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Konkurrenzschutz im öffentlichen Dienst bei der Besetzung von Stellen – Wie sichern Bewerber ihre Rechte?

Der bei einer Ausschreibung von Stellen im öffentlichen Dienst unterlegene Bewerber ist in keiner Weise rechtlos. Ihm sind Möglichkeiten gegeben, die Auswahlentscheidung des Arbeitgebers gerichtlich überprüfen zu lassen. Dies kann bestenfalls dazu führen, dass der öffentliche Arbeitgeber verpflichtet ist, die ausgeschriebene Stelle gerade dem übergangenen Bewerber zu übertragen bzw. diesen einzustellen. Vielfach wird der Bewerber erreichen können, dass eine erneute Auswahlentscheidung unter Berücksichtigung seiner Person zu treffen ist.

Die Rechtsschutzmöglichkeiten des Bewerbers sind hocheffektiv, allerdings zeitlich eng begrenzt. Es kommt also maßgeblich darauf an, dass der übergangene Bewerber schnell handelt und den Rechtsweg zum Arbeitsgericht beschreitet. Außergerichtliche Aktivitäten zur Sicherung von Rechten in einem Auswahlverfahren allein sind im Regelfall erfolglos, können allenfalls ein gerichtliches Verfahren ergänzen.

Wirksamer Konkurrentenschutz erfolgt regelmäßig in zwei Stufen. In einer ersten Stufe ist sicherzustellen, dass vorläufig keine anderweitige Besetzung der ausgeschriebenen Stelle erfolgt. In der zweiten Stufe wird darauf abgezielt, die Übertragung des ausgeschriebenen Dienstpostens/der Stelle bzw. des Arbeitsplatzes zu erreichen oder jedenfalls eine Neuauswahl durchzusetzen.

Nachstehend möchten wir die Grundzüge dieser Verfahren darstellen:

 

1. Erste Stufe: Vorläufige Freihaltung der ausgeschriebenen Stelle/des Arbeitsplatzes

Der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes ist nicht frei in der Entscheidung, welchem Bewerber er eine ausgeschriebene Stelle/einen ausgeschriebenen Arbeitsplatz überträgt. Er ist vielmehr unmittelbar an die grundrechtliche Wertung in Art. 33 Abs. 2 GG gebunden, wonach jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt hat. Jede Bewerbung muss nach diesen Kriterien beurteilt werden. Dies betrifft nicht nur Ausschreibungen öffentlicher Ämter im Sinne von Beamtenstellen, sondern auch solche Stellen, die von Arbeitnehmern besetzt werden können (BAG, Urteil vom 24.03.2009, Az. 9 AZR 277/08).

Der Anspruch auf Zugang zu einem öffentlichen Amt, sei es als Beamter oder Angestellter, setzt ferner voraus, dass die zu besetzende und ausgeschriebene Stelle überhaupt frei ist. Ist sie hingegen (wieder) besetzt, ist das Auswahlverfahren grundsätzlich erledigt. Der unterlegene Bewerber kann dann im Regelfall keine Rechte in einem möglicherweise erneuten Auswahlverfahren mehr geltend machen.

Daher ist es zwingend erforderlich, dass der bei einer Bewerbung übergangene Bewerber darauf hinwirkt, dass die ausgeschriebene Stelle vorerst nicht anderweitig besetzt, vielmehr freigehalten wird.

 

a) Vorgehen im Wege einer einstweiligen Verfügung

Der nichtberücksichtigte Bewerber kann den die Stelle ausschreibenden Arbeitgeber selbstverständlich außergerichtlich auffordern, von der anderweitigen Besetzung der Stelle abzusehen. Ein solches Vorgehen allein ist regelmäßig aber wenig sinnvoll, da sich aus der bloßen Aufforderung des Bewerbers keine Rechtspflichten des öffentlichen Arbeitgebers ergeben. Im Regelfall wird der öffentliche Arbeitgeber eine solche Aufforderung ignorieren.

