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Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot und Karenzentschädigung – Voraussetzungen und Grenzen

Im laufenden Arbeitsverhältnis ist Wettbewerb des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber strengstens untersagt. Dies ist selbstverständlich, kann es doch nicht angehen, dass der Arbeitnehmer „seinen“ Arbeitgeber in dessen Geschäftsfeld attackiert, solange er selbst vom Arbeitgeber Vergütung für seine Tätigkeit erhält. Ungeachtet dessen steht es dem Arbeitgeber selbstverständlich frei, einem Arbeitnehmer auch im bestehenden Arbeitsverhältnis Wettbewerb zu gestatten. In der Praxis wird dies kaum geschehen.

Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist der Arbeitnehmer hingegen typischerweise „frei“: Insbesondere kann er im Anschluss an ein vorheriges Arbeitsverhältnis Wettbewerb zum bisherigen Arbeitgeber betreiben.

Will der bisherige Arbeitgeber verhindern, dass der Arbeitnehmer auch nach Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis in Wettbewerb zu ihm tritt, muss er mit dem Arbeitnehmer eine Vereinbarung über ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot treffen. Typischerweise werden nachvertragliche Wettbewerbsverbote schon im Arbeitsvertrag vereinbart. Zum Teil finden sich gesonderte Regelungen zu Umfang und Inhalt solcher Wettbewerbsverbote.

Nachvertraglichen Wettbewerbsverbote sind gesetzlich reglementiert. Maßgebend sind in erster Linie die Vorschriften der §§ 74 ff. HGB.

 

1. Formelle Voraussetzungen eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots

Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot bedarf gem. § 74 Abs. 1 HGB der Schriftform. Der Inhalt des Schriftformerfordernisses ergibt sich seinerseits aus § 126 BGB. Es bedarf also einer Urkunde, die von den Vertragsparteien eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden muss. Die Unterzeichnung beider Vertragsparteien muss auf derselben Urkunde erfolgen.

Daneben ist gem. § 74 Abs. 1 HGB die Aushändigung einer vom Arbeitgeber unterzeichneten, die vereinbarten Bestimmungen enthaltenden Urkunde an den Arbeitnehmer erforderlich. Nicht ausreichend sind auf ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot gerichtete Vereinbarungen, die auf Grund von Faxkopien, E-Mails o. ä. zustande kommen.

 

2. Nichtige und unwirksame Wettbewerbsverbote

Das Handelsgesetzbuch (HGB) unterscheidet zwischen nichtigen und unwirksamen Wettbewerbsregelungen. Gründe für die Nichtigkeit von Wettbewerbsverboten finden sich in § 74 a Abs. 1 und 3 HGB. Das Verbot ist danach nichtig, wenn der im Gesetz benannte „Gehilfe“ (Arbeitnehmer) zur Zeit des Abschlusses des Wettbewerbsverbots minderjährig ist oder wenn sich der „Prinzipal“ (Arbeitgeber) die Erfüllung auf Ehrenwort oder unter ähnlichen Versicherungen versprechen lässt. Nichtig sind auch Vereinbarungen, durch die ein Dritter an Stelle des Arbeitnehmers die Verpflichtung übernimmt, dass sich der Arbeitnehmer nach der Beendigung des Dienstverhältnisses in seiner gewerblichen Tätigkeit beschränken werde. Ebenso sind sittenwidrige Wettbewerbsverbote nichtig. Insoweit ist im Einzelfall zu klären, ob die Voraussetzungen für Sittenwidrigkeit gegeben sind oder nicht.

Eine Wettbewerbsverbotsregelung ist nach § 74 a Abs. 1 HGB lediglich unverbindlich, wenn sie nicht dem Schutz eines berechtigten geschäftlichen Interesses des Arbeitgebers dient. Es ist ferner unverbindlich, soweit es unter Berücksichtigung der gewöhnlichen Karenzentschädigung nach Ort, Zeit oder Gegenstand eine unbillige Erschwerung des Fortkommens des Arbeitnehmers enthält. Mit anderen Worten: Ein zu weit gehendes nachvertragliches Wettbewerbsverbot ist zwar nicht nichtig, vielmehr für den Arbeitnehmer unverbindlich. Der Arbeitnehmer kann dann seinerseits entscheiden, ob er sich an das nachvertragliche Wettbewerbsverbot gebunden halten möchte oder ob er ungeachtet der getroffenen Wettbewerbsverbotsvereinbarung Wettbewerb betreibt.

