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Kündigung von Arbeitsverhältnissen im Kleinbetrieb – was müssen Arbeitgeber und Arbeitnehmer beachten?

Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses kann jedenfalls dann ein schwieriges Unterfangen sein, wenn der Arbeitnehmer Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) genießt. In diesem Fall bedarf die Kündigung nämlich entsprechend § 1 Abs. 2 KSchG der sogenannten „sozialen Rechtfertigung“. Dies meint nichts anderes, als dass die Kündigung unter der Geltung des KSchG einer tragfähigen Begründung bedarf, die außerhalb dieses Gesetzes bei Arbeitsverhältnissen grundsätzlich nicht gefordert wird!

Eine Kündigung nach dem KSchG ist dann sozial gerechtfertigt und mithin rechtmäßig, wenn sie durch dringende betriebliche Erfordernisse oder Gründe im Verhalten bzw. der Person des Arbeitnehmers veranlasst ist. Die Beantwortung der Frage nach der sozialen Rechtfertigung der Kündigung stellt eines der Kernprobleme des Arbeitsrechts dar. Informationen dazu finden Sie auf unseren weiteren Informationsbeiträgen.

Die hohen Hürden der sozialen Rechtfertigung/Begründung einer Kündigung spielen im so genannten „Kleinbetrieb“ keine Rolle. Kleinbetriebe sind solche, die aufgrund ihrer geringen Größe (noch) nicht unter die Regelungen des KSchG fallen, die eine Kündigungsbegründungspflicht statuieren.

Nachstehend soll der Frage nachgegangen werden, unter welchen Voraussetzungen Betriebe in kündigungsschutz-rechtlicher Hinsicht privilegiert sind und welche Vorgaben auch in solchen Kleinbetrieben bei Ausspruch einer Kündigung gegenüber Arbeitnehmern zwingend beachtet werden müssen.

1. Kleinbetrieb/betriebliche Schwellenwerte

Ob eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses einer Begründung bedarf, bestimmt sich nach der Anzahl der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer. Insoweit benennt § 23 KSchG betriebliche Schwellenwerte für vom Kündigungsschutz ausgenommene Kleinbetriebe. Nach der aktuellen Gesetzesfassung sind Kleinbetriebe solche, die regelmäßig nicht mehr als 10 Zählarbeitnehmer beschäftigen.

Zu beachten ist, dass der gesetzliche Schwellenwert, der bei der Bestimmung des Kleinbetriebs anzusetzen ist, vor Jahren geändert worden ist. Bis zum 31.12.2003 betrug der Schwellenwert noch 5 Arbeitnehmer, sodass das Kündigungsschutzgesetz zum damaligen Zeitpunkt eine erheblich größere Reichweite als heute hatte. „Altarbeitnehmer“, die schon vor dem 01.01.2004 im Betrieb beschäftigt worden sind, können sich gemäß § 23 Abs. 1 S. 2 KSchG auch weiterhin auf den zum Zeitpunkt der Begründung ihres Beschäftigungsverhältnisses geltenden geringeren Schwellenwert berufen. Voraussetzung dafür ist aber, dass zum Kündigungszeitpunkt in dem Betrieb insgesamt noch mehr als 5 solcher „Altarbeitnehmer“ beschäftigt werden. Ist dies nicht der Fall, gilt auch für langjährige Arbeitnehmer der ungünstigere Schwellenwert von mehr als 10 Arbeitnehmern. Insoweit enthält § 23 Abs. 1 KSchG eine Übergangsregelung.

– Wie wird die Betriebsgröße bestimmt?

§ 23 Abs. 1 KSchG stellt auf „Zählarbeitnehmer“ ab. Bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von bis zu 20 Stunden mit 0,5 und von bis zu 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen. Geht die Arbeitszeit über 30 Stunden pro Woche hinaus, zählt der Arbeitnehmer mit 1,0.

