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Sind Beschlüsse des Arbeitsgerichts im Beschlussverfahren (vorläufig) vollstreckbar? – Arbeitsgerichtsbarkeit führt Klarstellung herbei:

Das Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) unterscheidet zwischen dem so genannten Urteilsverfahren und dem Beschlussverfahren. Die Arbeitsgerichte entscheiden nach § 2 ArbGG im Urteilsverfahren z.B. dann, wenn es um bürgerliche Rechtstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis, über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses, aus Verhandlungen über die Eingehung eines Arbeitsverhältnisses und aus dessen Nachwirkungen usw. geht. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Urteilsverfahren nahezu durchgängig in individualrechtlichen Streitigkeiten zur Anwendung gelangt.

Das Beschlussverfahren entsprechend § 2 a ArbGG ist unter anderem zu betreiben, wenn kollektivrechtliche Streitigkeiten bestehen, so z.B. zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat auf der Grundlage des Betriebserfassungsgesetzes (BetrVG).

Statistisch betrachtet werden die meisten Verfahren bei den Arbeitsgerichten im Urteilsverfahren anhängig gemacht und entschieden. Auf das Urteilsverfahren entfallen bei den Arbeitsgerichten ca. 97 % der Streitigkeiten, lediglich ca. 3 % der anhängig gemachten Rechtsstreitigkeiten sind dem Beschlussverfahren zuzuordnen.

Das Arbeitsgerichtsgesetz sowie die von diesem Gesetz in Bezug genommene Zivilprozessordnung (ZPO) treffen dezidierte Regelungen zur Vollstreckbarkeit arbeitsgerichtlicher Urteile. Fraglich ist, welche Regelungen im Beschlussverfahren gelten:

 

1.

Beschlüsse, welche im Arbeitsgerichtsverfahren zu einer Leistung verurteilen, können gemäß § 85 Abs. 1 S. 1 ArbGG vollstreckt werden. Gemäß § 85 Abs. 1 S. 2 ArbGG sind Beschlüsse in vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch vorläufig vollstreckbar. Das bedeutet, dass aus ihnen schon vor Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses vollstreckt werden kann. Der Gläubiger einer Forderung kann also schon nach Vorliegen eines erstinstanzlichen Beschlusses vollstrecken, auch wenn der Schuldner den Beschluss des Arbeitsgerichts noch mit der Beschwerde angreifen kann!

Das Bundesarbeitsgericht hat den Begriff der vermögensrechtlichen Streitigkeit näher definiert. Eine solche Streitigkeit sieht das BAG dann als gegeben an, wenn sie auf Geld oder Geldwerte geht oder der Streitgegenstand auf einem vermögensrechtlichen Rechtsverhältnis beruht, dass auf Gewinn in Geld oder geldwerten Gegenständen gerichtet ist, ohne Rücksicht darauf, ob der prozessuale Anspruch auf eine Leistung, Feststellung oder Gestaltung gerichtet ist, die nicht in Geld oder Geldwert besteht (BAG, Beschluss vom 24.03.1980, Az: 6 AZB 1/80).

Für die Praxis bedeutet dies, dass vermögensrechtliche Streitigkeiten in Beschlussverfahren regelmäßig nur dann gegeben sind, wenn es um die arbeitgeberseitige Erstattung von Kosten und Sachmitteln für die Betriebsratstätigkeit oder Wahlkosten geht (vgl. auch LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.07.2012, Az: 10 Ta 1367/12).

Die vorläufige Vollsteckbarkeit von arbeitsrechtlichen Beschlüssen liegt auch dann vor, wenn in der Beschlussformel bzw. in der Tenorierung keine Erklärung über die vorläufige Vollstreckbarkeit erfolgt ist. Auch wenn § 85 ArbGG auf das VIII. Buch der ZPO, mithin auf § 704 ZPO verweist, hat der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit im Beschluss nur deklaratorische Wirkung, da die Beschlüsse gemäß § 85 Abs. 1 S. 2 ArbGG entgegen § 704 ZPO von Gesetzes wegen vorläufig vollstreckbar sind.

Dies gilt auch dann, wenn aus der Beschlussformel bzw. aus dem Tenor zur Hauptsache nicht immer ersichtlich ist, ob die Entscheidung in einer vermögensrechtlichen Streitigkeit ergangen ist.

 

2.

Im Ergebnis ist somit festzuhalten, dass Beschlüsse im Arbeitsgerichtsverfahren in vermögensrechtlichen Streitigkeiten vorläufig vollstreckbar sind. Gläubiger müssen also in solchen Verfahren stets damit rechnen, dass auch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ergriffen werden, die ihrerseits Kosten auslösen.

 

Achtung: Die vorläufige Vollstreckbarkeit kann gemäß § 62 Abs. 1 S. 2 und 3 ArbGG ausgeschlossen werden, wenn der am Beschlussverfahren Beteiligte vor Gericht glaubhaft machen kann, dass er durch die Vollstreckung einen nicht ersetzbaren Nachteil erleiden würde. Die Hürden, die die Arbeitsgerichte insoweit aufrichten, sind aber vergleichsweise hoch.

In den vorstehenden Fragestellungen beraten wir sie selbstverständlich gerne.