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Verletzung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats und Vertragsstrafenversprechen zugunsten des Betriebsrats oder Dritter, finanzielle Zuwendung an Arbeitnehmer – Welche Regelungsgrenzen haben Arbeitgeber und Betriebsrat zu beachten?

Verletzungen von Mitbestimmungsrechten nach dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) haben für den Arbeitgeber häufig schwerwiegende Folgen. Tiefgreifende Reaktionsmöglichkeiten des Betriebsrats sind im Betriebsverfassungsgesetz normiert. Der Betriebsrat kann in vielen Fällen die Unterlassung mitbestimmungswidriger Maßnahmen verlangen und dies auch arbeitsgerichtlich durchsetzen. Von herausgehobener Bedeutung ist die Befugnis des Betriebsrats nach § 23 Abs. 3 BetrVG. Der Betriebsrat oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft können danach bei groben Verstößen des Arbeitgebers gegen seine Verpflichtungen aus dem BetrVG beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, eine Handlung zu unterlassen, die Vornahme einer Handlung zu dulden oder eine Handlung vorzunehmen. Handelt der Arbeitgeber der ihm durch rechtskräftige gerichtliche Entscheidung auferlegten Verpflichtung zuwider, eine Handlung zu unterlassen oder die Vornahme einer Handlung zu dulden, so ist er auf Antrag vom Arbeitsgericht wegen einer jeden Zuwiderhandlung nach vorheriger Androhung zu einem Ordnungsgeld zu verurteilen!

Führt der Arbeitgeber die ihm durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung auferlegte Handlung nicht durch, verhängt das Arbeitsgericht regelmäßig ein Zwangsgeld. Ordnungs- und Zwangsgeld können im Einzelfall bis zu 10.000,00 EUR betragen. Dabei droht eine solche Verhängung von Ordnungs-/Zwangsgeld für jede einzelne mitbestimmungswidrige Maßnahme. Verletzt der Arbeitgeber so zum Beispiel über Monate hinweg das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG bei der Aufstellung von Dienstplänen, führt der Arbeitgeber diese Dienstpläne dennoch mitbestimmungswidrig gegenüber einer Vielzahl von Arbeitnehmern und über einen längeren Zeitraum durch, kommt die Verhängung eines Ordnungsgeldes für jeden einzelnen Verstoß in Betracht. Schnell werden hier Ordnungsgelder in Millionenhöhe erreicht!

Das Verfahren nach § 23 Abs. 3 BetrVG ist zweistufig aufgebaut. Das Verfahren unterteilt sich in das sogenannte „Erkenntnisverfahren“ und das nachfolgende „Vollstreckungsverfahren“. Das Erkenntnisverfahren zielt auf die arbeitsgerichtliche Verpflichtung des Arbeitgebers zur Unterlassung, Vornahme oder Duldung einer Handlung. Handelt der Arbeitgeber dem dann erneut zuwider, droht die Vollstreckung im Vollstreckungsverfahren.

Der Sache nach erteilt das Arbeitsgericht dem Arbeitgeber im Erkenntnisverfahren die „gelbe Karte“; Zwangs- oder Ordnungsgelder fallen zunächst noch nicht an. Die „rote Karte“ folgt dann im Vollstreckungsverfahren.

Viele Betriebsräte haben Überlegungen angestellt, wie im Wege einer Vereinbarung wirksame Vorsorge gegen zukünftige Verletzungen von Mitbestimmungsrechten ohne Erfordernis des zweistufigen Verfahrens nach § 23 Abs. 3 BetrVG erfolgen kann. Zum Teil fanden sich Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat über Vertragsstrafenversprechen: Der Arbeitgeber hatte sich gegenüber dem Betriebsrat verpflichtet, für den Fall der Verletzung von Mitbestimmungsrechten einen bestimmten Geldbetrag an den Betriebsrat, an einen „Betriebsratsfonds“ oder an Dritte (z. B. gemeinnützige Hilfsorganisationen) zu zahlen.

Davon abzugrenzen sind Regelungen in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren nach § 23 Abs. 3 BetrVG, nach denen sich der Arbeitgeber verpflichtet, vor dem Hintergrund betriebsratsseitig geltend gemachter Verletzungen von Mitbestimmungsrechten zur Erledigung des Verfahrens (finanzielle) Zuwendungen an Arbeitnehmer zu leisten.

