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Erforderlichkeit eines Betriebsratsseminars zum Thema „Mobbing“: Das Bundesarbeitsgericht zeigt Möglichkeiten und Grenzen der Weiterbildung auf

Der Betriebsrat kann seine gesetzlichen Aufgaben im Regelfall nur dann sinnvoll erfüllen, wenn er über die notwendigen Kenntnisse des Betriebsverfassungsrechts sowie anderer Bereiche seiner Zuständigkeit verfügt. Daher gewährleistet das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) die Weiterbildung von Betriebsratsmitgliedern. Gemäß § 40 Abs. 1 i.V.m. § 37 Abs. 6 S. 1 BetrVG hat der Betriebsrat gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf Freistellung von den Seminargebühren und Übernachtungs- sowie Verpflegungskosten, die durch die Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an einem Seminar entstanden sind, soweit denn die konkrete Schulungsteilnahme „erforderlich“ war.

– Wann aber ist eine Schulungsteilnahme erforderlich?

Gemäß § 37 Abs. 6 S. 1 BetrVG ist die Vermittlung von Kenntnissen erforderlich, wenn sie unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse in Betrieb und Betriebsrat notwendig sind, damit der Betriebsrat seine gegenwärtigen oder in naher Zukunft anstehenden Aufgaben ordnungsgemäß erfüllen kann. Dies entspricht herrschender Rechtsprechung sowie der Auffassung der arbeitsrechtlichen Literatur

In einer jüngeren Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht diesen Maßstab am Beispiel eines vom Betriebsrat besuchten Seminars zum Thema „Mobbing“ weiter konkretisiert (BAG, Beschluss vom 14.01.2015, Az. 7 ABR 95/12).

Danach gilt Folgendes:

– Nachweiserleichterungen bei erstmalig gewählten Betriebsratsmitgliedern

Das BAG hat herausgestellt, dass bei erstmals gewählten Betriebsratsmitgliedern die Schulungsbedürftigkeit nicht näher dargelegt zu werden brauche, sofern in einem Seminar Grundkenntnisse im Betriebsverfassungsrecht, im allgemeinen Arbeitsrecht oder im Bereich der Arbeitssicherheit und Unfallverhütung vermittelt würden. Es sei zwischen der Vermittlung sogenannter Grundkenntnisse und anderen Schulungsveranstaltungen zu unterscheiden. Durch die Vermittlung von Grundwissen solle das Betriebsratsmitglied erst in die Lage versetzt werden, seine sich aus der Amtsstellung ergebenden Rechte und Pflichten ordnungsgemäß wahrzunehmen. Für andere Schulungsveranstaltungen müsse ein aktueller, betriebsbezogener Anlass für die Annahme bestehen, dass die in der Schulungsveranstaltung zu erwerbenden besonderen Kenntnisse derzeit oder in naher Zukunft von dem zu schulenden Betriebsratsmitglied benötigt werden, damit der Betriebsrat seine Beteiligungsrechte sach- und fachgerecht ausüben könne.

– Maßgeblichkeit der Kosten der Schulungsveranstaltung

Das Gericht hat ferner darauf hingewiesen, dass bei der Prüfung der Erforderlichkeit einer Schulungsveranstaltung die betriebliche Situation und die mit dem Besuch der Schulungsveranstaltung verbundenen finanziellen Belastungen des Arbeitgebers zu berücksichtigen seien. Nach zutreffender Auffassung des Gerichts hat der Betriebsrat darauf zu achten, dass der Schulungszweck in einem angemessenen Verhältnis zu den hierfür aufzuwendenden Mitteln steht. Die Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung sei nicht erforderlich, wenn sich der Betriebsrat vergleichbare Kenntnisse zumutbar und kostengünstiger auf andere Weise verschaffen könne (BAG, Beschluss vom 18.01.2012, Az. 7 ABR 73/10).

