Dr. Gloistein & Partner

News

Rechtsinfos und aktuelle Beiträge

Entzug des Dienstwagens bei Freistellung – Was müssen Arbeitgeber und Arbeitnehmer beachten?

Bei der Überlassung eines Dienstwagens an den Arbeitnehmer ist zu differenzieren: Zum einen kann die Überlassung ausschließlich zum Zwecke der dienstlichen Nutzung des Fahrzeugs erfolgen, der Dienstwagen darf dann also nur in Verrichtung der Arbeit benutzt werden. Zum anderen kann die Überlassung auch so ausgestaltet werden, dass der Mitarbeiter das Fahrzeug nicht nur zu dienstlichen Zwecken, vielmehr auch privat nutzen darf.

Die Überlassung des Dienstwagens zur privaten Nutzung ist ein weitverbreitetes Phänomen. Eine solche Vorteilsgewährung wird von vielen Arbeitnehmern als erfreuliche Incentivierung ihrer Leistung betrachtet.

Mitarbeiter, denen ein Dienstwagen auch zur privaten Nutzung zur Verfügung gestellt worden ist, richten ihre privaten Umstände üblicherweise darauf ein, indem sie nämlich kein eigenes Fahrzeug mehr vorhalten. Dies erfolgt typischerweise in der Annahme, dass die Privatnutzung des Fahrzeugs jedenfalls solange gewährleistet ist, wie das Arbeitsverhältnis besteht.

Zahlreiche Arbeitsverträge oder betriebliche Richtlinien enthalten Festlegungen, wonach der Dienstwagen auch bei vereinbarter Privatnutzung unter bestimmten Umständen, so z.B. bei einer Freistellung des Arbeitnehmers, unverzüglich zurückzugeben ist. Die Grenzen solcher Regelungen sollen nachstehend beleuchtet werden.

1. Grundsatz: Privatnutzung bis zum Vertragsende

Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts stellt die Überlassung eines Dienstwagens auch zur privaten Nutzung einen geldwerten Vorteil und Sachbezug des Mitarbeiters dar. Diese Privatnutzung ist steuer- und abgabenpflichtiger Teil des geschuldeten Arbeitsentgelts und damit Teil der Arbeitsvergütung. Die Gebrauchsüberlassung ist regelmäßig zusätzliche Gegenleistung für die geschuldete Arbeitsleistung, z.B. in Fällen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit mit Entgeltfortzahlungsansprüchen (BAG, Urteil vom 14.12.2010, Az. 9 AZR 631/09).

Auch für den Fall einer arbeitgeberseitigen Freistellung von der Erbringung der Arbeitsleistung bleibt ein vereinbartes Recht zur Privatnutzung eines Dienstwagens grundsätzlich erhalten. Einseitige Freistellungen erfolgen nämlich, sofern sie überhaupt zulässig sind, regelmäßig unter Aufrechterhaltung der Vergütungsansprüche des Arbeitnehmers. Eine Arbeitsfreistellung unter Wegfall von Vergütungsansprüchen kommt nur in äußerst seltenen Konstellationen in Betracht, so z.B. im Zuge eines Arbeitskampfes und bei Kurzarbeit.

2. Grenzen von Vereinbarungen über den Entzug geldwerter Vorteile

Vergütungsbestandteile dürfen dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber nicht einseitig entzogen werden, dies gilt auch für den geldwerten Vorteil der Privatnutzung eines Dienstwagens. Auch Klauseln in arbeitsvertraglichen Vereinbarungen bezüglich des Entzugs geldwerter Vorteile unterfallen einer strengen Rechtmäßigkeitskontrolle. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Klauseln einseitig vom Arbeitgeber vorgegeben werden. Dann handelt es sich nämlich um sogenannte Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne der §§ 305 ff. BGB.

3. Sichtweise des Bundesarbeitsgerichts

In zahlreichen Arbeitsverträgen finden sich Klauseln, die den Arbeitnehmer auch dann zur sofortigen Herausgabe des Dienstwagens verpflichten, wenn sie vom Arbeitgeber von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt worden sind. Der Sache nach wirken solche Klauseln wie eine Widerrufsvorbehaltsklausel. Solche Klauseln sind im Arbeitsrecht häufig anzufinden. Widerrufsvorbehalte werden von der Rechtsprechung einer 2-stufigen Überprüfung unterstellt. Auf der 1. Stufe ist zu fragen, ob der vertraglich vereinbarte Widerrufsvorbehalt überhaupt rechtswirksam ist. Auf der 2. Stufe ist eine sogenannte Ausübungskontrolle vorzunehmen.

