Dr. Gloistein & Partner

News

Rechtsinfos und aktuelle Beiträge

Das neue Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes – Worauf müssen sich Verleiher, Entleiher und Leiharbeitnehmer ab dem 01.04.2017 einstellen:

Die Arbeitnehmerüberlassung ist im Wandel. Vor dem Hintergrund einer langen Diskussion über (vermeintlichen) Missbrauch der Arbeitnehmerüberlassung und Beeinträchtigung von Arbeitnehmerinteressen durch ausufernde Beschäftigung in (Schein-) Werk- und Dienstverträgen hat der Deutsche Bundestag die Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes zum 01.04.2017 beschlossen.

Die Änderungen gehen über bloße Korrekturen hinaus. Tatsächlich hat das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz mit der Novellierung ein neues Gesicht bekommen. Arbeitnehmerrechte werden ausgeweitet. Naturgemäß schränkt dies in gleicher Weise Arbeitgeberpositionen ein.

Im Zuge dieser Gesetzesreform hat sich der Gesetzgeber entschlossen, eine bisher nicht vorhandene Legaldefinition für den Begriff des Arbeitsvertrags in § 611a BGB zu schaffen. Zwar ist in der Gesetzesbegründung ausgeführt worden, mit der erstmaligen Einführung einer solchen Definition des Arbeitsvertrags sollten keine Änderungen der bestehenden Rechtslage herbeigeführt werden. Die gesetzliche Neuregelung wirft aber zum Teil neue Probleme der Abgrenzung des Arbeitsvertrags von anderweitigen Rechtsverhältnissen auf, die das Arbeitsrecht auch in Zukunft beschäftigen werden. Dieser Thematik soll hier indes nicht weiter nachgegangen werden.

Nachstehend geben wir einen Überblick über die gesetzlichen Neuregelungen der Arbeitnehmerüberlassung.

Wichtige Schlagworte:

  • Legaldefinition des Begriffes „Arbeitsvertrag“
  • Legaldefinition des Begriffes „Arbeitnehmerüberlassung“
  • Höchstüberlassungsdauer
  • Vertragsbezeichnung
  • Gleiche Bezahlung (Equal Pay)
  • Gleichbehandlung (Equal Treatment)

Klar geregelt ist nun die Überlassungshöchstdauer desselben Leiharbeitnehmers von 18

Monaten (§ 1 Abs. 1 AÜG). Sie ist nicht nur eindeutig arbeitnehmerbezogen ausgestaltet sondern stellt deutlich heraus, dass bei einem Entleiher über einen längeren Zeitraum als 18 Monate ausschließlich mit wechselnden Leiharbeitnehmern gearbeitet werden muss. Ob dies eher zu einer Rotation der Leiharbeitnehmer führen wird oder dem eigentlich verfolgten Zweck, namentlich der Verhinderung der Besetzung von langfristig angelegten Arbeitsplätzen mit Leiharbeitnehmern, eher entgegenwirkt, wird die Praxis zeigen.

Hohe praktische Relevanz wird die Berechnung der Unterbrechungszeit von mindestens 3 Monaten haben, die dazu führt, dass die 18-Monatsfrist erneut zu laufen beginnt, in der derselbe Arbeitnehmer beim selben Entleiher eingesetzt werden darf. Hier werden neben der genauen Bestimmung des Anfangs- und Enddatums der Überlassungshöchstdauer auch die Zeiten, die zu einer Unterbrechung der Entleihfrist führen, sowohl auf Verleiherseite und noch viel mehr beim Entleiher immer wieder für Diskussionsstoff sorgen. Eine detailgenaue Aufklärung des für den einzelnen Leiharbeitnehmer bestehenden Lebenssachverhaltes wird Hauptaufgabe des beratenden Anwalts sein. Hier zählen Fragen nach dem tatsächlichen Beginn eine ebenso bedeutende Rolle, wie nach Umständen, die zur Unterbrechung der Frist führen.

Erfreulich eindeutig geht aus der neuen gesetzlichen Regelung hervor, dass aufgrund der Arbeitnehmerbezogenheit der Überlassungshöchstdauer ein Wechsel des Verleihers nicht zu einer Unterbrechung oder einem Neubeginn der 18-Monatsfrist beim selben Entleiher führt.

Eine Abweichung von der Überlassungshöchstdauer ist dann möglich, wenn ein Tarifvertrag der Einsatzbranche eine konkrete abweichende Regelung vorsieht. Eine Begrenzung der Dauer ist weder aus der Gesetzesbegründung noch aus den derzeit diskutierten Ansichten ersichtlich. Eine solche abweichende Regelung kann auch von nichttarifgebundenen Entleihern durch Betriebs- oder Dienstvereinbarungen formuliert und damit genutzt werden, sofern der Tarifvertrag für den Entleiher räumlich, fachlich und zeitlich einschlägig ist und die Übernahme ohne inhaltliche Änderungen des Wortlautes des Tarifvertrages erfolgt.

