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Rechtsverletzungen durch den Betriebsrat – Bundesarbeitsgericht schränkt Rechtsschutzmöglichkeiten von Arbeitgebern ein

Betriebsräte haben Rechte und Pflichten. Die Amtsausübung hat sich im Rahmen der Vorgaben des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) zu halten. Daher dürfen Betriebsräte z.B. nur in der gesetzlich vorgesehenen Weise Betriebsratssitzungen durchführen, Betriebsversammlungen einberufen, Beschlüsse fassen etc. Zum Teil finden sich explizite Verbote für Betriebsratsmitglieder. Nach § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG sind Maßnahmen des Arbeitskampfes zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat unzulässig. Ferner haben Arbeitgeber und Betriebsrat Betätigungen zu unterlassen, durch die der Arbeitsablauf oder der Friede des Betriebs beeinträchtigt werden. Auch parteipolitische Betätigung ist Arbeitgeber und Betriebsrat untersagt (§ 74 Abs. 2 Satz 3 BetrVG).

Was aber gilt, wenn Ge- und Verbote vom Betriebsrat nicht beachtet werden? Hier ist die Frage von Rechtsschutzmöglichkeiten des Arbeitgebers tangiert.

 

1. Auflösung des Betriebsrats/Ausschluss von Betriebsratsmitgliedern

Der Gesetzgeber hat Sanktionsmöglichkeiten gegen den Betriebsrat und seine Mitglieder ausdrücklich in § 23 BetrVG normiert. Gem.  § 23 Abs. 1 BetrVG kann beim Arbeitsgericht der Ausschluss eines Mitglieds aus dem Betriebsrat oder gar die Auflösung des Betriebsrats beantragt werden. Antragsberechtigt sind

– mindestens ¼ der wahlberechtigten Arbeitnehmer,

– der Arbeitgeber,

– eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft.

Der Ausschluss eines Mitglieds des Betriebsrats aus dem Gremium kann auch vom Betriebsrat selbst beantragt und arbeitsgerichtlich betrieben werden (§ 23 Abs. 1 Satz 2 BetrVG).

Der Ausschluss von Betriebsratsmitgliedern bzw. die Auflösung des gesamten Gremiums kommt nur unter der Voraussetzung grober Verletzung der gesetzlichen Pflichten von Betriebsratsmitgliedern/des Betriebsrats in Betracht.

Einzelheiten hierzu und zum arbeitsgerichtlichen Verfahren nach  § 23 BetrVG finden Sie in unseren weiteren Rechtsinformationen.

 

2. Unterlassungsansprüche des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat?

Handelt der Betriebsrat bzw. ein Betriebsratsmitglied seinen gesetzlichen Pflichten zuwider oder wird gar gegen ausdrückliche Verbote des BetrVG verstoßen, stellt sich die Frage, in welcher Weise der Arbeitgeber hier reagieren kann. In erster Linie werden Unterlassungsansprüche ins Auge gefasst, die das Ziel verfolgen, dem Betriebsrat aufzugeben, zukünftig von rechtswidrigen Handlungsweisen/Verbotsverletzungen abzusehen.

Das Bundesarbeitsgericht und damit einhergehend das wesentliche arbeitsrechtliche Schrifttum hatte angenommen, dass Arbeitgeber auch gegenüber dem Betriebsrat bzw. einzelnen Betriebsratsmitgliedern Unterlassungsansprüche geltend machen können (BAG, Beschluss vom 22.07.1980, Az: 6 ABR 5/78). Auch wurde angenommen, dass derlei Unterlassungsansprüche im Wege einer einstweiligen Verfügung verfolgt werden könnten.

Nun hat das BAG in einer jüngeren Entscheidung seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben. Im Anwendungsbereich von § 74 Abs. 2 BetrVG (Verbot der Beeinträchtigung von Betriebsablauf und Frieden des Betriebs) judizierte es, dass jedenfalls aus  § 74 Abs. 2 Satz 3 BetrVG keine Unterlassungsansprüche des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat erwüchsen. Dies begründete das BAG mit allgemeinen Erwägungen, die erkennen lassen, dass das Gericht Unterlassungsansprüche des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat/Betriebsratsmitglieder grundsätzlich für unzulässig erachtet:

Aus Sicht des BAG leite sich schon aus § 23 BetrVG ab, dass Unterlassungsansprüche des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat nicht in Betracht kommen. Gem. § 23 Abs. 3 BetrVG habe nur der Betriebsrat gegen den Arbeitgeber Unterlassungsansprüche bei groben Pflichtverletzungen. Andersherum sehe § 23 BetrVG nicht vor, dass der Arbeitgeber ein ebensolches Recht gegen den Betriebsrat hat. Der Arbeitgeber habe andere und gleichgewichtige Rechte. Er könne die Auflösung des Betriebsrats nach  § 23 Abs. 1 BetrVG bei groben Pflichtverletzungen des Betriebsrats beantragen und durchsetzen.

