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Mitbestimmung des Betriebsrats bei Facebook-Auftritt des Arbeitgebers – Bundesarbeitsgericht klärt umstrittene Rechtsfrage

 

Soziale Netzwerke (Facebook, Xing, LinkedIn etc.) sind längst nicht mehr nur Privatsache. Viele Unternehmen nutzen die vielfältigen Möglichkeiten dieser Plattformen für eigene Informations- und Werbezwecke. Doch wie verhält es sich mit den Interessen von Arbeitnehmern und darauf bezogenen Mitbestimmungs- bzw. Beteiligungsrechten des Betriebsrats?

Das Bundesarbeitsgericht hat sich in einer jüngeren Entscheidung mit der Frage befasst, inwieweit Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats eröffnet sind, wenn das Unternehmen/der Arbeitgeber nicht nur einen Facebook-Auftritt eingerichtet hat, sondern (externen) Nutzern auf einer virtuellen Pinnwand die Möglichkeit einräumt, für alle sichtbare Kommentare (Postings) abzugeben. Hier hatte der Konzernbetriebsrat eingegriffen, nachdem Nutzer der Facebook-Präsentation zwei negative Kommentare über Mitarbeiter des Arbeitgebers abgegeben hatten. Er hatte arbeitsgerichtlich beantragt den Arbeitgeber zu verpflichten, die von diesem eingerichtete Facebookseite abzumelden, jedenfalls aber die Möglichkeit von „Postings“ von Nutzern auszuschließen, solange nicht eine Einigung mit dem (Konzern-) Betriebsrat erfolgt ist. Weiter begehrte er die Feststellung des Bestehens eines Mitbestimmungsrechts bei der Anmeldung der Internetplattform „Facebook“ und der Eröffnung der Seite.

In Abweichung zur Vorinstanz (LAG Düsseldorf, Beschluss vom 12.01.2015, Az. 9 TaBV 51/14) hatte das Bundesarbeitsgericht judiziert, dass tatsächlich Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bestehen. In der Entscheidung hat es die Konturen des Mitbestimmungsrechts in § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG weiter geschärft (BAG, Beschluss vom 13.12.2016, Az. 1 ABR 7/15).

 

1. Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen zur Überwachung von Verhalten oder Leistung

– Schutz von Persönlichkeitsrechten

Gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG bestimmt der Betriebsrat bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen mit, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Allgemein wird angenommen, dass dieser Mitbestimmungstatbestand den Schutz des einzelnen Arbeitnehmers gegen anonyme Kontrolleinrichtungen, die stark in den persönlichen Bereich der Arbeitnehmer eingreifen, bezweckt (so bereits BAG, Urteil vom 07.10.1987, Az. 5 AZR 116/86). Dabei solle der Arbeitnehmer nicht vor jeglicher Überwachung geschützt werden, aber vor den besonderen Gefahren solcher Überwachungsmethoden, die sich für das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer aus dem Einsatz technischer Einrichtungen ergeben (BAG, Beschluss vom 30.08.1995, Az. 1 ABR 4/95).

Es ist anerkannt, dass der Mitbestimmungstatbestand einen präventiven Schutz vor rechtlich unzulässigen Eingriff in die Persönlichkeitsbereich der Arbeitnehmer bereits im Vorfeld gewährleisten soll. Der Betriebsrat soll Mitbeurteilungsrechte bei der Frage haben, wo die schwer zu ermittelnde Grenze zwischen zulässigen und unzulässigen Eingriffen in Persönlichkeitsrechte verläuft.

– technische Einrichtungen

Das Mitbestimmungsrecht wird nur dann eröffnet, wenn eine Überwachung durch eine „technische Einrichtung“ in Rede steht. Allgemein ist hierzu anzunehmen, dass an den Begriff der „technischen Einrichtung“ keine besonderen Anforderungen zu stellen sind. Technische Einrichtungen sind lediglich von nicht technischen Überwachungsmethoden abzugrenzen, so z.B. durch Personen wie Vorgesetzte, Mitarbeiter, aber auch Privatdetektive oder den Werkschutz (BAG, Urteil vom 18.11.1999, Az. 2 AZR 743/98) und Testkunden (BAG, Beschluss vom 18.04.2000, Az. 1 ABR 22/99). Auch wenn zu Kontrollzwecken Uhren (Stoppuhr), Lupen, Spiegel oder ähnliche Hilfsmittel verändert werden, handelt es sich nicht um eine Überwachung durch eine „technische Einrichtung“, da letztendlich der diese Instrumente nutzende Mensch die maßgeblichen Überwachungsfunktionen ausübt.

