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Betriebsratswahl – Wahlberechtigung und Wählbarkeit nach Kündigung des Arbeitsverhältnisses/Wahlanfechtung

Gemäß § 13 Abs. 1 BetrVG finden die regelmäßigen Betriebsratswahlen alle 4 Jahre in der Zeit vom 01. März bis 31. Mai statt. Nach 2014 finden demnach die regulären Wahlen in den Jahren 2018, 2022 usw. statt.

Nur unter den besonderen Voraussetzungen von § 13 Abs. 2 BetrVG kommen Wahlen außerhalb dieser gesetzlichen Zeitpunkte in Betracht, so z.B. bei Absenkung oder Anstieg der Zahl der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer, Absenken der Gesamtzahl der Betriebsratsmitglieder nach Eintreten sämtlicher Ersatzmitglieder unter die vorgeschriebene Zahl der Betriebsratsmitglieder, bei Rücktritt des Betriebsrats, wirksamer Anfechtung der Betriebsratswahl, Auflösung des Betriebsrats durch gerichtliche Entscheidung oder wenn ein Betriebsrat im Betrieb nicht besteht (Erstwahl).

Im Kern einer jeden Betriebsratswahl stehen die Fragen der Wahlberechtigung und der Wählbarkeit. Die Wahlberechtigung beschreibt das aktive Wahlrecht zum Betriebsrat (Stimmrecht). Die Wahlberechtigung ist in § 7 BetrVG geregelt. Wahlberechtigt sind danach alle Arbeitnehmer des Betriebs, die das 18. Lebensjahr vollendet haben. Werden Arbeitnehmer eines anderen Arbeitgebers zur Arbeitsleistung überlassen (Arbeitnehmerüberlassung), so sind diese Arbeitnehmer wahlberechtigt, sofern sie länger als drei Monate im Betrieb eingesetzt werden.

Die Wählbarkeit hingegen beschreibt die Fähigkeit, selbst in den Betriebsrat gewählt werden zu können. Die maßgebliche gesetzliche Vorschrift findet sich in § 8 BetrVG. Wählbar sind danach alle Wahlberechtigten, die dem Betrieb seit (mindestens) 6 Monaten angehören oder als in Heimarbeit Beschäftigte in der Hauptsache für den Betrieb gearbeitet haben. Nicht wählbar ist, wer in Folge einer strafgerichtlichen Verurteilung die Fähigkeit verloren hat, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen. Der Verlust dieser Fähigkeit ergibt sich nach § 45 Abs. 1 StGB stets bei einer strafgerichtlichen Verurteilung wegen eines Verbrechens zu einer Mindestfreiheitstrafe von einem Jahr.

Dieser Verlust ist allerdings auf die Dauer von 5 Jahren nach Rechtskraft des Urteils beschränkt.

Besondere Probleme hinsichtlich Wahlberechtigung und Wählbarkeit stellen sich bei gekündigten Arbeitnehmern. Dabei sind verschiedene Fallkonstellationen in den Blick zu nehmen:

Denkbar ist, dass das Arbeitsverhältnis vor Durchführung der Betriebsratswahl gekündigt wurde, die Kündigungsfrist aber erst nach Durchführung der Betriebsratswahl abläuft. Davon zu unterscheiden ist der Fall, dass die Kündigung vor der Wahl erfolgt und die Kündigungsfrist zum Zeitpunkt der Durchführung der Wahl abgelaufen ist.

In der Praxis finden sich regelmäßig Fälle, in denen derlei Arbeitnehmer im gekündigten Arbeitsverhältnis als Wahlbewerber in der Betriebsratswahl auftreten und häufig auch tatsächlich gewählt werden. Hier stellt sich die Frage, ob in den jeweiligen Fallkonstellationen überhaupt Wahlberechtigung und Wählbarkeit bestehen und wie auf eine etwaige Wahlbewerbung und Wahl reagiert werden kann:

 

1. Wahlberechtigung

a) Wahlberechtigung nach Kündigung des Arbeitsverhältnisses und Ablauf der Kündigungsfrist

Wahlberechtigt sind nur die Arbeitnehmer des Betriebes. Nach einer in der Rechtsprechung entwickelten „Zwei-Komponenten-Lehre“ ist daher in aller Regel zu fordern, dass der Arbeitnehmer zum Betriebsinhaber in einem Arbeitsverhältnis steht und von ihm innerhalb der betrieblichen Organisation auch tatsächlich eingesetzt wird, ihm also ein Arbeitsbereich als Arbeitnehmer zugewiesen ist (BAG, Beschuss vom 17.02.2010, Az. 7 ABR 51/08).

