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Veränderungen der Betriebsgröße innerhalb der Wahlperiode – Welche Auswirkungen ergeben sich für den Betriebsrat?

 

1. Wahl des Betriebsrats

In Betrieben mit in der Regel mindestens fünf ständig wahlberechtigten Arbeitnehmern, von denen mindestens drei Arbeitnehmer wählbar sind, werden nach § 1 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) Betriebsräte gewählt. Die regelmäßige Amtszeit der Betriebsräte beträgt vier Jahre (§ 21 Satz 1 BetrVG). Die regelmäßigen Betriebsratswahlen finden alle vier Jahre in der Zeit vom 01. März bis 31. Mai statt. Das Betriebsverfassungsgesetz sieht vor, dass die Neuwahlen in sämtlichen Betrieben grundsätzlich in demselben Jahr stattfinden. Mit der aufgrund der Betriebsverfassungsgesetz-Novelle vom 20.12.1988 erfolgten Verlängerung der Amtszeit von drei auf vier Jahre wurde gleichfalls bestimmt, dass der gesetzliche Vier-Jahres-Rhythmus für Neuwahlen 1990 beginnt. Gesetzliche Wahlen haben daher in 2014, 2018, 2022 usw. stattzufinden.

 

2. Einfluss der Betriebsgröße auf die Stellung des Betriebsrats

Zunächst bestimmt sich die Größe des Betriebsrats nach der Größe des Betriebes. Letztere wiederum wird anhand der „in der Regel“ beschäftigten Arbeitnehmer bestimmt:

Gemäß § 9 BetrVG besteht der Betriebsrat in Betrieben mit in der Regel 5 bis 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern aus einer Person. Das Gesetz beinhaltet eine Staffelung der Betriebsgröße und der davon abhängigen Größe des Betriebsrats. So werden in Betrieben mit in der Regel 21 bis 50 wahlberechtigten Arbeitnehmern dreiköpfige Betriebsräte gewählt. Das Gesetz sieht stets eine ungerade Anzahl von Betriebsratsmitgliedern vor. In Betrieben mit zum Beispiel 1.501 bis 2.000 Arbeitnehmern besteht der Betriebsrat aus 17 Mitgliedern.

Die Anzahl der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer ist ferner für den Umfang etwaiger Freistellungen von Betriebsratsmitgliedern von Bedeutung. Nach § 38 Abs. 1 BetrVG sind in größeren Betrieben Freistellungen von Betriebsratsmitgliedern von der beruflichen Tätigkeit vorzunehmen. Die Vollfreistellung nach § 38 BetrVG bewirkt, dass das freigestellte Betriebsratsmitglied nicht mehr am Arbeitsplatz arbeitet, sich vielmehr für die Dauer der Freistellung ausschließlich um Betriebsratsbelange kümmert. Damit entstehen gleichsam „hauptamtliche“ Betriebsratsmitglieder.

In Betrieben mit in der Regel 200 bis 500 Arbeitnehmern ist mindestens ein Betriebsratsmitglied von der Arbeit freizustellen. Auch hier enthält das Gesetz eine Staffelung der Betriebsratsgröße, anhand derer die Anzahl der mindestens freizustellenden Betriebsratsmitglieder zu bemessen ist.

Wie der Gesetzeswortlaut deutlich zum Ausdruck bringt, ist die Anzahl der „in der Regel“ tätigen Arbeitnehmer maßgebend. Entscheidend kommt es auf den Zeitpunkt des Erlasses des Wahlausschreibens für die bevorstehende Betriebsratswahl an (BAG, Beschluss vom 16.04.2003, Az. 7 ABR 53/02).

Der Wahlvorstand hat bei der Bestimmung der Anzahl der regelmäßig im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer nicht nur auf den zufällig zum Zeitpunkt des Wahlausschreibens bestehenden Personalbestand abzustellen, vielmehr sind Entwicklungen in der Vergangenheit ebenso zu berücksichtigen wie etwaige Entscheidungen des Arbeitgebers über Personalentwicklungen in der Zukunft.

