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Haftung des Auftraggebers nach dem Mindestlohngesetz (MiLoG) – Worauf müssen Unternehmen jetzt achten?

 

Seit geraumer Zeit ist es an der Tagesordnung, dass am Geschäftsverkehr beteiligte Personen/Unternehmen Schriftstücke an Vertragspartner übersenden, in denen die Adressaten mehr oder weniger weitreichend dazu aufgefordert werden, sich zur Einhaltung von Verpflichtungen nach dem Mindestlohngesetz zu erklären und in diesem Zusammenhang verschiedene Verpflichtungen zur Offenlegung von Lohnunterlagen etc. eingehen. Hintergrund dafür ist das zum 01.01.2015 in Kraft getretene Mindestlohngesetz.

Das Mindestlohngesetz (MiLoG) hat zahlreiche Neuerungen eingeführt, die zum Teil neben den Festlegungen zum gesetzlichen Mindestlohn selbst weniger stark in Erscheinung treten, im Wirtschaftsleben aber von außerordentlich großer Tragweite sind. Eine dieser Neuerungen ist die Schaffung der so genannten Auftraggeberhaftung in § 13 MiLoG.

Inhalt und Grenzen dieser Haftungsregelungen sind zum Teil umstritten. Es kann aber ohne weiteres festgestellt werden, dass der Gesetzgeber hier einen neuen Haftungstatbestand aus der Taufe gehoben hat, der auch solche Parteien von Verträgen treffen kann, die selbst vom Mindestlohngesetz nicht berührt werden bzw. alle Vorgaben dieses Gesetzes umsetzen.

Nachstehend soll die Auftraggeberhaftung inhaltlich betrachtet werden. Wir möchten darüber hinaus aufzeigen, welche Risiken sich für nahezu jedes Unternehmen daraus ergeben und welche Strategien zur Verringerung solcher Risiken ergriffen werden können.

 

1. Auftraggeberhaftung nach MiLoG und AEntG

In § 13 MiLoG findet sich die kurz gefasste Regelung, wonach § 14 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (AEntG) entsprechende Anwendung findet. Der Gesetzgeber hat sich hier einer durchaus üblichen Verweisungstechnik bedient, die bedauerlicherweise für den einzelnen Rechtsanwender eine gewisse Intransparenz mit sich bringt. Das MiLoG definiert die Auftraggeber Haftung nicht selbst, bezieht vielmehr eine solche des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes ein.

 

§ 14 AEntG lautet wie folgt:

Ein Unternehmer, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Werk- oder Dienstleistungen beauftragt, haftet für die Verpflichtungen dieses Unternehmers, eines Nachunternehmers oder eines von dem Unternehmer oder einem Nachunternehmer beauftragten Verleihers zur Zahlung des Mindestentgelts an Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen oder zur Zahlung von Beiträgen an eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien nach § 8 wie ein Bürge, der auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat. Das Mindestentgelt im Sinne des S. 1 umfasst nur den Betrag, der nach Abzug der Steuern und der Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung oder entsprechender Aufwendungen zur sozialen Sicherung an Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen auszuzahlen ist (Nettoentgelt).

 

Kurz gefasst sehen §§ 13 MiLoG, 14 AEntG vor, dass ein Unternehmer, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Werk- oder Dienstleistungen beauftragt, für die Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtungen haftet. Der haftende Unternehmer kann also von Arbeitnehmern eines mit Werk- oder Dienstleistungen beauftragten Unternehmens oder eines Nachunternehmens oder gar eines Arbeitnehmerüberlassungsunternehmens in Anspruch genommen werden, leistet der Arbeitgeber dieses Arbeitnehmers nicht den gesetzlichen Mindestlohn. Das beauftragende und in die Haftung genommene Unternehmen hat dann gegenüber dem Arbeitnehmer den arbeitgeberseitig nicht gezahlten Netto-Mindestlohn zu erstatten.

 

2. Wann greift die Auftraggeberhaftung des MiLoG ein?

Fraglich ist, wann die Auftraggeberhaftung des MiLoG eingreift.

