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Organstellung, Anstellungsvertrag, Beschäftigung und Vergütung des GmbH-Geschäftsführers bei Verschmelzung – worauf Gesellschaften und Geschäftsführer achten müssen:

Der Geschäftsführer einer GmbH hat in der Gesellschaft regelmäßig eine Doppelfunktion inne: Zum einen ist er Organ der Gesellschaft, zum anderen ist er (regelmäßig) Dienstnehmer derselben.

Die Organstellung erwirbt der Geschäftsführer durch den gesellschaftsrechtlichen Akt der Bestellung, § 46 Nr. 5 GmbHG. Ihm obliegt damit die Führung und Vertretung der Gesellschaft, gegebenenfalls im Zusammenwirken mit weiteren Geschäftsführern, § 35 GmbHG.

Davon abzugrenzen ist die Rechtsstellung als Dienstnehmer, die sich aus dem zwischen der Gesellschaft und dem Geschäftsführer zu schließenden Dienst-/Geschäftsführeranstellungsvertrag ergibt. Dieser Vertrag hat die Verpflichtung des Geschäftsführers zur Geschäftsbesorgung zum Gegenstand und unterfällt den Regelungen der §§ 611, 675 BGB. Der Geschäftsführeranstellungsvertrag regelt typischerweise die relevanten Fragen der zur Geschäftsführervergütung, Ausgestaltung der Tätigkeit, Dauer, Beendigung des Anstellungsverhältnisses etc.

Die dienstvertragliche ist von der organschaftlichen Ebene streng zu trennen. Dies zeigt sich zum Beispiel darin, dass das Geschäftsführeranstellungsverhältnis nicht gleichsam automatisch dadurch endet, dass eine Abberufung des Geschäftsführers von der Organstellung erfolgt.

 

Sowohl die Organstellung als auch das Geschäftsführeranstellungsverhältnis sind an die jeweilige Gesellschaft gebunden.

Wird die GmbH auf eine andere Gesellschaft in der Weise verschmolzen, dass die andere Gesellschaft als solche bestehen bleibt, erlischt die „aufgeschmolzene“ Gesellschaft gemäß § 20 S. 1 Nr. 2 UmwG. Mit dem Erlöschen der verschmolzenen Gesellschaft kommen auch deren Organe in Wegfall. Die Geschäftsführerposition findet keine rechtliche Grundlage mehr. Insoweit wird angenommen, dass die Organe nur als unselbständige Gliederungen der GmbH Funktionen für diese ausüben, um dieser Gesellschaft Handlungsfähigkeit zu verleihen. Der Bestand der Organe hängt damit untrennbar mit dem Bestand der Gesellschaft zusammen (Hoffmann-Becking, Organ-Nachfolge bei der Verschmelzung?, FS Ulmer, Seite 249).

 

Nachstehend sollen die Fragen beleuchtet werden, die sich ergeben, wenn die (Anstellungs-) GmbH auf eine andere Gesellschaft verschmolzen wird. In einer solchen Situation stellen sich dem Geschäftsführer und insbesondere der die Gesellschaft im Wege der Verschmelzung aufnehmenden Gesellschaft zahlreiche Fragen zur sich dann ergebenden Rechtsstellung des Geschäftsführers bei weggefallener Organstellung.

 

  1. Kein „automatisches“ Erlöschen des Geschäftsführeranstellungsvertrag

 

Im Verschmelzungsfall ist zunächst die Frage aufzuwerfen, ob auch der Geschäftsführeranstellungsvertrag vom Erlöschen des übertragenden Rechtsträgers erfasst wird.

Hier ist nach allgemeiner Auffassung davon auszugehen, dass ein solches Erlöschen nicht eintritt. Insoweit ist auf die Regelung in § 20 S. 1 Nr. 1 UmwG abzustellen. Danach hat die Verschmelzung zur Folge, dass das Vermögen des übertragenden Rechtsträgers einschließlich der Verbindlichkeiten auf den übernehmenden Rechtsträger übergeht (Gesamtrechtsnachfolge).

Das Geschäftsführeranstellungsverhältnis beinhaltet eine rechtliche Verbindlichkeit des übertragenden Rechtsträgers, die ebenfalls im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den übernehmenden Rechtsträger übergeht (BAG, Urteil vom 13.02.2003, 8 AZR 654/01).

 

Es könnte erwogen werden, dass das Geschäftsführeranstellungsverhältnis aufgrund der Beendigung der Organstellung bei einer Verschmelzung endet.

Auch dies ist nach allgemeiner Auffassung zu verneinen. Insoweit wird in Literatur und Rechtsprechung auf die so genannte „Trennungstheorie“ abgestellt, wonach das Geschäftsführeranstellungsverhältnis vom Organverhältnis strikt abzugrenzen ist.

 

  1. Kündigung des Geschäftsführeranstellungsvertrags wegen der Verschmelzung?

 

Steht eine zum Wegfall der Anstellungsgesellschaft führende Verschmelzung derselben bevor, ist zu fragen, ob das Geschäftsführeranstellungsverhältnis durch Kündigung beendet werden kann.