 

Praxishinweis für Arbeitgeber: Die besondere Schwierigkeit bei der Ausgestaltung von nachvertraglichen Wettbewerbsverboten liegt darin, diese nicht zu weit zu fassen. Findet eine „Übersicherung“ der unternehmerischen/arbeitgeberseitigen Interessen in einem Wettbewerbsverbot statt, hat es allein der Arbeitnehmer in der Hand, das Wettbewerbsverbot zu beachten oder nicht. Das mit der Vereinbarung verfolgte arbeitgeberseitige Ziel der zeitweiligen Ausschaltung von Wettbewerb durch den Arbeitnehmer ist damit massiv gefährdet. Dies dürfte insbesondere bei Arbeitsverhältnissen mit Know-How-Trägern von erheblicher Bedeutung sein.

Daher ist eine auf den konkreten Einzelfall bezogene Ausgestaltung des Wettbewerbsverbots vorzunehmen.

Umstritten ist, ob arbeitgeberseitig erstellte und dem Arbeitnehmer vorgegebene nachvertragliche Wettbewerbsverbotsvereinbarungen der besonderen Kontrolle von allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) entsprechend §§ 305 ff. BGB unterfallen. In der Rechtsprechung herrscht die Tendenz vor, eine solche Überprüfung mit der Folge der Unwirksamkeit der Klausel nicht durchzuführen (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.01.2008, Az: 10 Sa 60/07).

 

3. Karenzentschädigung

Bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten im Arbeitsverhältnis gilt der Grundsatz bezahlter Karenz. Das Wettbewerbsverbot ist nach § 74 Abs. 2 HGB nur verbindlich, wenn sich der Arbeitgeber verpflichtet, für die Dauer des Verbots eine Entschädigung zu zahlen, die für jedes Jahr des Verbots mindestens die Hälfte der von dem Arbeitnehmer zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen erreicht.

In der Praxis finden sich häufig Vertragsregelungen, die den Vorgaben von § 74 Abs. 2 HGB nicht entsprechen, in dem sich die Karenzentschädigung z. B. nach der Höhe des Durchschnittsverdienstes des letzten Jahres oder anderer Zeiträume bestimmen soll. Solche Klauseln bewirken ihrerseits die Unverbindlichkeit des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots. Daher ist auch hier besondere Sorgfalt bei der Ausgestaltung der Vereinbarung walten zu lassen.

Die Karenzentschädigung ist nach  § 74 b Abs. 1 HGB am Schluss eines jeden Monats zu zahlen. Variable Vergütungsbestandteile (z. B. Provisionen) sind bei der Berechnung der Höhe der Karenzentschädigung ebenfalls zu berücksichtigen (§ 74 b Abs. 2 HGB).

Der Arbeitnehmer muss sich auf die Karenzentschädigung anderweitigen Erwerb anrechnen lassen. Anzurechnen sind grundsätzlich sonstige Einkommen, die der Arbeitnehmer während des Verbotszeitraums erzielt. Ebenso ist böswilliger unterlassener anderweitiger Verdienst anzurechnen! Wenn sich der Arbeitnehmer also auf eine möglicherweise üppige Karenzentschädigung einrichtet und ihm unterbreitete anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten ausschlägt, hat dies Einfluss auf die Karenzentschädigung. Allerdings sind die Nachweismöglichkeiten des Arbeitgebers hier regelmäßig erschwert. Hier gilt es, tragfähige Strategien zu entwickeln, um etwaige Anrechenbarkeiten zu erkennen und durchzusetzen.

Im Übrigen sind auch Arbeitslosengeld, Krankengeld und sonstige Sozialleistungen grundsätzlich anzurechnen. Keine Anrechnung finden hingegen bloße Zins- und Kapitaleinkünfte.

Die Anrechnung hat nur insoweit zu erfolgen, als das die Summe der Karenzentschädigung und des anderweitigen Verdienstes/böswillig unterlassenen Verdienstes den Betrag von 110 % der vorherigen Arbeitsvergütung im Arbeitsverhältnis übersteigt. Ist der Arbeitnehmer durch das Wettbewerbsverbot gezwungen worden, seinen Wohnsitz zu verlegen, so erhöht sich der Wert von 110 % auf 125 % (§ 74 c Abs. 1 Satz 2 HGB).