Zum Teil wird angenommen, § 13 MiLoG begründe zusammen mit der Regelung der in Bezug genommenen § 14 AEntG lediglich eine „Generalunternehmerhaftung“. Haftungsbeziehungen sollen also nur bestehen, wenn beauftragendes und beauftragtes Unternehmen derselben Branche entstammen.

Nach anderer Auffassung geht die Auftraggeberhaftung des MiLoG aber erheblich weiter. So wird angenommen, dass MiLoG habe keinen Branchenbezug. § 13 MiLoG spreche also eine Haftung von Unternehmen gleich welcher Branche an, die andere Unternehmen (aus welcher Branche auch immer) mit der Erbringung von Werk- oder Dienstleistungen o. ä. beauftragen. Es sei nicht von einer Generalunternehmerhaftung, vielmehr von einer weitergehenden Nachunternehmerhaftung auszugehen (Schubert/Jerchel/Düwell, Das neue Mindestlohngesetz, Rn. 228 m.w.N.).

§ 14 AEntG sieht die Haftung eines Unternehmers vor, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Werk- oder Dienstleistungen beauftragt. Klärungsbedürftig ist die Reichweite solcher Verträge über Werk- oder Dienstleistungen. Hier wird angenommen, die Begriffe „Werkverträge“ und „Dienstverträge“ seien zum Schutz vor Umgehungen weit zu verstehen und sprächen neben den genannten Vertragstypen (§§ 611, 631 BGB) auch Verträge wie den Werklieferungsvertrag, den Geschäftsbesorgungsvertrag oder sonstige Aufträge an, soweit deren Umsetzung/Erfüllung in Deutschland erfolge (LAG Hessen, Urteil vom 23.10.2006, Az. 16 Sa 527/06).

Koberski/Asshoff/Eustrup/Winkler, AEntG, § 14 Rn. 21

Unternehmen/Vertragspartner haben sich darauf einzustellen, dass eine so weit gefasste Ausleuchtung der Auftraggeberhaftung durch die Gerichte vorgenommen wird. Dann drohen bei nahezu jeder Beauftragung einer anderen Partei im Rahmen eines Dienst- bzw. Werkvertrags ungeachtet der Branchenzugehörigkeit der am Vertrag beteiligten Parteien bzw. der konkreten Leistung Inanspruchnahmen im Rahmen der Auftraggeberhaftung.

 

3. Zwingende Wirkung der gesetzlichen Haftung, Verschuldensunabhängigkeit

Die Auftraggeberhaftung kann im Verhältnis zum jeweils beauftragten Unternehmen nicht abbedungen werden. Hier wird nämlich angenommen, dass sich insoweit ein rechtlich unzulässiger Vertrag zu Lasten Dritter (etwaiger anspruchsberechtigter Arbeitnehmer anderer Unternehmen) ergäbe. Vertragliche Konstruktionen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer, wonach eine Entbindung einer Vertragspartei von der gesetzlichen Haftung herbeigeführt werden soll, sind damit unmöglich gemacht.

Die im Gesetz vorgesehene Bürgenhaftung ist verschuldensunabhängig und entfaltet auch bei fehlender Kenntnis des Auftraggebers von der Verletzung der Pflichten nach dem MiLoG durch beauftragte Unternehmen/Nachunternehmen ihre volle Wirkung.

 

4. Verhinderung/Minimierung von Haftungsrisiken

Um eine im Gesetz angelegte Haftung/Kettenhaftung zu vermeiden bzw. die Risiken zu minimieren, können verschiedene Maßnahmen ergriffen werden. Zunächst kommt in Betracht, Auftragnehmer zu verpflichten, die Einhaltung der Vorgaben des MiLoG schriftlich zuzusichern. Dies geschieht in einer Vielzahl von Schriftstücken, die aktuell zwischen Unternehmen, welche in Auftragsbeziehungen zueinanderstehen, gewechselt werden. Allerdings ist dieses Mittel nur von vergleichsweise geringer Tauglichkeit: Erfüllt das mit Werk- bzw. Dienstleistungen im obigen Sinne beauftragte Unternehmen entgegen der Zusicherung die Verpflichtungen aus dem MiLoG nicht, wird die Bürgenhaftung mit der anderslautenden Zusicherung nicht beseitigt. Allerdings ergibt sich aus einem Zusicherungsschreiben ein besonderer Appell an den Vertragspartner, den Vorgaben des Mindestlohngesetzes nachzukommen. Darüber hinaus kann sich die günstige Folge ergeben, dass bei Verstößen eines beauftragten Unternehmens bzw. Nachunternehmens gegen eine solche Zusicherung keine Geldbuße gegenüber dem haftenden Unternehmen verhängt werden kann.