Soweit der Geschäftsführeranstellungsvertrag ein Recht der Vertragsparteien zur ordentlichen Kündigung beinhaltet, kann von diesem selbstverständlich nach den vertraglichen Vorgaben Gebrauch gemacht werden. Solche Kündigungsregelungen sind allerdings eher die Ausnahme. Vor dem Hintergrund des im Geschäftsführeranstellungsverhältnis regelmäßig nicht zur Anwendung gelangenden Kündigungsschutzes werden in der Mehrzahl aller Geschäftsführeranstellungsverhältnisse befristete Verträge geschlossen. Die ordentliche Kündigung ist dann innerhalb des Befristungszeitraums ebenso regelmäßig ausgeschlossen.

 

Denkbar wäre eine außerordentliche Kündigung des Dienstverhältnisses nach § 626 Abs. 1 BGB vor dem Hintergrund der mit der Verschmelzung nicht mehr gegebenen Möglichkeit der Weiterbeschäftigung als Geschäftsführer.

Solche Erwägungen werden in der gesellschaftsrechtlichen Literatur angestellt. Allerdings wird weit überwiegend angenommen, dass eine Umwandlung/Verschmelzung aus der Sicht der Gesellschaft in aller Regel keinen Grund zur Beendigung des Geschäftsführeranstellungsverhältnisses darstellt (Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung und Übertragung von Unternehmen, Seite 1030). Zum Teil wird aber erwogen eine außerordentliche Kündigung dann in Betracht zu ziehen, wenn noch eine außerordentlich lange Vertragslaufzeit besteht und die Gesellschaft, welche die übertragende Gesellschaft aufgenommen hat, eine adäquate Weiterbeschäftigung des Geschäftsführers nicht sicherstellen kann.

Allerdings soll auch in einem solchen Fall ein besonders strenger Maßstab an eine außerordentliche Kündigung angelegt werden müssen, da der Geschäftsführer der übertragenden Gesellschaft regelmäßig keinen maßgeblichen Einfluss auf die sein Rechtsverhältnis berührende Verschmelzung hat.

 

Damit ist festzustellen, dass eine wirksame außerordentliche Kündigung des Geschäftsführeranstellungsverhältnisses nach erfolgter Verschmelzung durch die aufnehmende Gesellschaft kaum in Betracht kommen wird.

 

  1. Beschäftigung des Geschäftsführers bei der aufnehmenden Gesellschaft

 

Erlischt die Gesellschaft, deren Organ der Geschäftsführer ist, kommt die Geschäftsführerstellung in Wegfall. Der Geschäftsführer erwirbt nicht gleichzeitig die Geschäftsführerstellung bei der aufnehmenden Gesellschaft. Hier findet sich also die Situation, dass der Geschäftsführer nach der Verschmelzung zwar keine Organfunktion mehr hat, das Anstellungsverhältnis aber regelmäßig jedenfalls bis zum Ablauf der vertraglichen Befristung weiterbesteht.

Dies bringt die aufnehmende Gesellschaft in die häufig als misslich empfundene Situation, den Geschäftsführer nicht mehr vertragsgerecht einsetzen zu können.

 

Hier stellt sich die Frage, inwieweit bei weggefallener Möglichkeit einer Beschäftigung als Geschäftsführer eine anderweitige Tätigkeit zugewiesen werden kann.

Unproblematisch ist der Fall einer entsprechenden anstellungsvertraglichen Regelung. Sollte sich im Vertrag eine Klausel finden, wonach der Geschäftsführer bei Wegfall der Organstellung anderweitig eingesetzt werden kann, kann die aufnehmende Gesellschaft davon selbstverständlich Gebrauch machen. Solche Klauseln entsprechen aber nicht der Praxis.

 

Die Möglichkeit der anderweitigen Weiterbeschäftigung des Geschäftsführers in der hier beschriebenen Situation wird in Literatur und Rechtsprechung kontrovers diskutiert:

Zum Teil wird angenommen, dass der Geschäftsführer, dessen Organstellung endet, dessen Anstellungsvertrag aber nicht, grundsätzlich auch Tätigkeiten unterhalb der Organebene übernehmen müsse. Insoweit wird argumentiert, der Geschäftsführeranstellungsvertrag könne dahingehend geteilt werden, dass die Tätigkeit eines leitenden Angestellten noch möglich bleibt.

 

Dieser pragmatischen Auffassung steht die Meinung des BGH entgegen. Dieser hat in einer jüngeren Entscheidung urteilte, der Geschäftsführeranstellungsvertrag habe regelmäßig nur die Beschäftigung als Geschäftsführer zum Inhalt. Eine Tätigkeit unterhalb der Organebene sei typischerweise nicht vereinbart. Sie stelle ein „aliud“ zu der Geschäftsführertätigkeit, d.h. etwas anderes dar und könne deshalb aus dem Anstellungsvertrag nicht hergeleitet werden (BGH, Urteil vom 11.10.2010, Az. II ZR 266/08).