Ein gegen den Betriebsrat gerichteter Unterlassungsanspruch sei auch im Hinblick auf eine etwaige Vollstreckung sinnlos. Da der Betriebsrat vermögenslos sei, komme ihm gegenüber eine Androhung, Festsetzung oder Vollstreckung von Ordnungsgeld nicht in Betracht (BAG, Beschluss vom 17.03.2010, Az: 7 ABR 95/08).

Hierauf haben sich Arbeitgeber und auch Betriebsräte einzustellen. Einerseits ist dem Arbeitgeber erschwert, das außerhalb der Betriebsverfassung hoch funktionale Instrument der Unterlassungsansprüche zu nutzen. Andererseits werden nun voraussichtlich schneller Anträge auf Ausschluss von Betriebsratsmitgliedern aus dem Betriebsrat/Auflösung des Betriebsrats positiv durch das Arbeitsgericht zu bescheiden sein.

Ob auf der Grundlage der vorstehend referierten Rechtssprechungsänderung sämtliche Unterlassungsansprüche von Arbeitgebern gegenüber Betriebsräten ausgeschlossen sind, erscheint aber als zweifelhaft. Insbesondere in Fällen, in denen Betriebsräte in das allgemeine Persönlichkeitsrecht von Arbeitgeber oder Arbeitgebervertretern eingreifen, z. B. durch beleidigende Betriebsratsaushänge etc., dürften auch im Wege einer einstweiligen Verfügung durchzusetzende Unterlassungsansprüche unabdingbar sein. Nur so könnte der Arbeitgeber nämlich zeitnah auf schwere Rechtsverletzungen reagieren. Demgegenüber verhilft der Verweis des Arbeitgebers auf die Handlungsmöglichkeiten nach § 23 Abs. 1 BetrVG (Ausschluss von Betriebsratsmitgliedern aus dem Betriebsrat/Auflösung des Betriebsrats) nicht zu einem effektiven Rechtsschutz. Das Auflösungsverfahren ist regelmäßig außerordentlich zeitaufwendig und könnte Wirkungen erst mit Bestandskraft einer möglicherweise drittinstanzlichen Entscheidung erlangen.

Daher ist Arbeitgebern auch weiterhin zu raten, in bestimmten Fallkonstellationen zum Mittel des Unterlassungsanspruchs zu greifen!

 

3. Feststellungsanspruch

Das BAG hat Arbeitgebern einen weiteren Weg zur Sicherung eigener Rechtspositionen bei Rechtsverletzungen von Betriebsräten gewiesen: So führte das BAG aus, der Arbeitgeber habe bei Streitigkeiten über die Rechtsmäßigkeit einer bestimmten Betätigung des Betriebsrats die Möglichkeit, deren Zulässigkeit unter den Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO im Wege eines Feststellungsantrags klären zu lassen. Einer solchen gerichtlichen Feststellung komme im Ergebnis die gleiche Wirkung zu wie einem Unterlassungstitel, da auch dieser gegenüber dem Betriebsrat nicht vollstreckbar wäre. Die gerichtliche Feststellung der fehlenden Berechtigung des Betriebsrates zu einem bestimmten Verhalten sei bei einer späteren gleichartigen Pflichtverletzung von erheblicher Bedeutung für einen Auflösungsantrag des Arbeitgebers nach § 23 Abs. 1 BetrVG. Die Missachtung der gerichtlichen Feststellung könne dazu führen, dass ein erneutes gleichartiges Verhalten als grob pflichtwidrig im Sinne von § 23 BetrVG anzusehen ist (BAG, Beschluss vom 17.03.2010, Az: 7 ABR 95/08). Instanzgerichte haben sich dem angeschlossen (vgl. LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 08.04.2011, Az: 9 TaBV 2765/10).

 

Fazit:

Werden Pflichtverletzungen von Betriebsratsmitgliedern oder vom gesamten Betriebsratsgremium festgestellt, ist sorgfältig zu prüfen, in welcher Weise Rechtsschutz gesucht wird. Fehlerhafte Antragstellungen von Arbeitgeberseite führen zum Unterliegen im Beschlussverfahren. Dies ist insbesondere schmerzlich, weil der Arbeitgeber stets die Kosten des Beschlussverfahrens und damit auch die Kosten des Betriebsrats und deren Bevollmächtigten zu tragen hat.

In den vorstehenden Problematiken beraten und unterstützen wir Sie gerne.