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Pflichtverletzungen von Betriebsratsmitgliedern – Voraussetzungen und Wirkungen eines Ausschlussverfahrens beim Arbeitsgericht

Gewählte Betriebsratsmitglieder unterfallen ab dem Zeitpunkt ihrer Wahl den Rechten und Pflichten des Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Wesentliche Pflicht der Betriebsratsmitglieder ist, ihr Amt entsprechend der gesetzlichen Vorgaben auszuüben. So sind sie z.B. gehalten, an den regelmäßigen Betriebsratssitzungen ebenso teilzunehmen wie an Beschlussfassungen. Das Betriebsratsmitglied hat ferner organisatorische Aufgaben im erforderlichen Umfang zu übernehmen (z. B. Schriftführer). Ferner statuiert das BetrVG zahlreiche Verschwiegenheitspflichten. Exemplarisch zu benennen ist weiter die Verpflichtung, Maßnahmen des Arbeitskampfes zu unterlassen. Dem Betriebsratsmitglied ist es untersagt, ihm zugewandte Vorteile zum Zwecke der Beeinflussung der Amtsführung oder zur Belohnung einer vorangegangenen pflichtwidrigen Amtsführung entgegenzunehmen, den Arbeitgeber zu beleidigen bzw. grob zu beschimpfen, falsche Angaben über Zwecke seiner Tätigkeit außerhalb des Betriebs zu tätigen etc. Diese Aufzählung ist nicht im Ansatz abschließend. Zahlreiche weitere Pflichtverletzungen stehen in Rede.

Das Betriebsverfassungsgesetz zieht für den Fall von Pflichtverletzungen ein umfangreiches Regelungsinstrumentarium in § 23 BetrVG vor. Nach § 23 Abs. 1 BetrVG kann beim Arbeitsgericht der Ausschluss eines Mitglieds aus dem Betriebsrat wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten beantragt werden.

1. Antragsberechtigung und -voraussetzungen

Zunächst kann ein Antrag auf Ausschließung eines Betriebsratsmitglieds aus dem Betriebsrat von den im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmern gestellt werden. Allerdings fordert das Gesetz hier, dass ein solcher Antrag von mindestens einem Viertel der wahlberechtigten Arbeitnehmer gestellt wird. Nach § 7 BetrVG sind alle Arbeitnehmer des Betriebs wahlberechtigt, die das 18. Lebensjahr vollendet haben. Unter den Voraussetzungen von § 7 Satz 2 BetrVG sind auch Leiharbeitnehmer wahlberechtigt und können daher an einer etwaigen Abstimmung über den Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds teilnehmen.

Ferner kann eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft den Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds beantragen. Eine Gewerkschaft ist dann im Betrieb vertreten, wenn mindestens ein Arbeitnehmer des Betriebs Mitglied dieser Gewerkschaft ist und dieser Arbeitnehmer nicht zum Kreis der leitenden Angestellten gemäß § 5 BetrVG zählt (BAG, Beschluss vom 10.11.2004, Az.: 7 ABR 19/04).

Ferner sind der Arbeitnehmer und der Betriebsrat selbst antragsberechtigt.

Der Antrag auf Ausschließung kann sich auch auf ein Ersatzmitglied beziehen. Nach allgemeiner Auffassung gilt die Ausschlussregelung in § 23 Abs. 1 BetrVG für Ersatzmitglieder entsprechend, die während oder in einem unmittelbaren Zusammenhang mit einer zeitweiligen Vertretung eine grobe Amtspflichtverletzung begangen haben.

2. Voraussetzungen für den Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds

Die Ausschließung eines Betriebsratsmitglieds aus dem Betriebsrat kann nur durch das Arbeitsgericht erfolgen. Der Ausschluss findet auf der Grundlage eines rechtskräftigen Beschlusses statt.

Voraussetzung hierfür ist die gerichtliche Feststellung von Pflichtverletzungen durch das betreffende Betriebsratsmitglied. Diese Pflichtverletzungen müssen darüber hinaus „grob“ sein.

Als „grobe“ Pflichtverletzungen kommen unterschiedlichste Rechtsverstöße in Betracht. Hier ist eine Einzelfallbetrachtung vorzunehmen. Nach einhelliger Auffassung genügt auch eine einmalige grobe Pflichtverletzung, wiederholte leichte Pflichtverletzungen sollen nur in Ausnahmefällen eine grobe Pflichtverletzung darstellen können. Vielfach wird gefordert, dass das Betriebsratsmitglied schuldhaft, d. h. vorsätzlich oder grob fahrlässig, gehandelt haben muss. Diese Auffassung ist indes umstritten. Zum Teil wird es als ausreichend angesehen, dass eine objektiv grobe, dem Betriebsratsmitglied zurechenbare Pflichtverletzung vorliegt.

Die Rechtsprechung lässt hier kein klares Bild erkennen. Sie unterscheidet offenbar nach verschiedenen Pflichtverletzungen. Dies wiederum lässt es als notwendig erscheinen, im jeweiligen Einzelfall eine sorgfältige Prüfung vorzunehmen!

Grundsätze des Kündigungsrechts finden auf die Ausschließung eines Betriebsratsmitglieds keine Anwendung. So ist insbesondere eine vorherige Abmahnung nicht erforderlich, vielmehr wohl sogar unzulässig.

3. Folgen des Ausschlusses

Mit der rechtskräftigen Entscheidung des Arbeitsgerichts bzw. eines Landesarbeitsgerichts oder gar des Bundesarbeitsgerichts endet das Betriebsratsamt des jeweiligen Betriebsratsmitglieds. Ein Ersatzmitglied rückt nach.

Von besonderer Bedeutung ist die Auswirkung eines Ausschlusses auf das betroffene Betriebsratsmitglied selbst: Grundsätzlich gilt, dass ein Betriebsratsmitglied auch nach Beendigung der Amtstätigkeit einen einjährigen Sonderkündigungsschutz in Anspruch nehmen kann (§ 15 Abs. 1 KSchG). Der Gesetzgeber sieht eine ordentliche Kündigung im Nachwirkungszeitraum von einem Jahr für unzulässig an. Etwas anderes gilt dann, wenn Gründe zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB vorliegen.

Das ausgeschlossene Betriebsratsmitglied kann diesen nachwirkenden Kündigungsschutz nicht in Anspruch nehmen (§ 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG). Liegen entsprechende Gründe vor, kann der Arbeitgeber als sogleich nach Ausschluss des Betriebsratsmitglieds die ordentliche Kündigung aussprechen.