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Arbeitsverhältnis und Lohnforderungen bei Insolvenzantrag des Arbeitgebers – eine Information für Arbeitnehmer

Insolvenzen sind an der Tagesordnung. Regionale Beispiele, z.B. Q-Cells SE, Sovello GmbH, Schlecker, Neckermann, Praktiker AG, Max Bahr, bilden dramatische Fälle. Tritt Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit eines Unternehmens ein, folgt daraufhin regelmäßig ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Unternehmens/Arbeitgebers. Einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann grundsätzlich jeder Gläubiger stellen. Häufig werden die Sozialversicherungsträger (Krankenkassen, Deutsche Rentenversicherung etc.) tätig, soweit hier erhebliche Betragsrückstände zu erzeichnen sind. Auch Arbeitnehmer können einen solchen Antrag für den Fall von Lohnrückständen stellen. Allerdings sollte hier vorab eine sorgfältige Prüfung erfolgen.

 

1. Schicksal des Arbeitsverhältnisses bei Insolvenzantrag vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Der Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers hat zunächst keinerlei Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis. Das Arbeitsverhältnis besteht grundsätzlich fort.

Mit der Antragstellung wird seitens des Insolvenzgerichts im Normalfall ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt. Die Befugnisse des vorläufigen Insolvenzverwalters bestimmen sich nach den Festlegungen des Insolvenzgerichts. Man spricht vom „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter, wenn das Insolvenzgericht dem zahlungsunfähigen Unternehmen ein so genanntes „allgemeines Verfügungsverbot“ auferlegt (§§ 21,22 InsO). In solchen Fällen verliert das Unternehmen schon vor der eigentlichen Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Geschäftsführungs- und Vertretungskompetenz und damit auch die Arbeitgeberstellung. Die Tätigkeit des „starken“ Insolvenzverwalters ist besonderen Haftungsrisiken verbunden. Im Regelfall sehen die Insolvenzgerichte hiervon ab.

Der Normalfall ist der „schwache“ vorläufige Insolvenzverwalter. Dessen Stellung zeichnet sich dadurch aus, dass ihm nicht die allgemeine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis übertragen worden ist. Vielmehr hat sich das Insolvenzgericht hier darauf beschränkt, dem insolventen Unternehmen einen Zustimmungsvorbehalt nach §§ 22 Abs. 2, 21 Abs. 2 Nr. 2 Insolvenzordnung (InsO) aufzuerlegen. Damit bleibt das Unternehmen handlungsfähig und behält Arbeitgeberrechte.

Schließlich ist es möglich, dass das Insolvenzgericht dem vorläufigen Insolvenzverwalter im Bestellungsbeschluss einzelne Befugnisse überträgt, wie z.B. diejenigen des Arbeitgebers.

Die vorliegenden Unterscheidungen haben Auswirkungen auf etwaige Kündigungen sowie auf die Durchsetzbarkeit von Vergütungsforderungen.

Eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses kann grundsätzlich nur von demjenigen ausgesprochen werden, der die Arbeitgeberbefugnisse innehält. Im Regelfall verbleiben diese Befugnisse beim insolventen Unternehmen, aber nur bis zum
Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Die Zahlungsunfähigkeit bzw. der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens als solcher rechtfertigen eine Kündigung grundsätzlich nicht. Der Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) wird nicht ausgehebelt. Auch ist ein Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung zu beteiligen.

Im Ergebnis sollten Arbeitnehmer daher sofort reagieren, wenn sie auch nach Beantragung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses erhalten!

 

2. Kündigung des Arbeitsverhältnisses nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Gemäß § 108 Abs. 1 InsO bestehen Arbeitsverhältnisse auch bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens fort. Damit ist sichergestellt, dass keine automatische Beendigung eintritt.

Der ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens allein zuständige Insolvenzverwalter kann das Arbeitsverhältnis kündigen. Allerdings kommen ihm hier bei der Begründung der Kündigung keinerlei Erleichterungen zugute. Auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens besteht der Kündigungsschutz nach dem KSchG weiter, Betriebsratsrechte bleiben erhalten. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass
Kündigungsschutzklagen auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens häufig sehr gute Aussichten auf Erfolg haben!

Eine wichtige Besonderheit findet sich allerdings bei der Bestimmung der maßgeblichen Kündigungsfrist. Nach § 113 InsO kann der Insolvenzverwalter das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von 3 Monaten zum Monatsende kündigen, sofern nicht außerhalb des Insolvenzverfahrens eine kürzere Kündigungsfrist maßgeblich ist.

Diese gesetzliche Regelung bewirkt lediglich eine Verkürzung der einzuhaltenden Kündigungsfrist. Der Schutz vor Kündigungen wird ansonsten nicht berührt bzw. geschmälert.

 

3. Lohnansprüche aus der Zeit vor Insolvenzverfahrenseröffnung

Es gilt der Grundsatz, dass Lohnansprüche/Gehaltsansprüche aus der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Insolvenzforderungen zu betrachten sind. Derlei Insolvenzforderungen sind zur Insolvenztabelle anzumelden. Der Insolvenzverwalter prüft dann die Berechtigung der Ansprüche.