Erfolgversprechend ist daher allein die Einleitung eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens mit dem Ziel, dem Arbeitgeber die Besetzung der Stelle/des Arbeitsplatzes mit anderen Bewerbern jedenfalls solange zu untersagen, bis eine rechtliche Überprüfung des Auswahlverfahrens erfolgt ist. Dem Bewerber steht hier beschleunigter Rechtsschutz in der Weise zur Verfügung, dass er den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragen kann. Hier entscheidet das Arbeitsgericht in einem beschleunigten Verfahren. Dem gegenüber würde ein sogenanntes „Hauptsachverfahren“ beim Arbeitsgericht Monate bis zu einer Entscheidung beanspruchen. Zuvor droht dann selbstverständlich die anderweitige und wirksame Besetzung der ausgeschriebenen Stelle und damit der Untergang der Konkurrentenrechte.

 

b) „Zeitfenster“ für arbeitsgerichtlichen Rechtsschutz

Aus dem Umstand, dass Konkurrentenschutz mit wirksamer und endgültiger Neubesetzung der ausgeschriebenen Stelle endet, folgt das Zeitfenster für die Inanspruchnahme von Rechtsschutz. Das Arbeitsgericht ist zwingend vor einer (Neu-)Besetzung der ausgeschriebenen Stelle um eine Entscheidung zu bemühen. Für den Bewerber bedeutet dies, sehr aufmerksam im Bewerbungsverfahren zu agieren. Erhält er Kenntnis von einem Abschluss des Auswahlverfahrens ohne seine Auswahl oder geht ihm eine Mitteilung des Arbeitgebers über die Nichtberücksichtigung bei der Stellenbesetzung zu, ist schnelles Handeln geboten! Es sollte dann unverzüglich ein Verfahren angestrengt werden. Je mehr Zeit bis zur Stellung eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung beim Arbeitsgericht vergeht, desto größer ist die Gefahr, den Konkurrentenschutz zu verlieren!

 

c) Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Verfügung

Die Arbeitsgerichte untersagen eine vorläufige und anderweitige Besetzung der ausgeschriebenen Stelle/des ausgeschriebenen Arbeitsplatzes nicht nur dann, wenn bereits feststeht, dass die Auswahlentscheidung fehlerhaft ist. Andererseits soll es für den Erlass einer solchen einstweiligen Verfügung auch nicht ausreichen, dass der abgelehnte Bewerber überhaupt an einem Bewerbungsverfahren teilgenommen hat. Die Sicherung der Bewerberrechte setzt nach Auffassung der Rechtsprechung voraus, dass zumindest eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass die getroffene Auswahlentscheidung ermessensfehlerfrei zu wiederholen und die Aussichten des Bewerbers, beim zweiten Mal ausgewählt zu werden, offen sind, das heißt seine Auswahl möglich erscheint (BVerfG, Beschluss vom 24.09.2002, Az. 2 BvR 857/02; LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28.06.2012, Az. 25 SaGa 863/12).

Ein Verfahren mit dem Ziel des Erlasses einer einstweiligen Verfügung ist dann erfolgversprechend, wenn Mängel im Auswahlverfahren glaubhaft gemacht werden können.

Ein wesentlicher und häufig festzustellender Mangel des Auswahlverfahrens liegt in der nicht erfolgten schriftlichen Dokumentation der Auswahlerwägungen (BAG, Urteil vom 17.08.2010, Az. 9 AZR 347/09).

In dem Verfahren kann auch auf sonstige Mängel des Auswahlverfahrens abgestellt werden. So werden möglicherweise Diskriminierungen festgestellt werden können. In zahlreichen Fällen folgt die Rechtswidrigkeit eines Auswahlverfahrens auch daraus, dass die Auswahlkriterien in der Stellenausschreibung unklar abgefasst werden bzw. das Vorliegen/Nichtvorliegen bei verschiedenen Bewerbern unzutreffend festgestellt wird. Mängel können auch darin liegen, dass der Auswahlentscheidung kein hinreichender Beurteilungsmaßstab zugrunde gelegt wurde. Grundsätzlich steht es dem öffentlichen Arbeitgeber zwar frei darüber zu entscheiden, in welcher Weise er einen Leistungsvergleich unter den Bewerbern vornimmt. Etwas anderes gilt dann, wenn ein gesetzlicher Maßstab vorgeschrieben ist (BAG, Urteil vom 21.01.2003, Az. 9 AZR 72/02). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gehören für die Bewertung der Leistungen ein einheitlicher Bewertungsmaßstab sowie ein möglichst gemeinsamer Stichtag für die Durchführung der Bewertung (BVerwG, Urteil vom 18.07.2001, Az. 2 C 41/00). In Betracht kommt insoweit zum Beispiel eine formalisierte Beurteilung nach den Maßstäben der Verwaltungsvorschriften zur Beurteilung von Beamten (BeurtVV).

