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Mehr Schutz vor Kündigung – Leiharbeiter zählen bei der Betriebsgröße mit

Arbeitnehmer genießen in der Bundesrepublik Deutschland einen vergleichsweise hohen Kündigungsschutz. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) Anwendung findet. Voraussetzung dafür ist zunächst, dass das Arbeitsverhältnis längere Zeit als sechs Monate bestanden hat. Hier statuiert der Gesetzgeber eine gleichsam „gesetzliche Probezeit“.

Des Weiteren ist erforderlich, dass der Beschäftigungsbetrieb eine ausreichende Größe aufweist.

 

Nur bei Anwendung des KSchG ist bei einer Kündigung danach zu fragen, ob diese „sozial gerechtfertigt“ ist. Erhebt der Arbeitnehmer beim Arbeitsgericht Kündigungsschutzklage, hat der Arbeitgeber diese soziale Rechtfertigung zu beweisen. Er hat darzulegen und nachzuweisen, dass es einen tragfähigen Kündigungsgrund gibt. Dieser kann sich aus dringenden betrieblichen Erfordernissen sowie verhaltensbedingten und personenbedingten Gründen ergeben. Näheres hierzu finden Sie in unserer Internetpräsentation zum Schlagwort „Kündigung“.

Unterfällt das Arbeitsverhältnis nicht dem KSchG, bedarf eine Kündigung keiner gesonderten Begründung. Es ist dann lediglich zu prüfen, ob Fristen und Formalien gewahrt worden und sich etwaige sonstige Unwirksamkeitsgründe finden (Sittenwidrigkeit, Treuwidrigkeit, Willkür, Maßregelung).

 

1. Verhältnis von Kündigungsschutz und Betriebsgröße

In § 23 KSchG ist festgelegt, welche Größenvoraussetzungen Betriebe erfüllen müssen, damit sie vom KSchG erfasst werden. Der Gesetzgeber hatte die Absicht, Kündigungsmöglichkeiten in Klein- bzw. Kleinstbetrieben zu erleichtern.

§ 23 Abs. 1 KSchG legt fest, dass die wesentlichen Regelungen des Gesetzes nicht für Betriebe und Verwaltungen gelten, in denen in der Regel zehn oder weniger Arbeitnehmer beschäftigt werden. Für sogenannte „Altarbeitsverträge“ gilt eine weitergehende Regelung: Ist das Arbeitsverhältnis bis spätestens zum 31.12.2003 begründet worden, greift der starke Kündigungsschutz in Betrieben, in denen in der Regel mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt werden. Allerdings gilt, dass zum Zeitpunkt des Ausspruchs einer etwaigen Kündigung noch mehr als fünf dieser „Altarbeitnehmer“ beschäftigt worden sind, wobei das Arbeitsverhältnis des gekündigten Arbeitnehmers selbstverständlich mitzählt! (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.09.2006, Az. 2 AZR 840/05)

Sinkt die Zahl der Altarbeitnehmer und werden nicht mehr als fünf im Betrieb beschäftigt, besteht auch für diese langjährig beschäftigten Mitarbeiter ein Kündigungsschutz nach dem KSchG nur bei einer Größe des Betriebs von mehr als zehn Arbeitnehmern.

 

2. Bestimmung der Beschäftigtenzahl

Bei der Bestimmung der Anzahl der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zählen Auszubildende nicht mit. Dies ist in § 23 Abs. 1 KSchG ausdrücklich festgelegt.

Hingegen werden auch teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer bei der Bestimmung der Beschäftigtenzahl berücksichtigt. Allerdings zählen teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von bis zu 20 Stunden mit 0,5 und solche mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von bis zu 30 Stunden mit 0,75 (§ 23 Abs. 1 Satz 4 KSchG).

Bisher war streitig, ob Leiharbeiter/Zeitarbeiter bei der Beschäftigtenanzahl im Betrieb im Sinne des § 23 KSchG zu berücksichtigen sind. Nach weit überwiegender Auffassung wurde dies verneint. Insoweit erfolgte der Hinweis darauf, dass Leiharbeiter gerade nicht in einem Arbeitsverhältnis mit dem Betriebsinhaber stünden.

Das Bundesarbeitsgericht hat in einer jungen Entscheidung gänzlich anders entschieden. Es urteilte, bei der Berechnung der Betriebsgröße im Rahmen des § 23 Abs. 1 KSchG seien auch die im Betrieb beschäftigten Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen. Dies gelte aber nur, wenn ihr Einsatz auf einem „in der Regel“ vorhandenen Personalbedarf beruhe (BAG, Urteil vom 24.01.2013, Az. 2 AZR 140/12).

Das Bundesarbeitsgericht hat eine Auslegung des KSchG vorgenommen. Unter Hinweis auf Sinn und Zweck des Gesetzes dehnte das Gericht den Kündigungsschutz nach dem KSchG faktisch erheblich aus.

Diese Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts stellt in der Arbeitsrechtswissenschaft eine große Überraschung dar. Dementsprechend kontrovers sind die Auffassungen dazu.

 

Im Ergebnis besteht nun auch in einer großen Anzahl kleinerer Betriebe die Möglichkeit für Arbeitnehmer, Kündigungsschutz nach dem KSchG für sich in Anspruch zu nehmen.

Beschäftigen Arbeitgeber in kleineren Betrieben neben einer geringen Anzahl von „eigenen“ Arbeitnehmern Leiharbeiter, ist beim Ausspruch von Kündigungen gegenüber dem eigenen Personal Vorsicht geboten. Im Zweifel hat der Arbeitgeber sämtliche Vorkehrungen zu treffen, die unter der Geltung des KSchG als erforderlich erscheinen. Anderenfalls kann sich auch für den Arbeitgeber zu einem späteren Zeitpunkt und nach Einleitung eines Kündigungsschutzverfahrens durch den Arbeitnehmer manch böse Überraschung ergeben.

Auch in den sich hier ergebenden Fragestellungen beraten wir Sie gerne.