehmer die Entscheidung ermöglichen, ob er dem BEM zustimmt oder nicht (BAG, Urteil vom 14.03.2011, Az. 2 AZR 170/10).

Fazit:

Im Zusammenhang mit länger andauernden Erkrankungen von Arbeitnehmern werden die gesetzlichen Regelungen zum betrieblichen Eingliederungsmanagement immer noch zu wenig umgesetzt. Wird vom Unternehmen eine krankheitsbedingte Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ins Auge gefasst, müssen die Vorgaben von § 167 Abs. 2 SGB IX und der umfangreichen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hierzu Berücksichtigung finden. Anderenfalls wird es dem Arbeitgeber kaum gelingen, die krankheitsbedingte Kündigung gegenüber einem Arbeitnehmer durchzusetzen.

Daher ist jedem Arbeitgeber dringend zu raten, im Betrieb rechtzeitig Vorgaben für ein strukturiertes BEM zu schaffen und diesen Vorgaben folgend im Einzelfall zu agieren. Hier unterstützen wir Sie insbesondere bei der Erarbeitung/Aushandlung von Betriebsvereinbarungen/Dienstvereinbarungen mit Arbeitnehmervertretungen sowie bei der Bewältigung der Fragestellungen insbesondere zum Arbeitnehmerdatenschutz.

Ferner begleiten wir Sie in allen Fragen krankheitsbedingter Kündigungen.