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Urlaubsabgeltung im Arbeitsverhältnis: BAG ändert seine Rechtsprechung zu Verfall und Verzicht bei der Urlaubabgeltung

1. Urlaubsabgeltung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Gemäß § 1 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) hat jeder Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Der gesetzliche Mindesturlaub beläuft sich nach § 3 Abs. 1 BUrlG auf 24 Werktage (vier Wochen). Vielfach gewähren Arbeitgeber im Arbeitsverhältnis darüber hinausgehenden weiteren Urlaub.

Ein weiterer gesetzlicher Urlaubsanspruch folgt aus § 125 SGB IX. Dieser erstreckt sich auf fünf Tage für schwerbehinderte Menschen im Sinne von § 2 Abs. 2 SGB IX. Hierbei handelt es sich um Menschen, bei denen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt. Auf schwerbehinderten Menschen nach § 2 Abs. 3 SGB IX gleichgestellte behinderte Menschen findet die Regelung in § 125 SGB IX keine Anwendung (vgl. § 68 Abs. 3 SGB IX).

Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts unterfällt auch der Anspruch auf einen etwaigen (Schwerbehinderten-) Zusatzurlaub den allgemeinen Grundsätzen des Urlaubsrechts, soweit nicht § 125 SGB IX etwas Besonderes bestimmt (BAG, Urteil vom 18.09.2012, Az: 9 AZR 623/10).

Grundsätzlich gilt, dass der Urlaub in natura, d.h. durch Freistellung von der Arbeit im Arbeitsverhältnis, zu gewähren ist. Kann aber der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er nach § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten.

Es entspricht allgemeiner Auffassung, dass sich der noch nicht erfüllte Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses in einen Abgeltungsanspruch umwandelt, ohne dass weitere Handlungen des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers erforderlich sind (BAG, Urteil vom 19.08.2003, Az. 9 AZR 619/02).

 

2. Urlaubsabgeltung und Sozialabgabenpflicht

Sozialrechtlich handelt es sich bei der Urlaubsabgeltung um eine sogenannte Einmalzahlung im Sinne von § 23 a SGB IV. Einmalzahlungen sind grundsätzlich sozialversicherungspflichtig, dies aber nur bis zur (anteiligen) Beitragsbemessungsgrenze. Allerdings gilt, dass eine Beitragspflicht nicht besteht, wenn in dem Jahr, in dem die Einmalzahlung erfolgt, noch kein Arbeitsentgelt abgerechnet wurde und die Zahlung nach März dieses Jahres erfolgt.

 

3. Verfall eines Urlaubsabgeltungsanspruchs nach Arbeitsvertrag/Tarifvertrag

Auch Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis (z.B. Urlaubsabgeltungsansprüche) haben ein „Verfallsdatum“. Die Ansprüche verjähren gemäß § 195 BGB nach drei Jahren.

Erheblich bedeutsamer als Verjährungsfristen sind aber sogenannte „Verfallfristenregelungen“ die sich sehr häufig in dem jeweiligen Arbeitsvertrag oder in Tarifverträgen finden. Solche Regelungen sehen vor, dass alle oder nur bestimmte Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis binnen einer bestimmten Frist schriftlich und/oder gerichtlich geltend gemacht werden müssen, anderenfalls sollen sie entfallen und nicht mehr durchsetzbar sein. Solche Regelungen sind in Tarifverträgen stets und in Arbeitsverträgen häufig wirksam. Hier verweisen wir auf unsere weiteren Rechtsinformationen zu diesem Thema.

In der Vergangenheit ist die Rechtsprechung davon ausgegangen, dass der gesetzliche Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 BUrlG weder tarifvertraglich noch arbeitsvertraglich verfallen konnte. Insbesondere das Bundesarbeitsgericht stellte hier auf die Regelung in § 13 Abs. 1 BUrlG ab, wonach wesentliche Regelungen dieses Gesetzes unabdingbar seien. Das Urlaubsgesetz schütze den Anspruch des Arbeitnehmers auf (tatsächliche) Inanspruchnahme des Urlaubs. Dieser Anspruch könne weder tarif- noch arbeitsvertraglich ausgeschlossen werden. Der Urlaubsabgeltungsanspruch stelle aber einen Ersatz („Surrogat“) des Urlaubsgewährungsanspruchs dar und sei damit genauso vor tarif- und arbeitsvertraglichen Verfallsfristenregelungen geschützt (BAG, Urteil vom 20.01.2009, Az. 9 AZR 650/07).

