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Berufsausbildung, Ausbildungsverhältnis und Berufsschulunterricht – was müssen Ausbilder und Auszubildende beachten?

Der Einstieg in eine berufliche Laufbahn vollzieht sich in vielen Fällen in einer Berufsausbildung. Bei dem Berufsausbildungsverhältnis handelt es sich nicht um ein Arbeitsverhältnis, da nicht der Austausch von Arbeitsleistung und Arbeitsvergütung im Vordergrund stehen, vielmehr die Qualifizierung des Auszubildenden.

Wesentliche Vorschriften, die im Zusammenhang mit der Durchführung einer Berufsausbildung zu beachten sind, finden sich im Berufsbildungsgesetz (BBiG). Flankierende Regelungen enthalten die Verordnung über den Kinderarbeitsschutz (Kinderarbeitsschutzverordnung- KindArbSchV), das Gesetz zum Schutze der arbeitenden Jugend (Jugendarbeitsschutzgesetz-JArbSchG), die Verordnung über die ärztlichen Untersuchungen nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz (Jugendarbeitsschutzuntersuchungsverordnung – JArbSchUV) und die Verordnung über das Verbot der Beschäftigung von Personen unter 18 Jahren mit sittlich gefährdenden Tätigkeiten. Die KindArbSchV bringt zum Ausdruck, dass die Arbeit von Kindern bis zur Vollendung des 13. Lebensjahres absolut untersagt ist. Kinder über 13 Jahre (bis zur Vollendung des 15. Lebensjahres) nur in bestimmten Bereichen beschäftigt werden so z.B. mit dem Austragen von Zeitungen, in privaten und landwirtschaftlichen Haushalten, mit Handreichungen beim Sport, mit Tätigkeiten bei nichtgewerblichen Aktionen und Veranstaltungen der Kirchen, Verbände, Vereine und Parteien. Als „Jugendlicher“ gilt nach § 2 JArbSchG derjenige, wer 15, aber noch nicht 18 Jahre alt ist. Vielfach findet die Berufsausbildung schon im Jugendalter (z.B. nach Beendigung der 10. Klasse) statt. Das Jugendarbeitsschutzgesetz statuiert hier einen weit reichenden Schutz jugendlicher Auszubildender.

 

1. Teilnahme von Auszubildenden am Berufsschulunterricht

Die Bundesrepublik Deutschland ist dem dualen Ausbildungssystem verpflichtet. Neben der betrieblichen Ausbildung (Ausbildung am Arbeitsplatz) findet die Unterrichtung der Auszubildenden in der Berufsschule statt. Der Berufsschulunterricht ist für alle Auszubildenden zwingend vorgesehen.

Der Ausbildende ist daher nach § 14 Abs. 1 Nr. 4 BBiG verpflichtet, Auszubildende zum Besuch der Berufsschule sowie zum Führen von schriftlichen Ausbildungsnachweisen (Berichtshefte) anzuhalten, soweit solche im Rahmen der Berufsausbildung verlangt werden. Er hat so verlangte Ausbildungsnachweise/Berichtshefte durchzusehen. Damit korrespondiert eine Verpflichtung des Auszubildenden, den Berufsschulunterricht zu besuchen, an den vorgesehenen Prüfungen teilzunehmen und auf einen erfolgreichen Abschluss hinzuarbeiten.

 

2. Betriebliche Ausbildung am Berufsschultag?

Eine in der Praxis immer wieder aufgeworfene Frage ist diejenige nach einer etwaigen Verpflichtung des Auszubildenden, vor oder nach dem Berufsschulunterricht im Ausbildungsbetrieb zur Ausbildung zu erscheinen. Hier ist Folgendes zu beachten:

 

a) volljährige/erwachsene Auszubildende:

Gemäß § 15 BBiG sind Auszubildende für die Zeit der Teilnahme am Berufsschulunterricht und an Prüfungen von der Arbeit/Ausbildung im Betrieb freizustellen. Im BBiG finden sich indes keine Regelungen zur Beantwortung der Frage, ob Auszubildende auch außerhalb der Ausbildungszeit zur praktischen Ausbildung herangezogen werden können. Das Gesetz sieht lediglich vor, dass die betriebliche Ausbildung unterbrochen wird, soweit die Teilnahme am Berufsschulunterricht zu erfolgen hat. Der Auszubildende soll nicht verpflichtet werden, die wegen der Teilnahme am Berufsschulunterricht ausgefallene Ausbildungszeit nachzuholen.

Die Regelung des § 15 BBiG kommt nur dann zum Tragen, wenn die Berufsschulzeit in die vorgegebene Ausbildungszeit im Betrieb fällt. Ist dies nicht der Fall, weil z.B. der Berufsschulunterricht am frühen Morgen stattfindet, die Ausbildung aber erst am Nachmittag beginnt, wäre der Auszubildende grundsätzlich verpflichtet, regulär zur Arbeit im Betrieb zu erscheinen.