Auch andere Gerichte sind der Auffassung, dass der Betriebsrat bei der Auswahl einer Schulungsveranstaltung Kostengesichtspunkte nicht völlig außer Acht lassen dürfe. So müsse der Betriebsrat nach Meinung des LAG Frankfurt eine erhebliche Preisdifferenz zwischen mehreren Angeboten mit sachlichen Argumenten begründen können. Bei der Auswahlentscheidung könne von Bedeutung sein, dass ein anderer als der vom Betriebsrat ausgewählte Veranstalter eine vergleichbare Schulung an einem Ort anbietet, für den weder Kosten für die Bahnfahrt, noch Übernachtungskosten anfallen. Ferner könne zu berücksichtigen sein, dass ein anderer Anbieter eine um einen Tag kürzere Fortbildung mit vergleichbaren Inhalten anbietet (LAG Frankfurt, Beschluss vom 14.11.2013, Az. 16 TaBVGa 179/13).

Damit spricht das Bundesarbeitsgericht eine immer wiederkehrende Problematik im Zusammenhang mit der Schulung von Betriebsratsmitgliedern an. Vielfach bemängeln Arbeitgeber, dass die vom Betriebsrat ausgewählte Maßnahme der Schulung mit außerordentlich hohen Kosten verbunden ist und eine gleichartige Weiterbildung auch zu geringeren Kosten bzw. mit geringerem Aufwand bewerkstelligt werden könnte. Derlei Überlegungen werden vom BAG in der hier referierten Entscheidung gestützt.

Betriebsräte werden also vermehrt Veranlassung haben zu prüfen, ob gleiche oder ähnliche Schulungsinhalte von verschiedenen Anbietern offeriert werden und ob erhebliche Preisunterschiede bestehen. Bei der Frage der Minimierung der arbeitgeberseitigen Kostenbelastung wird auch im Auge zu behalten sein, mit welchem Freistellungsaufwand die Maßnahme einhergeht. So strecken einige Anbieter von Fortbildungsmaßnahmen für Betriebsräte Schulungen so, dass gesamte Arbeitswochen ausfallen. Andere Anbieter hingegen raffen den Schulungsinhalt z.B. in der Weise, dass dieser in einer dreitägigen Veranstaltung präsentiert wird. Der Aufwand der Freistellung von Betriebsratsmitgliedern würde dadurch verringert. Von Bedeutung ist auch die Örtlichkeit der Schulungsveranstaltung, da sich diese unmittelbar auf die Dauer von An- und Abreisezeiten auswirkt. Bei in örtlicher Nähe zum Betrieb gelegenen Maßnahmen werden regelmäßig auch Übernachtungskosten entfallen.

Das BAG weist aber darauf hin, dass der Betriebsrat nicht stets die kostengünstigste Schulungsveranstaltung auswählen muss. Eine solche Verpflichtung verneint das Gericht dann, wenn der Betriebsrat eine andere Schulung für qualitativ besser halten darf. Der Beurteilungsspielraum des Betriebsrats soll sich ausdrücklich auch auf den Inhalt der Schulungsveranstaltung beziehen. Nur wenn mehrere gleichzeitig angebotene Veranstaltungen auch nach Ansicht des Betriebsrats im Rahmen des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums als qualitativ gleichwertig anzusehen seien, könne eine Beschränkung der Kostentragungspflicht des Arbeitgebers auf die Kosten der preiswerteren in Betracht kommen.

Allerdings wird es dem Betriebsrat nicht gestattet sein, günstigere Alternativveranstaltungen mit dem Argument stets dann abzulehnen, solche Schulungen würden nicht zur selben Zeit wie die ausgewählte Schulungsveranstaltung stattfinden. Zeitliche Differenzen werden nur dann eine Rolle spielen, wenn es besonders wichtige Gründe dafür gibt, dass eine Schulungsmaßnahme zu einem bestimmten Zeitpunkt bzw. in einem bestimmten Zeitraum durchgeführt wird.