Vorsorge kann dahingehend getroffen werden, dass Verträge mit Vertragspartnern so ausgestaltet werden, dass der Einsatz von Nach-/Subunternehmen ausgeschlossen ist. Beauftragte Unternehmen sollten sich verpflichten, dass beauftragende Unternehmen bzw. die auftragserteilende Partei von Haftungen freizustellen, die sich nach §§ 13 MiLoG, 14 AEntG bei Verletzung von Auftragnehmerpflichten ergeben. Nachzudenken ist über die Vereinbarung von Nachweispflichten (Vorlage von Mindestlohnbescheinigungen) sowie über die Vereinbarung eines Rechts zur außerordentlichen Kündigung bei Nichteinhaltung solcher Verpflichtungen. Schließlich könnte eine Vereinbarung mit Auftragnehmern dahingehend erfolgen, dass diese für den Einzelfall Bürgschaften stellen.

 

5. Inanspruchnahme des haftenden Unternehmens und Bürgenhaftung

Zahlt der Arbeitgeber eines Arbeitnehmers an Letzteren nicht den gesetzlichen Mindestlohn, besteht für den Arbeitnehmer die Möglichkeit, im Rahmen der gesetzlichen Auftraggeberhaftung den Auftraggeber des eigenen Arbeitgebers auf Zahlung des Mindestlohns in Anspruch zu nehmen. Das beauftragende Unternehmen haftet dann gegenüber diesem Arbeitnehmer auf die Zahlung des Nettomindestlohns, der nicht gezahlt worden ist.

Wird das haftende Unternehmen von Arbeitnehmern eines beauftragten Unternehmens in Anspruch genommen, gelten die Regelungen der Bürgenhaftung. Erfüllt das in Anspruch genommene Unternehmen den Haftungsanspruch des Arbeitnehmers, geht die Forderung des Arbeitnehmers gegen den eigenen Arbeitgeber auf das in Anspruch genommene Unternehmen über, § 774 Abs. 1 BGB. Das in Anspruch genommene Unternehmen wird damit seinerseits Inhaber des Mindestlohnanspruchs gegen das beauftragte Unternehmen und kann dieses so in Regress nehmen.

Häufig wird diese Möglichkeit aber nicht mit Erfolg genutzt werden können. Zahlt nämlich ein Unternehmen an seine Arbeitnehmer den gesetzlichen Mindestlohn nicht, ist dies häufig ein Indiz für existenzielle Zahlungsunfähigkeit/Insolvenz.

 

Fazit:

Vor dem Hintergrund der Haftungsregelungen des MiLoG besteht für sämtliche Unternehmen, die ihrerseits Werk- bzw. Dienstverträge mit anderen Unternehmen schließen, großer Handlungsbedarf, um eigene Haftungsrisiken zu verringern bzw. auszuschließen. Es empfiehlt sich, Vertragspartner zu verpflichten bzw. ernsthaft anzuhalten, Verpflichtungen abzugeben, wonach den Vorgaben des Mindestlohngesetzes entsprochen wird. Darüber hinaus sollte über weitgehende und rechtssichere Wege nachgedacht werden, den eigenen Haftungsrisiken weitestmöglich zu entgehen. Allerdings bedarf es hier großer Sensibilität im Umgang mit dem eigenen Vertragspartner, um die bereits vorhandenen Geschäftsbeziehungen nicht durch überzogene Forderungen zu gefährden.

Wir verfügen über die nötige Expertise zur Erstellung von Verpflichtungserklärungen und Haftungsfreistellungen und unterstützen Sie gerne bei der Abwägung, mit welcher Intensität im Einzelfall vorgegangen werden sollte.