Fehler des Auswahlverfahrens können sich auch aus der Missachtung von Beteiligungsrechten von Personalrat/Betriebsrat ergeben. Selbstverständlich bedarf dies stets einer vertieften Prüfung im Einzelfall.

Der bei einer Auswahlentscheidung übergangene Bewerber sieht sich regelmäßig vor das Problem gestellt, keine detaillierten Kenntnisse über die Auswahlerwägungen des öffentlichen Arbeitgebers zu haben. Dieser Nachteil wird dadurch aufgefangen, dass dem öffentlichen Arbeitgeber die Verpflichtung obliegt, die schriftlich niedergelegten Auswahlerwägungen auch im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens offenzulegen. Es reicht nicht aus, wenn er die Auswahlerwägungen erst in einem dem einstweiligen Verfügungsverfahren nachgeschalteten Konkurrentenklageverfahren offenlegt (BAG, Urteil vom 17.08.2010, Az. 9 AZR 347/09).

 

2. Zweite Stufe: Konkurrentenklageverfahren

Ist die Freihaltung der ausgeschriebenen Stelle/des ausgeschriebenen Arbeitsplatzes im Wege einer einstweiligen Verfügung gesichert, ist im Rahmen eines sogenannten Hauptsacheverfahrens beim Arbeitsgericht die Konkurrentenklage zu erheben. In diesem Hauptsacheverfahren wird dann eingehend geprüft, ob das Auswahlverfahren Mängel hat. Werden Mängel festgestellt und haben diese zur Folge, dass unter Ausschaltung eben dieser Mängel allein der übergangene Bewerber hätte berücksichtigt werden müssen, ist dies arbeitsgerichtlich auszuurteilen. Ergibt sich im Verfahren keine „Zuspitzung“ auf den übergangenen und die Klage führenden Bewerber, kann im Falle der Unwirksamkeit des Auswahlverfahrens die Feststellung begehrt werden, dass die Auswahlentscheidung unwirksam ist. Diese Feststellung wird regelmäßig mit der Verpflichtung des Arbeitgebers verbunden, neu über die Bewerbung zu entscheiden.

–  Fehlende (Neu-) Besetzung durch anderweitigen Bewerber

Auch für das Konkurrentenklageverfahren der zweiten Stufe gilt, dass dies nur solange mit Erfolg geführt werden kann, bis die ausgeschriebene Stelle/der ausgeschriebene Arbeitsplatz anderweitig besetzt ist. Dies zu sichern ist gerade Wesen des Verfahrens der einstweiligen Verfügung der ersten Stufe (s. oben). In Ausnahmefällen kann das Konkurrentenklageverfahren der zweiten Stufe aber auch geführt werden, obgleich die ausgeschriebene Stelle bereits anderweitig besetzt worden ist. Der übergangene Bewerber ist in der Klagemöglichkeit dann nicht eingeschränkt, wenn der Arbeitgeber einstweiligen Rechtsschutz des Bewerbers mit der anderweitigen Besetzung der Stelle vereitelt hat.
Von einer solchen Vereitelung des einstweiligen Rechtsschutzes ist zunächst immer dann auszugehen, wenn der Arbeitgeber den sogenannten „Justizgewährleistungsanspruch“ des Bewerbers missachtet hat.

