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Befristete Verlängerung der Arbeitszeit – Bundesarbeitsgericht konkretisiert die rechtlichen Voraussetzungen

Viele Teilzeitarbeitnehmer haben tatsächlich den Wunsch, die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit zu verlängern, um entsprechend der heraufgesetzten Arbeitszeit auch ein höheres Arbeitseinkommen zu erzielen. Häufig haben Arbeitgeber aber nur ein Interesse daran, den teilzeitbeschäftigten Mitarbeiter vorübergehend, d.h. für einen befristeten Zeitraum, in höherem Umfang zu beschäftigen, um so z.B. zeitweiligen Auftragsspitzen Rechnung zu tragen oder die Vertretung eines für einen voraussehbaren Zeitraum verhinderten Kollegen sicherzustellen.

Bietet der Arbeitgeber dem lediglich in Teilzeit beschäftigten Arbeitnehmer vorübergehend eine Beschäftigung mit verlängerter Arbeitszeit an, stellt sich für den Arbeitnehmer häufig die Frage, ob die zeitliche Befristung der Arbeitszeiterhöhung rechtmäßig ist. Sollte dies nicht der Fall sein, könnte der Arbeitnehmer die Unwirksamkeit der Befristung geltend machen und damit im Ergebnis eine dauerhaft verlängerte Arbeitszeit (bei entsprechender Vergütung) durchsetzen.

In gleichem Maße ist die Frage der Rechtmäßigkeit einer solchen Befristung für den Arbeitgeber von besonderer Bedeutung, der nämlich regelmäßig sicherstellen möchte, dass er den vorübergehend mit verlängerter Arbeitszeit beschäftigten Arbeitnehmer nach Ablauf einer vereinbarten Frist wieder mit der ursprünglichen geringeren Arbeitszeit einsetzen darf.

 

Unter welchen Voraussetzungen darf also eine Vereinbarung über die Befristung einer Arbeitszeiterhöhung getroffen werden?

Das Bundesarbeitsgericht hat hier in jüngerer Zeit seine Rechtsprechung präzisiert:

 

1. Grundsatz der Vertragsfreiheit

Grundsätzlich steht es den Arbeitsvertragsparteien frei, eine Vereinbarung über die Dauer der Arbeitszeit zu treffen. Die Regelung betreffend die Dauer der Arbeitszeit ist eine solche zum Kernbereich des Arbeitsverhältnisses.

Eine Vereinbarung über die zeitliche Befristung einer Arbeitszeitverlängerung begegnet keinerlei Bedenken bzw. ist keinen strengen Rechtmäßigkeitsanforderungen ausgesetzt, wenn diese etwa auf Wunsch des Arbeitnehmers selbst getroffen wird. Solche Fallkonstellationen sind in der Praxis durchaus anzutreffen, wenn auch vergleichsweise selten.

Allerdings ist hier nur der Fall eines tatsächlichen Wunsches eines Arbeitnehmers an nur vorübergehender Verlängerung der Arbeitszeit angesprochen. Dieser sollte zur Vermeidung späterer Streitigkeiten stets gut dokumentiert werden, z.B. in einem ausdrücklichen schriftlichen Verlangen des Arbeitnehmers nach nur befristeter Ausdehnung der Arbeitszeit.

 

2. Befristungskontrolle bei „Allgemeinen Geschäftsbedingungen“ (AGB)

Fußt die Befristung einer Arbeitszeitverlängerung dagegen auf einer Initiative des Arbeitgebers bzw. formuliert dieser die mit dem Arbeitnehmer zu treffende Vereinbarung vor, wird die letztendlich getroffene vertragliche Vereinbarung über die befristete Verlängerung der Arbeitszeit die rechtliche Qualität einer „Allgemeinen Geschäftsbedingung“ haben.

An solche allgemeinen Geschäftsbedingungen werden strenge Maßstäbe angelegt. Insbesondere sieht der Gesetzgeber dann eine Angemessenheitsprüfung vor.