Nachstehend soll die Frage der Rechtmäßigkeit derlei Vereinbarungen beleuchtet werden:

 

1. Gesetzliche Ausgangslage

Vertragsstrafenversprechen sind im Zivilrecht an der Tagesordnung. Die von einer (rechtsfähigen) Partei übernommene Verpflichtung zur Zahlung einer Vertragsstrafe an die andere Partei der getroffenen Vereinbarung findet sich auch im Arbeitsrecht gehäuft, so in zahlreichen Arbeitsverträgen. Darin verpflichten sich zum Beispiel Arbeitnehmer zur Zahlung einer Geldstrafe an den Arbeitgeber, wenn sie pflichtwidrig das Arbeitsverhältnis nicht antreten, dieses vorzeitig beenden, gegen ein Wettbewerbsverbot verstoßen o.ä..

Ein wirksames Vertragsstrafenversprechen kann aber nur eine soweit rechtsfähige Partei abgeben.

Fraglich ist, welche Rechtsfähigkeit bzw. Vermögensfähigkeit der Betriebsrat besitzt. Nach Auffassung von Bundesarbeitsgericht und Bundesgerichtshof besitzt der Betriebsrat keine generelle Rechts- und Vermögensfähigkeit. Daher soll er auch nicht wie andere Personenvereinigungen oder juristische Personen am allgemeinen Rechtsverkehr teilnehmen können. Ihm wird aber die Fähigkeit, Inhaber vermögensmäßiger Rechtspositionen zu sein, soweit zugesprochen, wie er innerhalb des ihm vom Betriebsverfassungsgesetz zugewiesenen Wirkungskreis tätig wird (BAG, Beschluss vom 29.09.2004, Az. 1 ABR 30/03; BGH, Urteil vom 25.10.2012, Az. III ZR 266/11).

 

2. Vertragsstrafenversprechen zugunsten des Betriebsrats

Die beschränkte Rechtsfähigkeit und Vermögensfähigkeit verbietet es dem Betriebsrat, wirksame Vertragsstrafenversprechen zu eigenen Gunsten mit dem Arbeitgeber zu treffen. Dies hat das Bundesarbeitsgericht in mehreren Entscheidungen festgestellt. Das BAG hatte judiziert, eine zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat getroffene Vereinbarung über eine vom Arbeitgeber an den Betriebsrat zu zahlende Vertragsstrafe sei unwirksam. Der Betriebsrat sei insoweit nicht rechtsfähig. Eine solche Vereinbarung liege außerhalb seines gesetzlichen Wirkungskreises. Auch für den Fall der Verletzung von Mitbestimmungsrechten sehe das Betriebsverfassungsgesetz keine vermögensrechtlichen Ansprüche des Betriebsrats vor (BAG, Beschluss vom 29.09.2004, Az. 1 ABR 30/03).

In diesem Zusammenhang wird ferner erwogen, dass Vertragsstrafenversprechen zugunsten des Betriebsrats auch deshalb unzulässig und darauf gerichtete Vereinbarungen unwirksam sind, weil sie die Unabhängigkeit des Betriebsrats und den Grundsatz der Unentgeltlichkeit des Ehrenamts entsprechend § 37 Abs. 1 BetrVG verletzen könnten.

 

3. Zahlung einer Vertragsstrafe an einen Betriebsratsfonds?

Das Bundesarbeitsgericht hatte sich in der angeführten Entscheidung vom 29.09.2004 mit der Frage zu befassen, ob Arbeitgeber und Betriebsrat eine wirksame Vereinbarung darüber treffen können, dass eine etwaige Vertragsstrafe des Arbeitgebers an einen „Dispositionsfonds zur Erfüllung der betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben“ gezahlt wird. Auch hier urteilte das Gericht, dass eine solche Verpflichtung unwirksam ist. Das Gericht befasste sich nicht mit der grundlegenden Frage, ob die Einrichtung eines solchen Fonds überhaupt zulässig ist. Nach Meinung des BAG würde ein Anspruch des Betriebsrats auf Zahlung von Vertragsstrafen an einen ihm zur Verfügung stehenden Fonds ebenfalls zu einer vermögensrechtlichen Position führen, die außerhalb seines gesetzlichen Wirkungskreises läge und zu deren Begründung er keine Rechtsfähigkeit besitze.