Maßgeblich ist die Anzahl der „regelmäßig“ im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer. Bei der Bemessung des Schwellenwerts wird in erster Linie auf die Anzahl der zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung beschäftigten Arbeitnehmer abgestellt, wobei der gekündigte Arbeitnehmer mitgezählt wird. Dabei ist aber stets zu fragen, ob es sich bei der zum Kündigungszeitpunkt festzustellenden Anzahl der Beschäftigten um die Regelanzahl handelt.

Um ermitteln zu können, ob die Beschäftigtenanzahl zum Kündigungszeitpunkt für den Betrieb repräsentativ ist, ist eine zeitliche Vor- und Rückschau anzustellen. Zum Kündigungszeitpunkt vorhandene Arbeitnehmer zählen dann nicht mit, wenn diese z.B. wegen eines nur vorübergehenden Bedarfs zeitweilig eingestellt worden sind.

Wird zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses der gesetzliche Schwellenwert überschritten, dieser aber nach Wirksamwerden der ausgesprochenen Kündigung unterschritten, soll nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts der zu kündigende Arbeitnehmer bei der Bestimmung der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer auch dann zu berücksichtigen sein, wenn arbeitgeberseitig entschieden wurde, gerade diesen Arbeitsplatz zukünftig nicht mehr zu besetzen (BAG, Urteil vom 22.01.2004, Az. 2 AZR 237/ 03).

Bei der Bestimmung der regelmäßig im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zählen Auszubildende nicht mit.

Fraglich ist, ob auch Leiharbeitnehmer bei der Bestimmung der Betriebsgröße mitzuzählen sind. Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts sind Leiharbeitnehmer im Entleiherbetrieb zu berücksichtigen, wenn ihr Einsatz auf einem „in der Regel„ vorhandenen Personalbedarf beruht. Werden allerdings Leiharbeitnehmer nur zur Vertretung von Stammarbeitnehmern oder zur Bewältigung außerordentlicher Auftragsspitzen eingesetzt, sollen sie nicht mitzuzählen sein (BAG, Urteil vom 24.01.2013, Az. 2 AZR 140/12).

– Wie wird der „Betrieb“ bestimmt?

Die vorstehend benannten Schwellenwerte beziehen sich auf den „Betrieb“, nicht hingegen auf das „Unternehmen“ des Arbeitgebers. Der Betriebsbegriff ist grundsätzlich von demjenigen des Unternehmens bzw. vom Arbeitgeber streng abzugrenzen.

Der Betriebsbegriff ist gesetzlich nicht definiert. Er umfasst organisatorische Einheiten, in denen der Arbeitgeber bestimmte arbeitstechnische Zwecke verfolgt, so z.B. organisatorisch verselbstständigte Betriebsstätten, Filialen etc. Viele Arbeitgeber unterhalten eine Mehrzahl von Betrieben.

Das bedeutet aber nicht, dass dem Arbeitgeber freigestellt ist, sein Unternehmen in beliebig kleine Teileinheiten zur Vermeidung des Eingreifens des KSchG aufzuspalten. Die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte und des Bundesverfassungsgerichts fasst den Betriebsbegriff im Sinne von § 23 KSchG bewusst weit, um Arbeitnehmern den Kündigungsschutz zu sichern (vgl. BVerfG, Urteil vom 27.01.1998, Az. 1 BvL 15/87).

2. Kündigungsschutz im Kleinbetrieb

Auch wenn im Kleinbetrieb keine gesonderte „soziale Rechtfertigung“ der Kündigung durch den Arbeitgeber gefordert wird, besteht keine uneingeschränkte Kündigungsbefugnis. Die Kündigung ist vielmehr dann unwirksam, wenn sie als sittenwidrig im Sinne von § 138 BGB oder treuwidrig gemäß § 242 BGB zu begreifen ist oder gegen ein gesetzliches Verbot verstößt (§ 134 BGB).