 

Dem haben sich zahlreiche Vertreter der gesellschaftsrechtlichen Literatur angeschlossen. So wird ausgeführt, mit Erlöschen der bisherigen Anstellungsgesellschaft trete regelmäßig die Unmöglichkeit der Leistungspflicht des Geschäftsführers nach § 275 BGB ein. Ausgangspunkt müsse dabei die Frage sein, zu welcher konkreten Leistung sich der Geschäftsführer vertraglich verpflichtet hatte. Im Regelfall werde der Anstellungsvertrag ganz konkret eine Tätigkeit als GmbH-Geschäftsführer vorsehen, nicht hingegen eine sonstige Arbeit. Dann sei auch nur eine solche Tätigkeit geschuldet. Der ehemalige Geschäftsführer sei beim aufnehmenden Rechtsträger nicht zu einer Tätigkeit unterhalb der Organebene verpflichtet, die Pflicht zur Dienstleistung sei damit insgesamt erloschen.

 

Ob im konkreten Einzelfall eine anderweitige Tätigkeitspflicht des Geschäftsführers besteht oder nicht, muss anhand des jeweiligen Vertragswerks geprüft werden.

 

  1. Vergütungsansprüche des Geschäftsführers bei Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit als Geschäftsführer

 

Eine andere Frage ist diejenige nach dem Schicksal der Vergütungsansprüche bei Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit als Geschäftsführer.

Die Unmöglichkeit der Weiterbeschäftigung als Geschäftsführer hat zunächst nicht zur Folge, dass Vergütungsansprüche erlöschen. Maßgeblich ist die Regelung in § 326 Abs. 1 S. 1 BGB. Da die Gesellschaft die Unmöglichkeit zu vertreten hat, bleibt der Vergütungsanspruch in vollem Umfang aufrechterhalten.

 

Allerdings gilt, dass sich der Geschäftsführer auf den insoweit fortbestehenden Vergütungsanspruch dasjenige anrechnen lassen muss, was er durch anderweitigen Einsatz seiner Arbeitskraft erwirbt oder in zumutbarer Weise erwerben könnte (§ 326 Abs. 2 S. 2 BGB). Eine Anrechnung einer anderweitigen Erwerbsmöglichkeit ist nur zu diskutieren, wenn eine solche auch tatsächlich bestanden hat. Eine solche könnte z.B. auch die aufnehmende Gesellschaft dem nun beschäftigungslos gewordenen Geschäftsführer einräumen. Sollte dies geschehen, wäre aber danach zu fragen, ob dem Geschäftsführer die anderweitig angebotene Tätigkeit zumutbar ist. Ob dies der Fall ist, kann nur schwer beantwortet werden. Hier sind Wertungsentscheidungen zu treffen.

In der Literatur wird angenommen, dass bei der Frage der Zumutbarkeit danach zu unterscheiden sein soll, ob der Geschäftsführer die Unmöglichkeit der Weiterbeschäftigung als Geschäftsführer zu vertreten hat oder nicht. Ohne Verschulden des Geschäftsführers liege die Zumutbarkeitsschwelle höher als bei Mitverschulden (Bork, NZA 2015, Seite 199 ff.).

 

Bietet die Gesellschaft dem Geschäftsführer eine Tätigkeit an, die das Gepräge eines Arbeitsverhältnisses aufweist, stellt sich die bedeutsame Frage, ob dann mit dem Geschäftsführer ein Arbeitsverhältnis begründet wird.

Auch hier kommt es auf den Einzelfall an. Aufgrund der womöglich weitreichenden Auswirkungen eines anderweitigen Beschäftigungsangebots sollten Gesellschaften, die diesem Gedanken näher treten wollen, unbedingt eine (arbeits-) rechtliche Überprüfung vornehmen lassen!

 

Fazit:

 

Tritt der „Störfall“ einer Verschmelzung der Anstellungsgesellschaft mit einer anderen Gesellschaft mit der Folge des Erlöschens der Anstellungsgesellschaft des Geschäftsführers ein, werden sowohl der Geschäftsführer als auch die aufnehmende Gesellschaft guten Anlass haben, die jeweilige rechtliche Situation betreffend das Geschäftsführeranstellungsverhältnis sorgsam zu prüfen.

Dazu ist insbesondere dann zu raten, wenn sich die aufgrund Verschmelzung erloschene Gesellschaft gegenüber dem Geschäftsführer im Anstellungsvertrag auf eine lange Befristungsdauer verständigt hat. Die aufnehmende Gesellschaft wird dann Strategien für den – den Unternehmenzwecken entsprechend – Umgang mit dem (Alt-) Geschäftsführer entwickeln müssen. Der Geschäftsführer wird seinerseits die eigenen Rechte und Interessen im Blick behalten müssen.

 

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