Ob diese Voraussetzungen auch bei gekündigten Arbeitsverhältnissen erfüllt sind, hängt von der jeweiligen Fallgestaltung ab. Endet die Kündigungsfrist vor der Betriebsratswahl und hat der Arbeitnehmer keine Kündigungsschutzklage erhoben, mangelt es im Regelfall an einer Betriebseingliederung. Die Wahlberechtigung ist damit dauerhaft entfallen.

Ist die Kündigungsfrist abgelaufen, hat der Arbeitnehmer indes Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht erhoben, hängt die Wahlberechtigung davon ab, ob der Arbeitnehmer zunächst weiterbeschäftigt wird, so z.B. in einem sog. Prozessbeschäftigungsverhältnis. Erfolgt eine solche Weiterbeschäftigung, nimmt das Bundesarbeitsgericht die weiterbestehende Wahlberechtigung an. Ist keine Weiterbeschäftigungssituation gegeben, soll die Wahlberechtigung entfallen. Hier argumentiert das Gericht, zum Zeitpunkt der Wahl müsse feststehen, ob der Arbeitnehmer nach § 7 BetrVG wählen darf oder nicht. Die Beteiligung nicht wahlberechtigter Arbeitnehmer könne später nicht mehr korrigiert werden. Ebenso wenig könne die Stimmabgabe eines gekündigten Arbeitnehmers nachgeholt werden, sobald rechtskräftig die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung festgestellt wird (BAG, Beschluss vom 10.11.2004, Az. 7 ABR 12/04).

Jegliche Wahlberechtigung entfällt nach einer außerordentlichen Kündigung/fristlosen Kündigung im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB, sofern der Arbeitnehmer nicht vorläufig weiterbeschäftigt wird.

 

b) Wahlberechtigung innerhalb der Kündigungsfrist

Ist dem Arbeitnehmer ein Kündigungsschreiben zugegangen bzw. hat der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber selbst die Kündigung erklärt und findet die Betriebsratswahl noch innerhalb der Kündigungsfrist statt, ist der betreffende Arbeitnehmer wahlberechtigt. Dies soll sogar für den Fall gelten, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber von der Erbringung der Arbeitspflicht freigestellt wurde. Diese Auffassung ist konsequent, verhindert sie doch etwaige Wahlbeeinflussungen durch arbeitgeberseitige Freistellungen.

 

2. Wählbarkeit nach Kündigung des Arbeitsverhältnisses

Nach dem Gesetzeswortlaut setzt die Wählbarkeit eine Wahlberechtigung voraus. Insoweit ergibt sich ohne weiteres, dass jedenfalls Arbeitnehmer, denen außerordentlich/fristlos gekündigt wurde oder deren Kündigungsfrist im Rahmen einer ordentlichen Kündigung abgelaufen ist, jedenfalls dann nicht wählbar sind, wenn kein Kündigungsschutzverfahren eingeleitet und keine vorläufige Weiterbeschäftigung erfolgt ist.

Allerdings war streitig, wie die Frage der Wählbarkeit zu beantworten ist, wenn der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht erhoben hat.

Das Bundesarbeitsgericht hat auch hier klare Aussagen getroffen. Nach Auffassung des Gerichts bleibt ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis ordentlich oder außerordentlich fristlos gekündigt worden ist und der Kündigungsschutzklage erhoben hat, trotz an sich entfallender aktiver Wahlberechtigung wählbar. Die Wählbarkeit soll sogar dann bestehen bleiben, wenn die Betriebsratswahl nach Ablauf der Kündigungsfrist erfolgt und der Arbeitnehmer nicht weiterbeschäftigt wird (BAG, Beschluss vom 10.11.2004, Az. 7 ABR 12/04).