So verbietet z.B. das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) die diskriminierende Kündigung. Eine Kündigung darf nicht aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität ausgesprochen werden (§ 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG).

Zwar bestimmt § 2 Abs. 4 AGG, dass für Kündigungen ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz gelten sollen. Das Bundesarbeitsgericht hat aber schon 2013 geurteilt, dass diese gesetzliche Regelung zum Ausschluss der unmittelbaren Anwendbarkeit des Diskriminierungsschutzes auf Kündigungen im Kleinbetrieb keine Anwendung findet (BAG, Urteil vom 19.12.2013, Az. 6 AZR 190 / 12, vgl. auch LAG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 03.02.2015, Az. 6 Sa 88 / 14).

Das BAG hat seine Rechtsauffassung in einer jüngeren Entscheidung erneut bestätigt und die Kündigung des Arbeitsverhältnisses in einem Kleinbetrieb wegen Altersdiskriminierung im Sinne von § 1 AGG für unwirksam erachtet (BAG, Urteil vom 23.07.2015, Az. 6 AZR 457/14).

Es entspricht ebenfalls ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, dass arbeitgeberseitige Kündigungen in Kleinbetrieben nur innerhalb der Schranken von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ausgesprochen werden dürfen. Eine Kündigung sei insbesondere dann treuwidrig, wenn die Kündigungsmotivation des Arbeitgebers im betrieblichen Bereich fuße und eine Auswahl der zu kündigenden Personen erfolgen müsse. Dann sei der Arbeitgeber verpflichtet, bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitsnehmers ein Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme walten zu lassen (BAG, Urteil vom 28.10.2010, Az. 2 AZR 392/08).

Fällt z.B. aufgrund einer beabsichtigten Verkleinerung des Betriebs ein Arbeitsplatz dauerhaft weg und entscheidet sich der Arbeitgeber für die Kündigung des seit 25 Jahren beschäftigten Altgesellen bei Weiterbeschäftigung des erst seit einem Jahr beschäftigten „Junggesellen“, wird die Kündigung des langjährigen Mitarbeiters unwirksam sein. Allerdings wird dem Arbeitgeber nicht untersagt werden können, seine Kündigungsentscheidung z.B. von Feststellungen zu Arbeitsunfähigkeitszeiten eines Arbeitnehmers leiten zu lassen.

3. Sonderkündigungsschutz für besondere Arbeitnehmergruppen

Auch im Kleinbetrieb ist bei der Kündigung von Arbeitsverhältnissen ein etwaiger Sonderkündigungsschutz zu berücksichtigen. Ein solcher folgt aus nachstehenden Regelungen:

– § 4 f Abs. 3 S. 5 BDSG (Datenschutzbeauftragter);

– § 66 WHG i.V.m. § 58 Abs. 2 BImSchG (Gewässerschutzbeauftragter);

– § 58 Abs. 2 S. 1, 2 BImSchG (Immissionsschutzbeauftragter);

– § 85 SGB IX (schwerbehinderte Menschen);

– § 9 Abs. 1 MuSchG (Schwangerschaft und nachwirkender Mutterschutz);

– § 18 Abs. 1 BEEG (Schutz während der Elternzeit);

– § 2 Abs. 3 AbgG (Mandatsbewerber/Bundestagsabgeordnete);

– Sonderkündigungsschutz für Abgeordnete nach den Landesgesetzen;

– § 15 KSchG (Funktionsträger der Betriebsverfassung).

Hier sind regelmäßig ordentliche Kündigungen des Arbeitsverhältnisses ausgeschlossen bzw. vor Ausspruch einer Kündigung behördliche Zustimmungen einzuholen.