Ein Widerrufsvorbehalt ist nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts schon dann unwirksam, wenn er den Transparenzerfordernissen des § 307 BGB nicht entspricht. Nach dieser Norm müssen Voraussetzungen und Umfang eines vorbehaltenen Widerrufs konkret angegeben werden. Unzulässig sollen Widerrufsvorbehalte sein, die das Widerrufsrecht nach „freiem Ermessen“ oder „jederzeit und ohne Angabe von Gründen“ erlauben. Aus den in einer Klausel zu nennenden Widerrufsgründen solle sie zumindest die Richtung erkennen lassen müssen, aus der der Widerruf möglich sein soll (BAG, Urteil vom 12.01.2005, Az. 5 AZR 364/04).

Dies soll auch für Fälle der widerruflichen Überlassung eines Dienstwagens zur Privatnutzung gelten (BAG, Urteil vom 21.03.2012, Az. 5 AZR 651/10).

Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts ist eine vertragliche Klausel betreffend die Herausgabe eines Dienstwagens bei Freistellung nach Ausspruch einer Kündigung auf der 1. Stufe der rechtlichen Überprüfung als wirksam zu erachten:

In der oben referierten Entscheidung vom 21.03.2012 hatte das BAG über eine arbeitsvertragliche Klausel zu urteilen, wonach sich der Arbeitgeber vorbehalten hatte, die Herausgabe des Dienstwagens im Falle einer Freistellung nach Ausspruch einer Kündigung zu fordern. Das BAG hatte angenommen, eine solche Klausel sei grundsätzlich wirksam. Der Arbeitnehmer könne mit der Angabe, dass die Herausgabe für den Fall einer Freistellung erfolgen soll, hinreichend deutlich erkennen, „aus welcher Richtung“ der Widerruf erfolgt.

Auf der 2. Stufe hatte das BAG dann weiter geprüft, ob der Arbeitgeber im konkreten Fall von der Möglichkeit des Herausverlangens des Dienstwagens nach kündigungsbedingter Freistellung in wirksamer Weise Gebrauch gemacht hat. Insoweit hat es eine Interessenabwägung vorgenommen. In die Interessenabwägung hat das Gericht einbezogen, dass die in Rede stehende Arbeitnehmerin nicht über ein sonstiges Fahrzeug verfügte und darüber hinaus der Entzug der Privatnutzung innerhalb des Laufs eines Monats erfolgte. Letztendlich befand das Gericht, dass der Entzug in dem hier zu beurteilenden Fall nicht interessenabwägungsgerecht und damit unwirksam war.

Im Urteil vom 12.01.2005 hat das BAG auch ausgeführt, dass für den Fall eines wirksamen Herausverlangens des Dienstwagens noch nicht einmal eine Entschädigung für den Entzug der privaten Nutzung zu zahlen ist!

4. Bedeutung dieser Rechtsprechung

Gewährt der Arbeitgeber Arbeitnehmern die Privatnutzung eines Dienstwagens, muss er sich vor Augen halten, dass er diese Gewährung grundsätzlich bis zum Ende des Arbeitsvertrags aufrechterhalten muss. Möchte er sich unter bestimmten Voraussetzungen, so z.B. für den Fall einer Freistellung nach Ausspruch der Kündigung des Arbeitsverhältnisses, von der Verpflichtung zur Überlassung des Dienstwagens lösen, bedarf dies einer rechtssicheren Vereinbarung mit dem jeweiligen Arbeitnehmer im Arbeitsvertrag. Denkbar ist ferner, derlei Regelungen in eine Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat aufzunehmen. Allerdings werden Betriebsräte häufig kaum geneigt sein, ein einseitiges Arbeitgeberrecht zum Entzug der Privatnutzung des Dienstwagens zu statuieren.

Sollten Arbeitnehmer vom Arbeitgeber nach bzw. im Zuge einer Freistellung aufgefordert werden, einen auch für private Zwecke überlassenen Dienstwagen unverzüglich zurückzugeben, besteht Veranlassung für eine sorgsame Überprüfung der rechtlichen Grundlagen der Fahrzeugnutzung. Soweit nämlich keine wirksame Klausel existiert, die den Arbeitgeber zum vorzeitigen Entzug der Dienstwagennutzung berechtigt, muss der Arbeitnehmer den Dienstwagen trotz Aufforderung nicht herausgeben.

Selbst wenn eine den rechtlichen Anforderungen genügende Herausgabeklausel besteht, ist weiter zu prüfen, ob deren Nutzung im Einzelfall interessenabwägungsgerecht ist. Sollte dies nicht der Fall sein, muss der Dienstwagen trotz Aufforderung nicht herausgegeben werden. Allerdings sollten Arbeitnehmer hier eine sehr sorgsame Prüfung anstellen, um womöglich problematische Fehleinschätzungen zu vermeiden. Solche könnten dem Arbeitgeber nämlich weitere Kündigungsgründe liefern!

In sämtlichen Fragen der Gestaltung und Reichweite von Dienstwagenverträgen beraten und unterstützen wir Sie gern.