In der Urteilsbegründung hatte das BAG die Unterschiede zwischen der Wählbarkeit nach § 8 BetrVG und der Wahlberechtigung nach § 7 BetrVG bei gekündigten und nicht weiterbeschäftigten Arbeitnehmern herausgearbeitet und auf den Schutzzweck der Normen über das aktive und passive Wahlrecht abgestellt. Wahlberechtigung und Wählbarkeit würden sich nach Auffassung des BAG grundlegend unterscheiden. Im Gegensatz zur Wahlberechtigung könne die Wählbarkeit durchaus zunächst in der Schwebe bleiben. Bei ihr werde der Ungewissheit über den Ausgang des Kündigungsschutzverfahrens dadurch Rechnung getragen, dass das Betriebsratsmitglied bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens an der Ausübung seines Amtes verhindert sei. In diesem Fall trete das Ersatzmitglied nach § 25 Abs. 1 S. 2 BetrVG vorübergehend in das Amt ein (BAG, Beschluss vom 14.05.1997, Az. 7 ABR 26/96). Stelle sich nach der Wahl die Unwirksamkeit der Kündigung heraus, entfalle der Hinderungsgrund. Das gewählte Betriebsratsmitglied könne sein Betriebsratsamt ausüben. Werde dagegen die Kündigungsschutzklage abgewiesen, erlösche die Mitgliedschaft im Betriebsrat nach § 24 Nr. 3 BetrVG. Das Ersatzmitglied rücke endgültig gemäß § 25 Abs. 1 S. 1 BetrVG nach.

Das BAG stellt auch her den Schutz der Betriebsratswahl vor Behinderung oder Beeinflussung im Sinne von § 20 Abs. 1 und Abs. 2 BetrVG in den Mittelpunkt seiner Betrachtung.

 

3. Wahlanfechtung

Nehmen nicht wahlberechtigte Arbeitnehmer an der Betriebsratswahl teil oder werden gar nicht wählbare Arbeitnehmer in den Betriebsrat gewählt, stellt sich die Wahl als fehlerhaft dar. Hinsichtlich der Möglichkeiten des Rechtsschutzes ist zwischen besonders schwerwiegenden Verstößen gegen das Wahlrecht und „leichteren“ Verstößen zu unterscheiden. Wird gegen wesentliche Grundsätze des Wahlrechts in einem so hohen Maß verstoßen, dass nicht einmal der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl mehr vorliegt, soll dies nach allgemeiner Auffassung von Literatur und Rechtsprechung zur Nichtigkeit der Wahl führen. Hier ist ein besonders grober und offensichtlicher Verstoß gegen wesentliche gesetzliche Wahlregeln vonnöten. Die Nichtigkeit der Wahl kann zu jeder Zeit geltend gemacht werden. Eine Bindung an bestimmte Fristen zur Anrufung des Arbeitsgerichts besteht nicht.

Liegen keine Nichtigkeitsgründe vor, kommt bei Verstößen gegen Wahlvorschriften lediglich die Wahlanfechtung gemäß § 19 BetrVG in Betracht. Nach dieser Regelung kann die Wahl beim Arbeitsgericht angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden ist und eine Berichtigung nicht erfolgt ist. Die Wahlanfechtung steht unter dem Vorbehalt, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis auch tatsächlich geändert oder beeinflusst werden konnte. Mit anderen Worten: Liegt ein Fehler vor, der aber für den Ausgang der Wahl gänzlich ohne Bedeutung ist, soll auch eine Wahlanfechtung ausscheiden.

Nach § 19 Abs. 2 BetrVG kann eine Wahlanfechtung nicht durch jedermann erfolgen. Anfechtungsberechtigt sind lediglich mindestens drei Wahlberechtigte, eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft oder der Arbeitgeber. Zu beachten ist, dass die Wahlanfechtung nur binnen einer Frist von zwei Wochen, gerechnet vom Tag der Bekanntgabe des Wahlergebnisses an, zulässig ist!

 

Fazit:

Arbeitgeber, Arbeitnehmer des Betriebs und nicht zuletzt Betriebsräte selbst sowie der Wahlvorstand haben die Betriebsratswahl kritisch im Auge zu behalten. Wahlausschreiben, Wählerlisten und Wahlbekanntmachung sind genauestens zu prüfen, um Fehler zu vermeiden und gegebenenfalls zu beheben.

Sobald sich schwerwiegendere Wahlmängel zeigen, muss gehandelt werden, gegebenenfalls innerhalb der vergleichsweise kurz bemessenen Wahlanfechtungsfrist von zwei Wochen.

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