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Kündigung bei Schlecker in Halle und Sachsen-Anhalt – Fragen zu Transfergesellschaft, Kündigung und Lohnanspruch

Die Insolvenz der Einzelhandels-Kette Schlecker entwickelt sich dramatisch. In den  Medien ist bekanntgegeben worden, dass die Arbeitsplätze von 11.000  Mitarbeitern auf dem Spiel stehen und hier die Kündigung droht. Der  Insolvenzverwalter hatte geplant, eine Transfergesellschaft eizurichten und die vom Wegfall des Arbeitsplatzes bedrohten Arbeitnehmer in diese Gesellschaft zu  überführen. Jetzt ist das Projekt „Transfergesellschaft“ wegen politischer Uneinigkeit gescheitert.

Daraus ergeben sich verschiedene Fragen für die betroffenen Arbeitnehmer in Halle, ganz Sachsen-Anhalt und bundesweit:

1. Kündigung des Arbeitsverhältnisses

Es ist zu erwarten, dass der Insolvenzverwalter zahlreiche Kündigungen aussprechen wird. Für sämtliche Mitarbeiter der Firma Schlecker gilt, dass Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) in Anspruch genommen werden kann. Das bedeutet, dass auch der Insolvenzverwalter in jedem Einzelfall einen gesetzlichen Kündigungsgrund vorzubringen hätte. Die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens als solches begründet noch keinen Kündigungsgrund! Vermutlich wird es für zahlreiche Kündigungen keinen gesetzlichen Grund geben.

Vor Ausspruch einer Kündigung ist eine Sozialauswahl durchzuführen. Der Insolvenzverwalter hat für jeden Arbeitsplatz zu prüfen, ob der von der Kündigung betroffene Arbeitnehmer mit anderen Mitarbeitern vergleichbar ist und welcher Mitarbeiter sozial am schutzwürdigsten ist. Dabei sind in erster Linie die Kriterien Lebensalter, Dauer der Betriebszugehörigkeit, Anzahl bestehender Unterhaltsverpflichtungen und eine etwaige Schwerbehinderung zu berücksichtigen.

Schließlich ist vor etwaigen Kündigungen der Betriebsrat zu beteiligen. Er muss nach § 102 Betriebsverfassungsgesetz unterrichtet werden. Auch das KSchG sieht für die hier anstehenden Massenentlassungen Beteiligungen des Betriebsrats vor.

Es steht zu erwarten, dass der Insolvenzverwalter mit dem Betriebsrat Verhandlungen über einen Interessenausgleich und Sozialplan führt bzw. hier Einigungen erzielt. Der Sozialplan soll Regelungen zur sozialen Abfederung etwaiger Nachteile aus einer anstehenden Betriebsänderung enthalten. Das Ergebnis bleibt abzuwarten.

Der Insolvenzverwalter ist nicht an die verlängerten Kündigungsfristen des Tarifvertrags für den Einzelhandel oder von § 622 Abs. 2 BGB gebunden. Nach § 113 InsO kann der Insolvenzverwalter das Arbeitsverhältnis auch bei langen Kündigungsfristen mit einer Frist von 3 Monaten zum Monatsende kündigen. Dies besagt aber noch nichts über die Rechtmäßigkeit der Kündigung im Übrigen.

Sollte eine Kündigung ausgesprochen worden sein, empfiehlt sich dringend deren Überprüfung. Gegebenenfalls ist Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht zu erheben. Die Frist für die Erhebung der Kündigungsschutzklage beträgt drei Wochen. Sie beginnt ab dem Zeitpunkt zu laufen, in dem die Kündigungserklärung zugestellt worden ist! Hier ist für jeden betroffenen Arbeitnehmer Eile geboten.

2. Lohnanspruch in der Insolvenz

Grundsätzlich behalten alle Arbeitnehmer ihren Vergütungsanspruch, solange sie im Arbeitsverhältnis mit der Firma Schlecker stehen und ihre Arbeitsleistung erbringen oder arbeitsunfähig erkrankt sind bzw. Urlaub in Anspruch nehmen.

Hinsichtlich der Absicherung der Vergütungsansprüche ist zwischen der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der Zeit danach zu unterscheiden:

Sollte der Arbeitslohn vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gezahlt werden, tritt für die Vergütung der letzten drei Monate die Agentur für Arbeit ein. Hier wird Insolvenzgeld nach §§ 183 ff. SGB III gezahlt. Die Höhe des Insolvenzgeldes entspricht dem regelmäßigen Arbeitsverdienst. Der jeweils betroffene Arbeitnehmer hat also keine finanziellen Nachteile.

Anders verhält es sich für Vergütungsansprüche aus der Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Insoweit entstehen so genannte „Masseansprüche“. Sollte der Insolvenzverwalter für die Arbeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr zahlen, findet keine Absicherung durch Insolvenzgeld statt.

Hier sollte jeder Arbeitnehmer darauf achten, dass er zur rechten Zeit Maßnahmen ergreift, auf etwaige Zahlungsausfälle zu reagieren. Es ist rechtzeitig zu mahnen. Auch ist darüber nachzudenken, ein so genanntes Zurückbehaltungsrecht an der Arbeitsleistung geltend zu machen. Allerdings sind derartige Rechte an verschiedene Voraussetzungen geknüpft. Diese sollten im Einzelfall geklärt werden. Dazu empfiehlt sich anwaltliche Beratung.

Tritt Beschäftigungslosigkeit ein, ist im Einzelfall über die Möglichkeit zu prüfen, auch im noch bestehenden Arbeitsverhältnis Arbeitslosengeld zu beantragen.

3. Transfergesellschaft

Eine Transfergesellschaft hat den Zweck, Arbeitnehmer nicht sofort in die Arbeitslosigkeit fallen zu lassen. Der Übergang in eine solche Gesellschaft findet typischerweise so statt, dass eine Aufhebung des Arbeitsverhältnisses mit dem bisherigen Arbeitgeber erfolgt und gleichzeitig ein Vertrag mit der Transfergesellschaft geschlossen wird. In der Transfergesellschaft erhalten Arbeitnehmer so genanntes Transfer-Kurzarbeitergeld. Dieses entspricht in der Höhe dem Arbeitslosengeld. Es kommen Aufstockungen in Betracht.

Die Transfergesellschaft zielt darauf ab, Arbeitnehmer fortzubilden und den Übergang in ein neues Arbeitsverhältnis zu erleichtern.

Die im vorliegenden Fall ins Auge gefasste Transfergesellschaft sollte nur eine vergleichsweise kurze Laufzeit haben. Gerade für Mitarbeiter mit längeren Kündigungsfristen stellte sich daher von vornherein die Frage, ob der Übergang in eine Transfergesellschaft sinnvoll ist oder nicht.

Die Fragestellungen sind mit der politischen Entscheidung, eine Transfergesellschaft finanziell zu unterstützen, hinfällig geworden.

Fazit:

Für die von Kündigungen betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Firma Schlecker besteht derzeit dringender Anlass zur Vorsicht. Im jeweiligen Arbeitsverhältnis ist rechtzeitig Vorsorge für etwaige Vergütungsausfälle zu treffen. Auf Kündigungen sollte schnellstens und richtig reagiert werden. Fragen hierzu beantworten wir gerne.