 

– Wann liegen „Allgemeine Geschäftsbedingungen“ vor?

 

Nach § 305 Abs. 1 BGB sind Allgemeine Geschäftsbedingungen alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (der so genannte „Verwender“) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages stellt. Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen gemäß § 305 Abs. 1 S. 3 BGB nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind. Für Arbeitsverträge gelten die Besonderheiten in § 310 Abs. 3 und 4 BGB. Danach gelten allgemeine Geschäftsbedingungen als vom Arbeitgeber gestellt, es sei denn, dass sie durch den Arbeitnehmer selbst in den Vertrag eingeführt wurden. Mit dieser Regelung statuiert der Gesetzgeber gleichsam eine Vermutung dafür, dass die Vertragsklauseln im Arbeitsvertrag vom Arbeitgeber erstellt und vorgegeben worden sind. Das Gegenteil muss im Streitfall vom Arbeitgeber bewiesen werden.

Auch aus diesem Grund empfiehlt sich die oben unter Z. 1. angesprochene Dokumentation z.B. eines ausdrücklichen Wunsches des Arbeitnehmers nach Befristung der Arbeitszeitverlängerung. Ein solcher Wunsch des Arbeitnehmers kann nämlich ein gewichtiges Indiz dafür sein, dass der Arbeitnehmer selbst maßgeblichen Einfluss auf die Vertragsformulierung hatte.

 

Selbst wenn die vom Arbeitgeber vorgegebene Vertragsklausel zur Befristung der Erhöhung der Arbeitszeit nur für einen einzigen Vertrag zur Anwendung gebracht werden soll (dann lägen streng genommen nach § 305 Abs. 1 BGB keine „für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen“ und damit keine AGB vor) kommt nach § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB die oben angesprochene Angemessenheitskontrolle dennoch zur Anwendung.

 

Im Ergebnis kann festgehalten werden, dass es sich bei arbeitsvertraglichen Vereinbarungen, sei es im ursprünglichen Arbeitsvertrag oder in etwaigen Änderungsverträgen oder Zusatzvereinbarungen, in der weit überwiegenden Zahl der Fälle um „Allgemeine Geschäftsbedingungen“ im Sinne von §§ 305 ff. BGB handeln wird. Daher wird regelmäßig auch die nachstehend dargestellte strenge Rechtmäßigkeitsprüfung einzelner Klauseln vorzunehmen sein.

 

– Inhaltskontrolle/Angemessenheitskontrolle einer befristeten Arbeitszeitverlängerung

 

Die Befristung von Arbeitsverträgen sieht der Gesetzgeber seit jeher als problematisch an. Um Arbeitnehmer vor einer Ausuferung von befristeten Verträgen zu schützen, ist das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) geschaffen worden. Dieses verfolgt gemäß § 1 TzBfG das Ziel, die Voraussetzungen für die Zulässigkeit befristeter Arbeitsverträge festzulegen. In diesem Gesetz finden sich Rechtmäßigkeitsmaßstäbe für die Befristung des gesamten Arbeitsvertrags (§§ 14 ff. TzBfG).

 

Das Bundesarbeitsgericht geht davon aus, dass befristete Vereinbarungen über die Abänderung von Arbeitsbedingungen ebenso wenig wie die Befristung des Arbeitsverhältnisses insgesamt schrankenlos möglich ist. Die Befristung einer Erhöhung der vom Arbeitnehmer geschuldeten Arbeitszeit unterliegt einer Vertragsinhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB. Diese Vertragsinhaltskontrolle wird nach Meinung des BAGs nicht durch die Befristungskontrollregelungen der §§ 14 ff. TzBfG verdrängt, da die Vorschriften des TzBfG eben nur die Befristung des gesamten Arbeitsverhältnisses betreffen und nicht auf die Befristung nur einzelner Arbeitsvertragsbedingungen zur Anwendung gebracht werden könnten (BAG, Urteil vom 23.03.2016, Az. 7 AZR 828/13; BAG, Urteil vom 10.12.2014, Az. 7 AZR 1009/12).

