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Zutritt von betriebsfremden Gewerkschaftsbeauftragten zum Betrieb – Voraussetzungen und Grenzen

Arbeitgeber und Gewerkschaften sind gleichsam „natürliche“ Gegenspieler. Daher verwundert es nicht, dass Arbeitgeber/ Betriebsinhaber regelmäßig nur sehr geringe Interessen daran haben, Gewerkschaften den Zutritt zum Betrieb zu gestatten. Allerdings sind die Rechtspositionen der Gewerkschaften in dieser Frage vergleichsweise stark:

1. Ist in einem Betrieb ein Betriebsrat gewählt, folgen Zutritts- und Betätigungsrechte von Gewerkschaften aus dem Betriebsverfassungsgesetz selbst. Nach § 2 Abs. 2 BetrVG ist den Beauftragten der im Betrieb vertretenen Gewerkschaften nach Unterrichtung des Arbeitgebers oder seines Vertreters Zugang zum Betrieb zu gewähren, soweit dies zur Wahrnehmung der im Betriebsverfassungsgesetz genannten Aufgaben und Befugnisse erforderlich ist und dem Zutritt nicht unumgängliche Notwendigkeiten des Betriebsablaufs, zwingende Sicherheitsvorschriften oder der Schutz von Betriebsgeheimnissen entgegenstehen.

Das Betriebsverfassungsgesetz räumt den Gewerkschaften ausdrücklich zahlreiche Initiativ-, Teilnahme-, Beratungs-, und Kontrollrechte ein. So obliegt den Gewerkschaften nach § 2 Abs. 1 BetrVG eine allgemeine Unterstützungspflicht. Umfangreiche Rechtspositionen bestehen für die Gewerkschaften im Rahmen der Betriebsratswahl. Nach § 43 Abs. 4 BetrVG muss der Betriebsrat auf Antrag einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft unter den weiteren gesetzlichen Voraussetzungen eine Betriebsversammlung einberufen. Diese Aufzählung ist nicht abschließend. Aus der Vielzahl der den Gewerkschaften in der Betriebsverfassung zugewiesenen Aufgaben ergeben sich daher entsprechend vielgestaltige Zutrittsrechte.

2. Besteht im Betrieb kein Betriebsrat, kommt Gewerkschaften das Recht zu, Betriebe sogar zum Zwecke der Mitgliederwerbung zu betreten. Dies hat das Bundesarbeitsgericht in einem Urteil vom 22.06.2010 festgestellt. Ein betriebliches Zutrittsrecht der Gewerkschaften zur Mitgliederwerbung während der Pausenzeiten folge nach Auffassung des BAG aus Art. 9 Abs. 3 GG und der darin garantierten Koalitionsbetätigungsfreiheit. Dabei macht das Gericht aber deutlich, dass diese Freiheit mit dem durch Art. 13, Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Haus- und Eigentumsrecht und der aus Art. 12 Abs. 1 GG folgenden wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit des Arbeitgebers kollidieren könne. Daher sei stets eine Abwägung der Gewerkschafts- sowie der Arbeitgeberinteressen vorzunehmen. Auf Seiten des Arbeitgebers sei der organisatorische Aufwand, der im Einzelfall unter Berücksichtigung von Sicherheits- und Geheimhaltungsinteressen betrieben werden muss, um Störungen des Betriebsfriedens und des Betriebsablaufs zu verhindern, zu berücksichtigen. Betrete die Gewerkschaft den Betrieb allenfalls einmal im Kalenderhalbjahr und erfolge eine ausreichende Ankündigung des Besuchs, seien die Arbeitge-berinteressen aber regelmäßig gewahrt (BAG, Urteil vom 22.06.2010, Az.: 1 AZR 179/09).

Das Bundesarbeitsgericht legt Arbeitgebern und Gewerkschaften in dieser Entscheidung die Verpflichtung auf, im Einzelfall eine sorgfältige Abwägungsentscheidung zu treffen. Im Streitfalle kann der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten beschritten werden.