Zu beachten ist in diesen Fällen, dass nicht tarifgebundene Entleiher bei Existenz einer bloßen Öffnungsklausel im Tarifvertrag eine Höchstüberlassungsdauer von 24 Monaten auch nicht durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung überschreiten dürfen. Für die Beratungspraxis wird diese eher komplizierte Regelung eine hohe Relevanz bekommen, da die unzulässige Überschreitung der Höchstüberlassungsdauer gravierende Folgen für Entleiher, Verleiher und nicht zuletzt auch für den Leiharbeitnehmer hat.

Bei Überschreitung der Überlassungshöchstdauer sieht das AÜG nun gleich mehrere Sanktionen vor:

  • Unwirksamkeit des Arbeitsvertrages zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer, § 9 Abs.1 Nr. 1 b AÜG
  • Fiktion eines Arbeitsverhältnisses zum Entleiher, § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG

Die Fiktion eines Arbeitsverhältnisses zum Entleiher tritt nicht ein, wenn der Leiharbeitnehmer schriftlich bis zum Ablauf eines Monats nach erstmaligem Überschreiten der zulässigen Überlassungshöchstdauer gegenüber dem Verleiher oder dem Entleiher erklärt, dass er an dem Arbeitsvertrag mit dem Verleiher festhält. Neben der Abgabe einer so genannten Vorsorgefesthaltenserklärung (Abgabe eine Erklärung gegenüber der Bundesagentur für Arbeit) wird auch hier die Berechnung der Frist für die Praxis relevant.

  • Geldbuße gegenüber Verleiher und Entleiher von bis zu 30.000 Euro, § 16 Abs. 1 Nr. 1 e, Abs. 3 AÜG
  • Gefährdung der Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis des Verleihers, § 5 Abs. 1 Nr. 4, § 3 Abs. 1 Nr. 1 AÜG

Ein Vertrag, der die Überlassung von Leiharbeitnehmern zum Gegenstand hat, ist auch als solcher zu bezeichnen. Darüber hinaus ist die Person des Leiharbeitnehmers zu konkretisieren. Auch der Leiharbeitnehmer selbst ist vor der eigentlichen Überlassung hierüber zu informieren. Da ein Verstoß gegen diese konkrete Offenlegungspflicht zur Unwirksamkeit des Arbeitsvertrages zwischen

Verleiher und Leiharbeitnehmer und zur Fiktion eines Arbeitsverhältnisses zum Entleiher führt sowie Geldbußen und Konsequenzen für die Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis drohen, ist auch hier höchste Präzision gefordert. Zwar kann der Leiharbeitnehmer zur Verhinderung der Entstehung eines Arbeitsvertrages zum Entleiher auch in derartigen Fällen eine Festhaltenserklärung abgeben. In einigen Konstellationen kann jedoch die Ermittlung der Monatsfrist, namentlich der Fristbeginn, schwierig werden.

Gleiche Bezahlung (Equal Pay) muss in der Regel nach 9 – unter bestimmten tariflichen Ausnahmen spätestens nach 15 – Monaten erreicht werden. Insbesondere die Möglichkeit zur Beurteilung der Gleichwertigkeit der Tätigkeit zu den Tätigkeiten anderer im Betrieb des Entleihers tätigen festen Angestellten verlangt ein ausreichend dokumentiertes Bewertungssystem. Auch hier drohen bei einem Fehler wieder Sanktionen von der Unwirksamkeit des Überlassungsvertrages über Geldbußen bis hin zur Versagung der Überlassungserlaubnis.

Das Vorgenannte gilt sinngemäß auch für die Gleichbehandlung (Equal Treatment) der Leiharbeitnehmer im Betrieb.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass durch die Neuregelung eine Verschärfung des Rechts stattgefunden hat und sich einige Rechtsfolgen auf den laufenden Betrieb und die Personalstruktur sowohl der Verleiher als auch der Entleiher auswirken können. Auch die für bestehende Verträge vor dem 1.4.2017 geltenden Übergangsfristen machen die Arbeit der Personalverantwortlichen und Entscheider auf beiden Seiten des Überlassungsvertrages nicht einfacher. Die Feststellung, wann tatsächlich ein Überlassungsvertrag vorliegt und wann nicht, ist durch die Neuregelung nicht einfacher geworden. Besondere Rechtsunsicherheit ist für die Unterscheidung des Vorliegens eines Werk- oder Dienstleistungsvertrages zum Überlassungsvertrag immer dann gegeben, wenn, wie beispielsweise bei Wartungsverträgen üblich, der Unternehmer sein Personal zur Erbringung der Leistung im Betrieb des Auftraggebers arbeiten lassen muss. Bei der Ausgestaltung entsprechender Verträge ist daher nicht nur größte Sorgfalt geboten, sondern auch eine Beobachtung der laufenden Rechtsprechung erforderlich.

Für weitergehende Fragen stehen Ihnen unsere Experten selbstverständlich gern zur Verfügung.