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Mindestlohn – Was Arbeitgeber und Arbeitnehmer beachten müssen:

Nachdem der Bundestag am 03.07.2014 und der Bundesrat am 11.07.2014 das Mindestlohngesetz angenommen haben, ist am 16.08.2014 das sog. Tarifautonomiestärkungsgesetz in Kraft getreten, dass auch das Mindestlohngesetz (MiLoG) umfasst. Danach gilt ab dem 01.01.2015 ein bundesweit verbindlicher branchenunabhängiger Mindestlohn i.H.v. von 8,50 € brutto je Zeitstunde.

 

1. Wer hat Anspruch auf den Mindestlohn?

Den Mindestlohn können alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beanspruchen, die im Inland beschäftigt werden, unabhängig davon, ob ihr Arbeitgeber im In- oder Ausland ansässig ist. Der Mindestlohn gilt ebenso für Praktikanten. Ein solcher ist, wer sich nach der tatsächlichen Ausgestaltung und Durchführung des Vertragsverhältnisses für eine begrenzte Dauer zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Erfahrungen einer bestimmten betrieblichen Tätigkeit zur Vorbereitung auf eine berufliche Tätigkeit unterzieht, ohne dass es sich dabei um eine Berufsausbildung im Sinne des Berufsausbildungsgesetzes oder um eine damit vergleichbare praktische Ausbildung handelt. Nur bei folgenden, besonderen Praktikantenverhältnissen werden Ausnahmen von der Mindestlohnpflicht gemacht:

– Praktikanten, die ihr Praktikum im Rahmen einer verpflichtenden Schul-, Ausbildungs- oder Studienordnung leisten,

– Praktikanten, die ihr Praktikum von bis zu 3 Monaten zur Orientierung für eine Berufsausbildung oder die Aufnahme ihres Studiums leisten,

– Praktikanten, die ihr Praktikum von bis zu 3 Monaten begleitend zu einer Berufs- oder Hochschulausbildung leisten, wenn nicht bereits zuvor ein solches Praktikumsverhältnis mit demselben Ausbildenden bestanden hat,

– Teilnehmer an einer Einstiegsqualifizierung im Sinne von § 54 a SGB III oder an einer Berufsausbildungsvorbereitung nach §§ 68-70 Berufsbildungsgesetz.

Der Mindestlohn gilt ab dem 01.01.2015 grundsätzlich auch für Saisonarbeiter der Landwirtschaft. Für diese Branche wird jedoch die Möglichkeit der kurzfristigen sozialabgabefreien geringfügigen Beschäftigung von 50 auf 70 Tage ausgedehnt. Die letztgenannte Regelung ist bis Ende 2018 befristet. Aufgrund des Anfang Juni 2014 geschlossenen und allgemein gültigen Mindestlohntarifvertrages gelten jedoch im Bereich der Landwirtschaft noch weitere Ausnahmen.

Das MiLoG gilt dagegen nicht für Jugendliche unter 18 Jahren ohne abgeschlossene Berufsausbildung, für Auszubildende nach dem Berufsbildungsgesetz, für ehrenamtlich Tätige sowie für Arbeitnehmer, die unmittelbar vor der Beschäftigung langzeitarbeitslos (d.h. ein Jahr und länger arbeitslos) waren, innerhalb der ersten sechs Monate ihrer Beschäftigung.

Für Zeitungszusteller wurden besondere Übergangsregelungen geschaffen. Danach hat diese Gruppe von Beschäftigten ab dem 01.01.2015 einen Anspruch auf 75 % und ab dem 01.01.2016 auf 85 % des Mindestlohns je Zeitstunde. Ab dem 01.01.2017 bis zum 31.12.2017 beträgt der Mindestlohn dann 8,50 € brutto je Zeitstunde. Ab dem 01.01.2018 gilt für sie der Mindestlohn nach dem MiLoG.

Eine weitere, durchaus relevante Übergangsregelung bis zum 31.12.2017 wurde für die Arbeitnehmer geschaffen, deren Arbeitsverhältnisse unter einen branchenbezogenen Mindestlohntarifvertrag fallen, der allgemeinverbindlich ist. Für die Arbeitnehmer folgender Branchen bleibt es daher auch ab dem 01.01.2015 bei niedrigeren Lohnuntergrenzen:

– Gebäudereinigung, Innen- und Unterhaltsreinigung/Ost: 8,23 €/h ab dem 01.01.2015;

– Zeitarbeit/Ost: 7,86 €/h vom 01.01. bis zum 31.03.2015, vom 01.04.2015 bis zum 30.05.2016 8,20 €/h;