 

4. Auskunftsanspruch des Arbeitgebers

Regelmäßig haben (ehemalige) Arbeitgeber keine präzise Kenntnis über die anderweitige Erwerbssituation des vormaligen Arbeitnehmers während des Wettbewerbsverbotszeitraums.

Der Gesetzgeber hat vorgesehen, dass der Arbeitgeber gegen den Arbeitnehmer einen Auskunftsanspruch hat (§ 74 Abs. 2 HGB). Der Arbeitnehmer ist danach verpflichtet, dem Arbeitgeber auf Auffordern über die Höhe seines anderweitigen Erwerbs Auskunft zu erteilen. Die Mitteilungen des Arbeitnehmers über anderweitigen Verdienst sind zu belegen. Bis zu einer Erteilung erbetener Auskünfte durch den Arbeitnehmer kann der Arbeitgeber die Karenzentschädigung zurückhalten (BAG, Urteil vom 12.01.1978, Az. 3 AZR 57/76).

 

5. Verfall von Karenzentschädigungsansprüchen

Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts können auch Karenzentschädigungsansprüche aus einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot einer Verfallfristenregelung im Arbeitsvertag unterworfen werden. So hatte das Bundesarbeitsgericht geurteilt, dass Karenzentschädigungsansprüche von einer Verfallfristenregelung erfasst werden, die sich ihrem Wortlaut nach auf alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, erstreckt (BAG, Urteil vom 17.06.1997, Az:  9 AZR 801/95).

Ob auch anders gefasste Verfallfristenregelungen Ansprüche auf Karenzentschädigungen berühren, ist im Einzelfall zu klären.

 

6. Verzicht auf Wettbewerbsverbot

Ein Verzicht des Arbeitgebers auf das vereinbarte nachvertragliche Wettbewerbsverbot ist unter den Voraussetzungen von § 75 a HGB möglich. Der Gesetzgeber sieht hier vor, dass der Arbeitgeber vor der Beendigung des  Dienstverhältnisses durch schriftliche Erklärung auf das Wettbewerbsverbot verzichten kann. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass der Arbeitgeber mit dem Ablauf eines Jahres seit der Erklärung des Verzichts von der Verpflichtung zur Zahlung der Entschädigung frei wird. Gleichzeitig bewirkt ein solcher Verzicht, dass der Arbeitnehmer sofort ab dem Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses keinem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot mehr unterfällt!

(BAG, Urteil vom 17.02.1987, Az: 3 AZR 59/86).

 

7. Schlussbetrachtung

Gerade im Bereich der „höherwertigen“ Arbeitsverhältnisse wird sich für den Arbeitgeber häufig das Bedürfnis ergeben, den Arbeitnehmer im Anschluss an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses einem zeitweiligen Wettbewerbsverbot zu unterwerfen. Gerade bei Arbeitsverhältnissen mit Arbeitnehmern, die besondere betriebliche Kenntnisse oder enge Vernetzungen mit Kunden und Auftraggebern haben, wird das Instrument des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots existenzielle Bedeutung haben.

Kleine Fehler bei der Ausgestaltung der Wettbewerbsverbotsklausel und ergänzender Regelungen im Arbeitsvertrag können hier weitreichende Folgen bis hin zur Nichtigkeit des Wettbewerbsverbots haben.

Zum Teil stellt sich im Verlaufe des Arbeitsverhältnisses heraus, dass ein ursprünglich vereinbartes Wettbewerbsverbot doch nicht sinnvoll ist, weil von dem ausscheidenden Arbeitnehmer möglicherweise keine „Gefahr“ für die Beeinträchtigung unternehmerischer Interessen durch nachvertraglichen Wettbewerb ausgeht o.Ä.. Dann sollte schnellstens und rechtzeitig Sorge dafür getragen werden, dass das Wettbewerbsverbot mit der Folge kostspieliger Karenzentschädigungspflicht schnellstens beseitigt wird.

In den vorstehend skizzierten Fragestellungen unterstützen wir Sie gerne.