 

3. Neuwahl des Betriebsrats bei Veränderung der Personalstärke

Die Anzahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder ist anhand der Belegschaftsstärke zum Zeitpunkt des Erlasses des Wahlausschreibens zu bestimmen (s. o.). Eine nach der Wahl eintretende Änderung der Arbeitnehmerzahl hat auf die Größe des Betriebsrats keine Auswirkung!

Ein Sonderfall gilt nach § 13 BetrVG für den Fall, dass sich die Anzahl der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Ablaufs von 24 Monaten, vom Tag der Betriebsratswahl an gerechnet, um die Hälfte, mindestens aber um 50, gesteigert oder reduziert hat. Maßgeblich ist ausschließlich der Tag, der 24 Monate nach der Betriebsratswahl liegt. Frühere oder spätere Veränderungen der Arbeitnehmerzahl sind unbeachtlich.

Sollte 24 Monate nach der Wahl im Betrieb eine Erhöhung oder Absenkung der Arbeitnehmerzahl um mindestens 50 % stattgefunden haben, kann betriebsratsseitig eine Neuwahl initiiert werden. Die Anzahl der dann zu wählenden Betriebsratsmitglieder orientiert sich an der Betriebsgröße zum Zeitpunkt dieser Neuwahl. Es kann daher geschehen, dass sich aufgrund einer solchen „irregulären“ Wahl innerhalb der ursprünglichen Wahlperiode von vier Jahren ein neuer und größerer Betriebsrat bildet!

Für den Fall, dass eine Neuwahl aufgrund veränderter Mitarbeiterzahl erforderlich  wird, ist der Betriebsrat verpflichtet, unverzüglich einen Wahlvorstand für die Neuwahl zu bestellen. Unterbleibt eine solche Neuwahl, bleibt der Betriebsrat in der bisherigen Stärke bestehen. Er kann auch nicht einseitig weitere Ersatzmitglieder als ständige Betriebsratsmitglieder bis zur Aufstockung auf die aus seiner Sicht nun zutreffende Größe heranziehen.

Ein gegebenenfalls nach § 13 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG neugewählter Betriebsrat bliebe aber grundsätzlich nur bis zum Zeitpunkt der nächsten regulären Wahl im Amt. Findet also zum Beispiel in 2016 eine Neuwahl des Betriebsrats wegen veränderter Betriebsgröße statt, ist im Zeitraum 01.03.2018 bis 31.05.2018 eine abermalige Neuwahl durchzuführen.

Unterlässt der Betriebsrat in Fällen einer erforderlichen Neuwahl die unverzügliche Bestellung eines Wahlvorstands, ist von einer groben Pflichtverletzung gemäß § 23 Abs. 1 BetrVG auszugehen. Auf entsprechendes Betreiben des Arbeitgebers kann ein Wahlvorstand auch durch das Arbeitsgericht bestellt werden!

 

4. Änderung der Anzahl freizustellender Betriebsratsmitglieder innerhalb der Wahlperiode

Verändert sich die Betriebsgröße innerhalb der Wahlperiode in der Weise, dass auf der Grundlage der Staffelung in § 38 Abs. 1 BetrVG eine Veränderung der Anzahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder zu erfolgen hat, gelten andere Regelungen als für die Wahl des Betriebsrats insgesamt. Nach allgemeiner Auffassung kommt eine Erhöhung der Freistellungsquote auch dann in Betracht, wenn sich in der laufenden Wahlperiode eine entsprechende Erhöhung der Anzahl der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer ergibt. Umgekehrt soll das Bedürfnis für eine Freistellung eines Betriebsratsmitglieds oder mehrerer Betriebsratsmitglieder wieder entfallen, wenn in der laufenden Wahlperiode eine Absenkung der Anzahl der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer stattfindet. Derlei Veränderungen können theoretisch mehrmals innerhalb einer Wahlperiode erfolgen. Das BetrVG sieht nicht vor, dass lediglich nach Ablauf der hälftigen Amtszeit oder zu einem sonstigen feststehenden Zeitpunkt eine Überprüfung der Anzahl freigestellter Betriebsratsmitglieder erfolgen kann.