 

Nach § 307 Abs. 1 BGB ist eine Angemessenheitskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorzunehmen. Solche Geschäftsbedingungen werden als unwirksam erachtet, wenn sie den Vertragspartner des „Verwenders“ (Arbeitgebers) entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.

Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts soll jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird, unangemessen sein. Das Gericht fordert eine umfassende Würdigung der beiderseitigen Positionen unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben. Die Interessen des Klauselverwenders (Arbeitgebers) seien gegenüber den Interessen der typischerweise beteiligten Vertragspartner (Arbeitnehmer) abzuwägen. Dabei seien Art und Gegenstand, Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen (BAG, Urteil vom 17.02.2015, Az. 7 AZR 945/13).

 

Damit unterscheidet sich der Rechtmäßigkeitsmaßstab des § 307 Abs. 1 BGB wesentlich von dem des § 14 Abs. 1 TzBfG. § 14 Abs. 1 TzBfG gestattet nämlich eine Befristung des gesamten Arbeitsverhältnisses grundsätzlich nur dann, wenn einer der im Gesetz ausdrücklich benannten Sachgründe oder sonstige gleichwertige Sachgründe tatsächlich vorliegen. Dies geht weit über die oben angesprochene Angemessenheitskontrolle hinaus.

 

In den oben bereits angeführten aktuellen Entscheidungen hat das BAG aber deutlich gemacht, dass der strengere Maßstab des § 14 Abs. 1 TzBfG im Ausnahmefall auch bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Befristung einzelner Arbeitsbedingungen herangezogen werden könne. Dies sei bei der Befristung einer Aufstockung der Arbeitszeit in erheblichem Umfang der Fall. Von einer solchen Aufstockung der Arbeitszeit in erheblichem Umfang will das Bundesarbeitsgericht regelmäßig nur dann ausgehen, wenn sich das Erhöhungsvolumen auf mindestens 25 % eines entsprechenden Vollzeitarbeitsverhältnisses beläuft (BAG, Urteil vom 13.03.2016, Az. 7 AZR 828/13).

Beläuft sich also in einem Betrieb die übliche Vollzeitbeschäftigung auf 40 Stunden pro Woche, käme eine strenge Prüfung der Rechtmäßigkeit der Befristung einer Arbeitszeitverlängerung nach dem Maßstab des § 14 Abs. 1 TzBfG nur dann in Betracht, wenn die Arbeitszeitverlängerung einen Umfang von mindestens 10 Stunden (= 25 %) hat.

 

Soweit die befristete Arbeitszeiterhöhung dieses Volumen nicht erreicht, ist der strengere Prüfungsmaßstab des § 14 Abs. 1 TzBfG regelmäßig bedeutungslos. Sollte aber die Befristung einer Arbeitszeiterhöhung sogar dem strengen Maßstab des § 14 TzBfG standhalten, ist in nahezu allen Fällen davon auszugehen, dass die Befristung der Arbeitszeitverlängerung erst recht „angemessen“ im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB ist. Nur in besonderen Ausnahmefällen soll trotz Vorliegens einer Befristungsrechtfertigung nach § 14 Abs. 1 TzBfG von einer Unangemessenheit der Befristung auszugehen sein (Beispiel bei: BAG, Urteil vom 02.09.2009, Az. 7 AZR 233/08).

 

Fazit:

Hat der Arbeitgeber/Betrieb nur ein vorübergehendes Bedürfnis/Interesse an der Erhöhung der Arbeitszeit eines Arbeitnehmers, ist besonderes Augenmerk auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit einer befristeten Verlängerung der Arbeitszeit zu legen. Treffen die Arbeitsvertragsparteien eine rechtswidrige Befristung Vereinbarung, ist die Befristungsklausel unwirksam, das Arbeitsverhältnis wird dann auf unbestimmte Zeit mit der erhöhten Arbeitszeit fortgesetzt.

 

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