Nicht geklärt ist, ob dann die zusammengerechneten Schul- und Ausbildungszeiten im Betrieb die Höchstgrenzen des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) (10 Stunden pro Tag) überschreiten dürfen. Grundsätzlich gilt, dass die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes auch im Ausbildungsverhältnis zum Tragen kommen. Gemäß § 10 Abs. 2 BBiG sind, soweit sich aus dem Wesen und Zweck des BBiG nichts anderes ergibt, die für den Arbeitsvertrag geltenden Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze auch auf dem Berufsausbildungsvertrag anzuwenden.

Das Arbeitszeitgesetz enthält in § 3 Festlegungen zur höchstzulässigen werktäglichen Arbeitszeit. Diese darf 8 Stunden nicht überschreiten. Sie kann aber auf bis zu 10 Stunden verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt 8 Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Fraglich ist, ob die Berufsschulzeit als „Arbeitszeit“ im Sinne des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) zu begreifen ist. § 2 Abs. 1 ArbZG definiert die Arbeitszeit als Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen. Nach unserer Auffassung ist die Berufsschulzeit wie Arbeits- bzw. Ausbildungszeit zu bewerten. Anderenfalls wäre es theoretisch möglich, dass Auszubildende nach z.B. morgendlicher 6-stündiger Berufsschulzeit noch eine Ausbildungszeit von 10 Stunden im Betrieb absolvieren müssten. Dies ließe sich mit dem Schutzzweck des ArbZG (Überforderungsschutz) insbesondere bei Auszubildenden nicht vereinbaren.

Die Verpflichtung des Ausbilders zur Freistellung des Auszubildenden von der praktischen Ausbildung bezieht sich auch auf sonstige Zeiträume, in denen der Auszubildende wegen des Schulbesuchs nicht im Betrieb ausgebildet werden kann, so z.B. weil er zwischen den Unterrichtsstunden in der Berufsschule bleibt oder die notwendigen Wegezeiten zwischen Schule und Betrieb zurückzulegen hat (BAG, Beschluss vom 26.03.2001, 5 AZR 413/99).

Im Ergebnis wird daher festzuhalten sein, dass die Summe der Berufsschulzeiten und der betrieblichen Ausbildungszeiten kalenderwöchentlich größer als die regelmäßige wöchentliche Ausbildungszeit sein kann. Allerdings werden tägliche Berufsschulzeiten einschließlich Wegezeit (Weg zum Ausbildungsbetrieb) und dortige Ausbildungszeit den gesetzlich höchstzulässigen Rahmen von 10 Stunden nicht überschreiten dürfen.

 

b) jugendliche Auszubildende:

Für jugendliche Auszubildende enthält das JArbSchG in § 9 Sonderregelungen. Zunächst gilt auch hier, dass der Arbeitgeber (Ausbildende) den Jugendlichen für die Teilnahme am Berufsschulunterricht freizustellen hat. Der Ausbildende darf den Jugendlichen aber nicht beschäftigen vor einem vor 09:00 Uhr beginnenden Berufsschulunterricht. Diese Regelung gilt auch für Personen, die über 18 Jahre alt und noch berufsschulpflichtig sind (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 JArbSchG). Ebenso wenig dürfen jugendliche Auszubildende an einem Berufsschultag mit mehr als 5 Unterrichtsstunden von mindestens je 45 Minuten, einmal in der Woche, im Ausbildungsbetrieb beschäftigt werden. Auch scheidet eine Ausbildung im Betrieb aus, wenn planmäßiger Blockunterricht in Berufsschulwochen erfolgt, der Blockunterricht in der Berufsschulwoche mindestens 25 Stunden an mindestens 5 Tagen umfasst. Allerdings gestattet das Gesetz hier zusätzliche betriebliche Ausbildungsveranstaltungen bis zur Dauer von 2 Stunden wöchentlich (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 JArbSchG).

Ausgefallener Berufsschulunterricht muss grundsätzlich nicht nachgeholt werden. Nach § 9 Abs. 2 JArbSchG werden Berufsschultage mit mehr als 5 Unterrichtsstunden zu je 45 Minuten mit 8 Stunden auf die Ausbildungszeit angerechnet. Berufsschulwochen mit mindestens 25 Stunden an mindestens 5 Tagen werden mit 40 Stunden auf die Arbeits-/Ausbildungszeit angerechnet.

 

3. Umgang mit Auseinandersetzungen:

Arbeitgeber/Ausbildende haben die strengen Vorgaben des BBiG bzw. des JArbSchG peinlichst zu beachten. Es drohen ordnungsrechtliche Maßnahmen bis hin zum Entzug der Ausbildungserlaubnis.

Für Auszubildende gilt, dass die Verpflichtung zum Berufsschulunterricht ernst zu nehmen ist, daneben aber in bestimmten Grenzen auch an Berufsschultagen noch eine praktische Ausbildung erfolgen kann. Verletzt der Auszubildende hier ihm obliegende Pflichten, drohen Maßnahmen bis hin zum Ausspruch der außerordentlichen Kündigung des Ausbildungsverhältnisses.

 

Auch in diesem Problemfeld unterstützen wir Sie gerne.