4. Form und Frist der Kündigung

Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses bedarf stets der Schriftform, § 623 BGB. Der Gesetzgeber unterscheidet hier nicht zwischen unterschiedlichen Betriebsgrößen. Dasselbe gilt für die gesetzlichen Mindestkündigungsfristen gemäß § 622 BGB. Auch diese gelten einschränkungslos im Kleinbetrieb mit der Maßgabe, dass in Betrieben mit bis zu 20 Arbeitnehmern innerhalb der ersten 2 Jahre des Arbeitsverhältnisses eine Kündigungsfrist von 4 Wochen vereinbart werden darf. § 622 Abs. 5 BGB kennt damit eine eigene „Kleinbetriebsregelung“.

5. Zeugnis und Abfindung bei Kündigung

Der gekündigte Arbeitnehmer hat gemäß § 109 GewO einen Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses. Er kann dabei auch ein sogenanntes „qualifiziertes Arbeitszeugnis“ verlangen. Im Gegensatz zum „einfachen“ Arbeitszeugnis enthält das qualifizierte Zeugnis Angaben zu Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis.

Unterschieden wird das sogenannte „Zwischenzeugnis“ vom Endzeugnis. Das Zwischenzeugnis wird im noch bestehenden Arbeitsverhältnis erteilt, das Endzeugnis setzt die Beendigung des Arbeitsverhältnisses voraus.

Dem gekündigten Arbeitnehmer ist stets zu raten, sogleich nach Zugang der Kündigungserklärung ein Zwischenzeugnis zu verlangen, um so die Aussichten in Bewerbungsverfahren zu verbessern.

Bei Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber besteht für den Arbeitnehmer grundsätzlich kein Anspruch auf Erhalt einer Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes. Ein solcher folgt insbesondere nicht aus § 1 a KSchG. Diese Regelung ermöglicht lediglich dem Arbeitgeber, den Arbeitnehmer unter der Bedingung der Nichterhebung einer Kündigungsschutzklage eine Abfindung anzubieten, ohne eine dementsprechende Verpflichtung zu begründen.

Allerdings sind Abfindungsvereinbarungen in Kündigungsschutzverfahren an der Tagesordnung. Die Höhe einer Abfindung orientiert sich dabei üblicherweise an den arbeitsrechtlichen und den damit einhergehenden wirtschaftlichen Risiken.

6. Meldepflicht des Arbeitnehmers bei der Agentur für Arbeit

Gemäß § 38 Abs. 1 SGB III müssen sich gekündigte Arbeitnehmer spätestens 3 Monate vor Ablauf der Kündigungsfrist persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend melden. Kommen sie dieser Verpflichtung nicht nach, drohen Nachteile für den Bezug von Arbeitslosengeld (Verhängung einer Sperrzeit).

Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 3 SGB III sollen Arbeitgeber die Arbeitnehmer vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses frühzeitig über die Verpflichtung zur Meldung nach § 38 Abs. 1 SGB III informieren.

Die Information des gekündigten Arbeitnehmers über die bestehende Meldepflicht ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung. Eine unterbliebene Unterrichtung führt mithin nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung selbst.

Unterlässt der Arbeitgeber den gesetzlich geforderten Hinweis auf die bestehende Meldepflicht, macht er sich auf keinen Fall schadensersatzpflichtig. Dies hat das Bundesarbeitsgericht in einer zurückliegenden Entscheidung festgestellt (BAG, Urteil vom 29.09.2005, Az. 8 AZR 571/04).

Fazit:

Auch die Kündigung im sogenannten Kleinbetrieb kann außerordentlich problembehaftet sein. Dies dürfte hinreichender Anlass für Arbeitgeber sein, auch auf kleine Betriebseinheiten bezogene Kündigungen sorgfältig vorzubereiten. Arbeitnehmer hingegen werden veranlasst sein, auch bei Kündigungen im Kleinbetrieb sorgsame Prüfungen zur Rechtmäßigkeit anzustellen, um gegebenenfalls doch noch den Arbeitsplatz oder wenigstens eine Abfindung zu erhalten.

Wir unterstützen Sie in diesen Fragestellungen gern.