 

2. Posting-Funktion im Facebook-Auftritt als „technische Einrichtung“

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hatte in der arbeitgeberseitigen Einrichtung einer Möglichkeit zur Abgabe von Kommentaren auf dem Facebook-Profil keine „technische Einrichtung“ im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG gesehen, die dazu bestimmt sei, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Hierbei stützte es sich auf die Funktionsweise der Kommentarfunktion:

Auch wenn der Arbeitgeber mit Suchmaschinen nach Kommentaren Mitarbeiter betreffend suchen könne, fehle es an einer Aufzeichnung durch eine technische Einrichtung, denn die Überwachung müsse durch die technische Einrichtung selbst bewirkt werden. Dazu müsse diese aufgrund ihrer technischen Natur unmittelbar, d.h. wenigstens in ihrem Kern die Überwachung vornehmen, indem sie das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer kontrolliere. Allein dadurch, dass Mitarbeiter auf der Facebook-Seite negativ bewertet werden und dass der Arbeitgeber mit den Facebook-Möglichkeiten gezielt nach negativen Einträgen suchen könnte, führe nicht dazu, dass er eine technische Einrichtung betreibe. Entscheidend sei, dass der Arbeitgeber selbst die Kommentarfunktion nicht unterhalte, diese liege vielmehr bei „Facebook“ selbst.

Dem widersprach das Bundesarbeitsgericht in der Revisionsinstanz: Das BAG entschied, der Betriebsrat bestimme über die Entscheidung des Arbeitgebers mit, Postings unmittelbar zu veröffentlichen. Soweit sich diese auf das Verhalten oder die Leistung von Arbeitnehmern bezögen, führe dies zu einer Überwachung von Arbeitnehmern durch eine technische Einrichtung im Sinne von § 87 S. 1 Nr. 6 BetrVG.

 

3. Konsequenzen der Entscheidung für Arbeitgeber und Betriebsräte

Das oberste deutsche Arbeitsgericht vertritt mit der nun verkündeten Entscheidung ein sehr weitgefasstes Verständnis vom Begriff der „technischen Einrichtung“. Unternehmen/Arbeitgeber werden sich der Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Nutzung sozialer Netzwerke jedenfalls dann nicht entziehen können, wenn diesen sozialen Netzwerken selbst die vom Arbeitgeber zumindest in Kauf genommene Möglichkeit innewohnt, Kommentare/Bewertungen über Mitarbeiter abzugeben. Für solche Fälle ist jetzt klargestellt, dass der Umstand, dass die Kommentare/Postings vom Betreiber des sozialen Netzwerks selbst erfasst und verwaltet werden, der Annahme einer technischen Überwachungseinrichtung des Arbeitgebers nicht entgegensteht.

Eröffnet das Unternehmen/der Arbeitgeber durch Eröffnung von Auftritten im Internet die Möglichkeit der Kommentierung von Leistungen und Verhalten von Mitarbeitern, darf erst gehandelt werden, wenn die ausdrückliche Zustimmung des Betriebsrats vorliegt. Gegebenenfalls ist diese im Wege des Einigungsstellenverfahrens zu erwirken. Wird ohne eine solche Zustimmung gehandelt, setzt sich der Arbeitgeber betriebsratsseitigen Unterlassungsansprüchen sowie den weitreichenden Sanktionen von § 23 BetrVG aus.

Die Entscheidung des BAG vom 13.12.2016 belegt einmal mehr, dass der technische Wandel immer neue und zum Teil kaum voraussehbare Anforderungen an Arbeitgeber und Betriebsräte stellt, die Beteiligung der Arbeitnehmervertretung bzw. deren Mitbestimmung neu zu justieren. In diesen Fragestellungen unterstützen wir Sie gerne.