– Friseurhandwerk: Ost 7,50 €/h bzw. West 8,00 €/h bis zum 31.07. 2015; danach 8,50 €/h;

– Pflegebranche/Ost: 8,00 €/h;

– Wäschereidienstleistungen im Objektkundengeschäft/Ost: 8,00 €/h;

– Fleischverarbeitung: 8,00 €/h ab dem 01.12.2014, 8,60 €/h ab dem 01.10.2015, ab dem 01.12. 2016 bis 31.12.2017 8,75 €/h;

– Landwirtschaft: 7,40 €/h (West) bzw. 7,20 €/h (Ost) ab dem 01.01.2015; 8,00 €/h (West) bzw. 7,90 €/h (Ost) ab dem 01.01.2016; 8,60 €/h ab dem 01.01.2017 für West- und Ostdeutschland; 9,10 €/h ab dem 01.11.2017.

Ab dem 01.01.2017 müssen jedoch die vorgenannten abweichenden Regelungen mindestens ein Entgelt von 8,50 € brutto je Zeitstunde vorsehen.

 

2. Höhe und Berechnung des Mindestlohns

Der Mindestlohn beträgt ab dem 01.01.2015 8,50 € brutto je Zeitstunde. Die Vereinbarung von Stück- oder Akkordlohn bleiben weiterhin zulässig, wenn gewährleistet ist, dass der Mindestlohn für die geleisteten Arbeitsstunden stets erreicht wird. Das Gesetz enthält selbst jedoch keine Regelung, welche Vergütungsbestandteile zum Mindestlohn zählen, d.h. wie der Mindestlohn genau zu berechnen ist. Nach den Ausführungen der Koalitionsfraktionen im Gesetzgebungsverfahren sollen nur Zahlungen unter den Mindestlohn fallen, die als Gegenleistung für die „Normalarbeitsleistung“ entrichtet werden. Damit sollen bei Mindestlohn nicht zu berücksichtigen sein:

– Zahlungen für ein auf Verlangen geleistetes Mehr an Arbeit oder Arbeitsstunden unter besonderen Bedingungen, wie Zuschläge für Sonntags-, Feiertags-, Nacht-, Schichtarbeit oder Überstundenzuschläge;

– Urlaubs- oder Weihnachtsgeld, wenn es in größeren Abständen, beispielsweise jährlich, gezahlt wird; werden diese Zahlungen hingegen anteilig mit dem für den Mindestlohn maßgeblichen Fälligkeitsdatum tatsächlich oder unwiderruflich ausbezahlt, sollen sie als Bestandteil des Mindestlohns gewertet werden;

– Aufwandsentschädigungen, also Zahlungen, die als Kompensation für eigene Aufwendungen des Arbeitnehmers dienen – dazu gehört auch das Wegegeld; etwas anderes kann sich ergeben, wenn das Wegegeld als echter Entgeltbestandteil (für die zur Zurücklegung des Weges erforderliche Zeit) geleistet wird;

– wohl auch Trinkgelder, beispielsweise in der Gastronomie, beim Friseurhandwerk oder im Taxigewerbe sowie vermögenswirksame Leistungen;

– Kost und Logis, die wohl nicht als Entgeltvorteil zum Mindestlohn anrechenbar sind, da nach Sinn und Zweck des Mindestlohns und mit Blick auf die Fälligkeitsregelungen dem Arbeitnehmer in jedem Fall ein ausreichender Nettobetrag am Fälligkeitstag zur Verfügung stehen muss.

 

3. Fälligkeit des Mindestlohns

Der Mindestlohn muss zum Zeitpunkt der vereinbarten Fälligkeit, spätestens jedoch am letzten Bankarbeitstag des Monats gezahlt werden, der auf dem Monat folgt, in dem die Leistung erbracht wurde. Wenn nichts vereinbart wurde und der Lohn nach Zeitabschnitten zu bemessen ist, wird der Mindestlohn nach Ablauf der einzelnen Zeitabschnitte fällig. Da bei Arbeitsverhältnissen üblicherweise ein Monatslohn vereinbart wird, ist der Mindestlohn nach Ablauf des Monats zu zahlen.

Dies gilt grundsätzlich auch für die Überstundenvergütung. Jedoch können bei einem gleich bleibenden Arbeitslohn Arbeitsstunden, die über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinausgehen auf ein Arbeitszeitkonto eingestellt werden. Dies muss schriftlich vereinbart sein (Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag). Die auf dem Arbeitszeitkonto eingestellten Plusstunden müssen innerhalb von 12 Kalendermonaten ausgeglichen werden und zwar entweder durch bezahlte Freizeitgewährung oder durch Zahlung des Mindestlohns. Dies gilt allerdings nicht, wenn der Arbeitslohn so hoch ist, dass der Mindestlohn für sämtliche geleisteten Arbeitsstunden einschließlich der Überstunden erreicht wird. Dadurch soll sichergestellt werden, dass Unternehmen, die über dem Mindestlohn zahlen, nicht den Beschränkungen des MiLoG bei der Anwendung ihrer Regelungen zu Arbeitszeitkonten unterliegen.