Insolvenzforderungen sind von so genannten „Masseforderungen“ abzugrenzen. Im Insolvenzverfahren werden Masseforderungen vorrangig erfüllt, derlei Forderungen müssen nicht zur Insolvenztabelle angemeldet werden. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass Insolvenzforderungen die geringste Sicherheit aufweisen und regelmäßig nur mit einer geringen Quote erfüllt werden.

Besondere Schutzmechanismen gelten für so genannte Wertguthaben im Rahmen flexibler Arbeitszeitregelungen.

Hat das Insolvenzgericht aber einen „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und nimmt dieser die Arbeitsleistung von Arbeitnehmern weiterhin in Anspruch, entstehen nach § 55 Abs. 2 InsO bevorrechtigte Masseverbindlichkeiten. Wer also vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens unter der Bestellung eines starken Insolvenzverwalters weiterarbeitet, erwirbt bevorrechtigte Lohn-/Gehaltsansprüche!

Allerdings sind solche Ansprüche nur dann als Masseverbindlichkeiten zu behandeln, wenn es tatsächlich zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens kommt. Wird das Insolvenzverfahren widererwarten nicht eröffnet, hat der vorläufige Insolvenzverwalter die entstandenen Forderungen nach § 25 Abs. 2 InsO zu „berichtigen“, d.h. zu erfüllen.

 

4. Lohn-/Gehaltsansprüche aus der Zeit nach Insolvenzverfahrenseröffnung

Vergütungsansprüche nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind bevorrechtigte Masseforderungen. Sie müssen nicht zur Insolvenztabelle angemeldet werden. Der Insolvenzverwalter kann auf Erfüllung klageweise in Anspruch genommen werden.

Besonderheiten gelten für das so genannte „Insolvenzplanverfahren“. Dieses beinhaltet die Zielsetzung, einen Plan zur Fortführung des Unternehmens sowie zur anteiligen Befriedigung offen stehender Forderungen aufzustellen. Dies kann nur unter Beteiligung der jeweiligen Gläubiger (z.B. Arbeitnehmer) erfolgen. Gläubiger können ihre Forderungen aus einem rechtskräftig bestätigten Insolvenzplan in Verbindung mit der Eintragung in die Insolvenztabelle vollstrecken (§ 257 Abs. 1 InsO).

 

5. Insolvenzgeld und Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers

Arbeitnehmer können für einen Zeitraum von 3 Monaten Insolvenzgeld beantragen. Dieses wird von der Bundesagentur für Arbeit gewährt und sichert den gesamten Vergütungsanspruch für den 3-Monats-Zeitraum ab. Insolvenzgeld wird für die letzten 3 Monate des Arbeitsverhältnisses vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bewilligt (§ 183 Abs. 1 SGB III).

Besteht das Arbeitsverhältnis also über den Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens fort, wird Insolvenzgeld für die letzten 3 Monate vor Verfahrenseröffnung gezahlt. Endet ein  Arbeitsverhältnis bereits vorher, kann Insolvenzgeld für die letzten 3 Monate des Arbeitsverhältnisses verlangt werden. Allgemeine Voraussetzung für die Bewilligung von Insolvenzgeld ist aber, dass das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers später tatsächlich eröffnet wird oder der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgewiesen wird. Des Weiteren kommt Insolvenzgeld in Betracht, wenn eine vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit erfolgt ist.

Nach Auslaufen der Insolvenzgeldzahlungen besteht der Anspruch auf Zahlung der Arbeitsvergütung gegen den Arbeitgeber/den Insolvenzverwalter. Kann dieser nicht zahlen, sollten Vergütungsansprüche umgehend angemahnt oder in sonstiger Weise geltend gemacht werden. Darüber hinaus können die Arbeitnehmer androhen, ihre Arbeitsleistung solange einzustellen, bis Gehaltszahlungen erfolgen.
Bleibt eine solche Androhung erfolglos, kann die Arbeitskraft zurückgehalten werden. Das Fernbleiben der Arbeit hat dann nicht zur Folge, dass Vergütungsansprüche entfallen. Vielmehr ist der Arbeitgeber/Insolvenzverwalter auch in solchen Fällen verpflichtet, die Arbeitsvergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs weiter zu zahlen.

Die Voraussetzungen für die Androhung der Einstellung der Arbeitskraft sowie die Ausübung eines so genannten Zurückbehaltungsrechts sollten aber stets im Einzelfall geprüft werden.

Arbeitnehmer sind davor zu warnen, die Arbeit ohne weiteres auch bei nichterfolgter Weiterzahlung der Vergütung fortzusetzen. In derartigen Fällen besteht nämlich kein Anspruch auf Arbeitslosengeld. Macht der Arbeitnehmer allerdings vom Zurückbehaltungsrecht an der Arbeitsleistung in berechtigterweise Gebrauch, kommen Arbeitslosengeldansprüche in Betracht.

Des Weiteren sind Ansprüche auf Leistungen zum Bestreiten des Lebensunterhalts denkbar. Hierzu bedarf es aber im Einzelfall ausführlicher Prüfungen und Beratung.

 

Zu weiteren Einzelheiten beraten wir Sie gerne.