 

4. Vertragsstrafe zugunsten Dritter

Eine weitere „Spielart“ von Vertragsstrafenversprechen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat findet sich darin, dass sich der Arbeitgeber verpflichtet, bei Verletzung von Mitbestimmungsrechten Zahlungen an außenstehende Dritte zu leisten, so zum Beispiel an gemeinnützige Hilfsorganisationen. Insoweit würde keine Besserstellung des Betriebsrats oder eines die Betriebsratsarbeit fördernden Fonds erfolgen.

Auch hier hat das Bundesarbeitsgericht die Unwirksamkeit einer Regelung festgestellt. Das BAG hatte über eine vom Arbeitgeber in einem arbeitsgerichtlichen Vergleich eingegangene Verpflichtung gegenüber dem Betriebsrat zur Zahlung einer Vertragsstrafe an eine gemeinnützige Organisation zu entscheiden. Unter Bezugnahme auf die eigene ständige Rechtsprechung führte das BAG auch hier aus, der Wirksamkeit eines Vertragsstrafenversprechens zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zugunsten Dritter stehe die eingeschränkte Rechts- und Vermögensfähigkeit des Betriebsrats entgegen. Ferner argumentierte das Gericht, der Betriebsrat habe nach dem Betriebsverfassungsgesetz die Aufgabe, auf die Einhaltung der betriebsverfassungsrechtlichen Ordnung hinzuwirken. Zur Erreichung dieser „Ordnung“ könne der Betriebsrat Unterlassungs- und Leistungsansprüche gegen den Arbeitgeber geltend machen, diese müssten aber auf die Wiederherstellung der gestörten Ordnung gerichtet sein. Ein Vertragsstrafenversprechen ziele aber nicht auf die Wiederherstellung eines betriebsverfassungsgemäßen Zustands, habe vielmehr reinen Strafcharakter.

Es bestehe nach Auffassung des Gerichts darüber hinaus die Gefahr, dass sich der Betriebsrat bei einem mitbestimmungswidrigen Verhalten des Arbeitgebers mit der Geltendmachung der Vertragsstrafe begnüge und von der Einleitung eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens zur Beseitigung des betriebsverfassungswidrigen Zustands und Wiederherstellung der betriebsverfassungsgemäßen Ordnung absehe. Da darüber hinaus eine Vertragsstrafe nicht an die Staatskasse, vielmehr einen Dritten fließe, könne im Einzelfall der Eindruck entstehen, der Betriebsrat mache die Wahrnehmung eines Beteiligungsrechts von sachfremden Erwägungen abhängig. Dies gefährde die äußere Unabhängigkeit der Amtsführung des Betriebsrats (BAG, Beschluss vom 19.01.2010, Az. 1 ABR 62/08).

 

5. Verpflichtung des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat zur Bewirkung von Leistungen an Arbeitnehmer wegen Verletzung von Mitbestimmungsrechten

Zum Teil werden im arbeitsgerichtlichen Verfahren über die Frage von betriebsverfassungsrechtlichen Pflichtverletzungen des Arbeitgebers Einigungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat getroffen, die die Verpflichtung des Arbeitgebers beinhalten, im Rahmen der Erledigung des Verfahrens Leistungen an Arbeitnehmer zu bewirken. Solche Vereinbarungen dürften die vom BAG angesprochene Unabhängigkeit des Betriebsrats nicht gefährden. Auch dürfte die Verpflichtung zur Zahlung von Geldbeträgen an Arbeitnehmer oder die Bewirkung sonstiger Leistungen darauf abzielen, die betriebsverfassungsrechtliche Ordnung wiederherzustellen. Die Zahlungsverpflichtung wird den Arbeitgeber regelmäßig motivieren, sich zukünftig betriebsverfassungsgerecht zu verhalten, es droht auch kein „Abkaufen“ von Mitbestimmungsrechten zugunsten Außenstehender.

Allerdings besteht hier keine abschließende Klarstellung durch die Arbeitsgerichte.

 

6. Fazit

Treffen Arbeitgeber und Betriebsrat vor dem Hintergrund vermeintlicher arbeitgeberseitiger Verletzungen von Rechten aus dem Betriebsverfassungsgesetz Vereinbarungen, ist bei deren Ausgestaltung Vorsicht geboten. Sowohl Arbeitgeber als auch Betriebsrat werden besonderes Augenmerk auf die konkrete Ausgestaltung derlei Vereinbarungen richten müssen, um der Gefahr der Unwirksamkeit solcher Regelungen und der damit verbundenen Folgen zu entgehen.

Auch in diesem komplexen Regelungsbereich unterstützen wir Sie gerne.