Das Bundesarbeitsgericht urteilt in ständiger Rechtsprechung, dass es dem öffentlichen Arbeitgeber nicht gestattet ist, dem übergangenen Bewerber einstweiligen Rechtsschutz zu vereiteln. Hierbei stützt sich das BAG auf die Regelungen in Art. 19 Abs. 4 und 20 Abs. 3 GG. Nach Auffassung der Gerichte dürfen zum einen keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden, die den Konkurrenzschutz eines übergangenen Bewerbers vereiteln können. Zum anderen muss dafür Sorge getragen werden, dass der übergangene Bewerber sein Recht auch tatsächlich ergreifen kann, Konkurrenzschutz geltend zu machen. Daher gehen die Rechte des unterlegenen Konkurrenten auch dann nicht unter, wenn der öffentliche Arbeitgeber eine gegen ihn ergangene einstweilige Verfügung missachtet und dennoch eine Neubesetzung einer ausgeschriebenen Stelle mit einem anderweitigen Bewerber vornimmt. Dasselbe gilt, wenn der öffentliche Arbeitgeber den unterlegenen Bewerber nicht rechtzeitig darüber informiert, dass er gedenkt, die ausgeschriebene Stelle endgültig mit einem anderen Bewerber zu besetzen. Darüber hinaus hat der Arbeitgeber vor rechtsverbindlicher Einstellung eines anderen Bewerbers einen ausreichenden Zeitraum abzuwarten, um den unterlegenen Mitbewerber die Möglichkeit zu geben, Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen (BAG, Urteil vom 24.03.2009, Az. 9 AZR 277/08).

Missachtet der öffentliche Arbeitgeber die vorstehenden Verpflichtungen in einem Ausschreibungsverfahren, kann er einem zu Unrecht übergangenen Bewerber entsprechend §§ 162 Abs. 2, 135, 136 BGB nicht mit Erfolg entgegenhalten, er könne dessen Bewerberverfahrensansprüche in einem Konkurrentenklageverfahren nicht mehr erfüllen, weil die Stelle schon besetzt sei. Dem übergangenen Bewerber wird insoweit vielmehr ein sogenannter „Wiederherstellungsanspruch“ eingeräumt (BAG, Urteil vom 24.03.2009, Az. 9 AZR 277/08; BAG, Urteil vom 18.09.2007, Az. 9 AZR 672/06).

–  Kein wirksamer Abbruch des Ausschreibungsverfahrens

Konkurrenzschutzansprüche des nichtberücksichtigten Bewerbers gehen ferner unter, wenn das Auswahlverfahren wirksam abgebrochen wurde. Insoweit geht die Rechtsprechung davon aus, dass die Verfahrensrechte des Bewerbers aus Art. 33 Abs. 2 GG untergehen.

Auch hier gilt aber, dass der öffentliche Arbeitgeber nicht frei über einen etwaigen Abbruch des Auswahlverfahrens entscheiden darf. Anderenfalls hätte es der Arbeitgeber in der Hand, das Ergebnis eines Auswahlverfahrens zu steuern, indem er zum Beispiel stets dann zum Mittel des Abbruchs greift, wenn sich in dem jeweiligen Verfahren unter dessen konkreten Voraussetzungen ein missliebiger Bewerber durchsetzen sollte. Im Ergebnis soll dem Arbeitgeber die Möglichkeit genommen werden, ein Auswahlverfahren durch Abbruch und Neueinleitung der Weise nachzubessern, dass eine sonstige Auswahlentscheidung legitimiert wird („passend machen“). Daher setzt ein wirksamer Abbruch des Auswahlverfahrens voraus, dass dieser aus sachlichen Gründen erfolgt. Solche können sich zum Beispiel darin finden, dass das Auswahlverfahren unter nichtheilbaren erheblichen Verfahrensmängeln leidet (BAG, Urteil vom 17.08.2010, Az. 9 AZR 347/09).

 

3. Handlungsempfehlung

Konkurrentenschutz bedarf stets eines schnellen und richtigen Handelns! Ein zögerliches Abwarten beseitigt Rechtsansprüche des unterlegenen Bewerbers um eine zu vergebende Stelle.

Wir können Sie hier regelmäßig kurzfristig beraten und unterstützen.