– Berücksichtigung des Schulungsbedürfnisses des Betriebsrats insgesamt

Die Schulung eines zu einem Seminar entsandten Betriebsratsmitglieds ist nach Meinung des Bundesarbeitsgerichts dann nicht notwendig, wenn die auf der Schulungsveranstaltung vermittelten Kenntnisse im Betriebsrat bereits vorhanden sind. Allerdings soll der Betriebsrat weder verpflichtet sein, die anstehenden Aufgaben auf wenige kenntnisreiche Mitglieder zu konzentrieren, noch müsse er sich bei der Aufgabenerfüllung auf die Information eines einzelnen Betriebsratsmitglieds verlassen. Auch wenn ein Mitglied die erforderlichen Kenntnisse bereits besitze, könne die sinnvolle Organisation der Betriebsratsarbeit gebieten, auch andere Mitglieder mit der Aufgabenwahrnehmung zu betrauen. Hier stellt das BAG in erster Linie auf die Größe und die personelle Zusammensetzung sowie die Geschäftsverteilung des Betriebsrats ab.

– Erforderlichkeit einer Schulungsveranstaltung zum Thema „Mobbing“

Grundsätzlich sollen auch Schulungsveranstaltungen zum Thema Mobbing erforderlich sein können. Das BAG hat darauf hingewiesen, dass der Betriebsrat eine Schulung zu diesem Thema für erforderlich halten darf, wenn im Betrieb Konfliktlagen bestehen, aus denen sich Mobbing entwickeln kann. Rein vergangenheitsbezogene/abgeschlossene Sachverhalte genügten nach Auffassung des Gerichts allerdings ebenso wenig wie die rein theoretische Möglichkeit, dass diese Frage einmal im Betrieb auftreten könnte.

Wie aber kann in dieser Frage sinnvoll abgegrenzt werden?

Das Bundesarbeitsgericht unternimmt einen in der Praxis vermutlich nur schwer umsetzbaren Versuch der Abgrenzung erforderlicher und nicht erforderlicher Schulung zum Thema Mobbing. Danach soll ein die Schulung rechtfertigender erforderlicher konkreter und betriebsbezogener Anlass nicht im Sinne eines akuten Ereignisses, sondern im Sinne eines gegenwärtigen Bedürfnisses zu verstehen sein. Dieses könne gegeben sein, wenn der Betriebsrat aufgrund ihm bekannt gewordener Konflikte initiativ werden will, um etwa durch Verhandlungen mit dem Arbeitgeber über den Abschluss einer Betriebsvereinbarung der Entstehung von Mobbing oder weiteren Mobbingfällen entgegenzuwirken. Es wird also nicht darauf ankommen, dass es tatsächlich schon einen oder mehrere Fälle von Schikanen/Mobbing im Betrieb gegeben hat.

Ausdrücklich wird vom BAG darauf hingewiesen, dass das Bestehen einer betrieblichen Sozialberatung der Erforderlichkeit eines Seminarbesuchs zum Thema Mobbing nicht entgegenstehen soll.

Fazit:

Ein klassischer Streitpunkt der Betriebsverfassung findet sich in der Frage nach der Erforderlichkeit von Schulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen des Betriebsrats. Hinsichtlich der Thematik „Mobbing“ gilt, dass eine gänzlich anlassfreie Schulung grundsätzlich nicht erforderlich ist. In solchen Fällen hat der Arbeitgeber weder Betriebsratsmitglieder für Schulungsteilnahmen freizustellen noch die Kosten solcher Maßnahmen zu tragen. Besuchen Betriebsratsmitglieder dennoch solche Schulungen während der Arbeitszeit, wird sich die Versäumung der Arbeit als Pflichtwidrigkeit darstellen.

Vor dem Hintergrund dieser Gefahrenlage werden Arbeitgeber und Betriebsräte vor jeder beabsichtigten Schulung von Betriebsratsmitgliedern sehr sorgfältig zu prüfen haben, ob die gesetzlichen Voraussetzungen dafür überhaupt gegeben sind. Bei der Beurteilung der zum Teil schwierigen Sach- und Rechtslage stehen wir Ihnen mit unserer Expertise gerne zur Verfügung.