Die eingestellten Stunden dürfen monatlich maximal jeweils 50 % der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit betragen. Darüber hinausgehende Stunden müssen demzufolge zum letzten Bankarbeitstage des Folgemonats ausgezahlt werden.

 

4. Aufzeichnungspflichten

Der Arbeitgeber muss ab sofort Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit, welche der Gesetzgeber bei bestimmten Beschäftigungsverhältnissen vorsieht, aufzeichnen. Dies gilt für geringfügig Beschäftigte (Minijobber bis 450 € sowie kurzfristig Beschäftigte) mit Ausnahme der geringfügig Beschäftigten in Privathaushalten sowie in den Wirtschaftsbereichen Baugewerbe, Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe, Personenbeförderungsgewerbe, Speditions-, Transport- und damit verbundenen Logistikgewerbe, Schaustellergewerbe, Forstwirtschaft, Fleischwirtschaft,  Gebäudereinigungsgewerbe sowie für Unternehmen, die sich am Auf- und Abbau von Messen und Ausstellungen beteiligen. Die Aufzeichnungen müssen spätestens am siebten Kalendertag, welche auf dem Tag der Arbeitsleistung folgt, erledigt sein. Sie müssen mindestens 2 Jahre aufbewahrt werden. Entsprechendes gilt für Unternehmen, die als Entleiher Leiharbeitnehmer in ihrem Betrieb einsetzen.

Arbeitgeber mit Sitz im Ausland, die Arbeitnehmer in den vorgenannten Wirtschaftsbereichen in Deutschland beschäftigen, sind ferner ab sofort verpflichtet, die Arbeitnehmer vor Beginn jeder Werk- oder Dienstleistung bei der zuständigen Behörde der zur Verwaltung schriftlich anzumelden. Dies gilt auch für Entleiher.

Erweiterte Aufzeichnungspflichten für Praktikanten sind darüber hinaus in das Nachweisgesetz aufgenommen wurden. Danach ist auch den Praktikanten eine Niederschrift des Praktikumsvertrages auszuhändigen, in welcher die Aufzeichnungsziele, Beginn und Dauer des Praktikums, tägliche Praktikumszeit, Zahlung und Höhe der Vergütung, Dauer des Urlaubs und gegebenenfalls ein Hinweis auf geltende Betriebs – oder Tarifverträge enthalten ist.

 

5. Kontroll- und Sanktionsbestimmungen

Die Einhaltung der Bestimmungen um den Mindestlohn soll von der Zollverwaltung kontrolliert werden. Die Behörden sind berechtigt, Geschäftsräume und Grundstücke des Arbeitgebers, des Auftraggebers und des Entleihers zu betreten und Einsicht in Arbeitsverträge und Geschäftsunterlagen zu nehmen sowie Auskünfte zu verlangen.

Die Nichtzahlung des Mindestlohns wird als Ordnungswidrigkeit angesehen, die mit einer Geldbuße bis zu 500.000 € geahndet werden kann. Unternehmen, die gegen das MiLoG verstoßen haben, droht zudem der Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge, wenn eine Geldbuße von wenigstens 2.500 € festgesetzt worden ist.

Bei Auftraggebern von Werk- und Dienstleistungen verweist das MiLoG auf das Arbeitnehmerentsendegesetz und die dort bestimmte Generalunternehmerhaftung. Der Unternehmer, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Werk- oder Dienstleistungen beauftragt, haftet wie ein Bürge, der auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat, für die Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns durch

– die von ihm beauftragten Werk- oder Dienstleistungsunternehmer,

– einen Nachunternehmer oder

– einen von dem Unternehmer oder Nachunternehmer beauftragten Verleiher (Zeitarbeitsfirma).

Für die Haftung kommt es nicht auf ein Verschulden an. Beim Outsourcing von Werk- und Dienstleistungen droht daher eine Einstandspflicht des Unternehmers, der sich zur Erfüllung seiner Verpflichtungen eines oder mehrerer Subunternehmer bedient. Der Auftraggeber sollte daher an der Zuverlässigkeit und finanziellen Belastbarkeit seiner Auftragnehmer ein erhöhtes Interesse haben.

Wir beraten Sie in diesen Fragestellungen gern.