Das Bundesarbeitsgericht hat in der neueren Rechtsprechung diese „Surrogatstheorie“ ausdrücklich aufgegeben. So urteilte es mehrfach, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch ein reiner Geldanspruch sei. Er könne daher denselben tariflichen Bedingungen unterfallen wie alle übrigen Zahlungsansprüche der Arbeitsvertragsparteien (BAG, Urteil vom 09.08.2011, Az. 9 AZR 365/10; BAG, Urteil vom 21.02.2012, Az. 9 AZR 486/10).

Achtung: Das bedeutet aber nicht, dass Urlaubsabgeltungsansprüche stets verfallen, wenn ein auf das Arbeitsverhältnis anwendbarer Tarifvertrag Ausschlussfristen formuliert. Es ist stets zu fragen, ob die Ausschlussfristenregelung des Tarifvertrags auch tatsächlich Urlaubsabgeltungsansprüche im Blick hat!

Auch arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelungen können nach der neuen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den Urlaubsabgeltungsanspruch erfassen (BAG, Urteil vom 09.08.2011, Az. 9 AZR 475/10).

 

4. Verzicht auf Urlaubsabgeltungsansprüche

Häufig treffen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (z.B. aufgrund Kündigung, Aufhebungsvertrag) Vereinbarungen zur Abwicklung des Arbeitsverhältnisses. Dies kann z.B. in einem Aufhebungsvertrag selbst oder vor dem Hintergrund eines beim Arbeitsgericht geführten Kündigungsschutzverfahrens in einer dort erzielten Einigung („arbeitsgerichtlicher Vergleich“) erfolgen.

Zum Teil finden sich Vereinbarungen, wonach ein bestimmter Urlaubsabgeltungsanspruch bestehen soll oder ein solcher gänzlich ausgeschlossen ist. Häufig werden im Zusammenhang mit der Abwicklung des Arbeitsverhältnisses Klauseln vereinbart, die die Erledigung sämtlicher (finanziellen) Ansprüche zum Gegenstand haben. Es stellt sich dann stets die Frage, ob derlei Klauseln auch zum Entfall etwaiger Urlaubsabgeltungsansprüche führen können.

Das Bundesarbeitsgericht hat in einer jüngeren Entscheidung geurteilt, dass sich die Parteien des Arbeitsvertrags auch auf einen Verzicht bzw. das Entfallen von Urlaubsabgeltungsansprüchen verständigen können. Eine Urlaubsabgeltungsansprüche erfassende Verzichtsklausel sah das Gericht in einer Formulierung, in der die Arbeitsvertragsparteien in einem arbeitsgerichtlichen Vergleich vereinbarten, dass mit Erfüllung des Vergleichs wechselseitig alle finanziellen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, gleich ob bekannt oder unbekannt, gleich aus welchem Rechtsgrund, erledigt sind. Diese Klausel sei als umfassender Anspruchsausschluss zu werten, der auch Ansprüche des Abnehmers auf Urlaubsabgeltung mit einbeziehe (BAG, Urteil vom 23.09.2003, Az. 1 AZR 576/02; BAG, Urteil vom 14.05.2013, Az: 9 AZR 844/11).

Aus Sicht des Bundesarbeitsgerichts soll eine solche Klausel etwaige Urlaubsabgeltungsansprüche aber nicht in jedem Fall erfassen. Nur dann, wenn die Vereinbarung über den Verzicht auf eine Urlaubsabgeltung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses getroffen wurde, sei diese wirksam (BAG, Urteil vom 14.05.2013, Az. 9 AZR 844/11).

Fraglich ist, ob auch vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses getroffene Vereinbarungen über das Entfallen von Urlaubsabgeltungsansprüchen wirksam sein können. Das LAG Köln hat sich in dieser Weise positioniert:

Dieses führt in einer jüngeren Entscheidung aus, die Parteien des Arbeitsverhältnisses könnten Urlaubsabgeltungsansprüche jedenfalls dann ausschließen, wenn entweder die Urlaubsansprüche, um deren Abgeltung es gehe, im Zeitpunkt des Verzichts bzw. Erlasses bereits entstanden seien und das Arbeitsverhältnis bereits beendet sei oder sein bevorstehendes Ende verbindlich feststehe (LAG Köln, Urteil vom 08.11.2012, Az. 7 Sa 767/12). Hier bleibt abzuwarten, wie sich das Bundesarbeitsgericht positioniert.

 

5. Fazit:

Mit der oben dargestellten Änderung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ergeben sich für Arbeitgeber und Arbeitnehmer neue Gestaltungsspielräume bei der Ausgestaltung von Arbeitsverträgen und bei deren Abwicklung. Allerdings sind die vergleichsweise komplizierten „Spielregeln“ der Arbeitsgerichte in Fragen der Urlaubsabgeltung zu beachten. Hier lauern sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer zahlreiche Fallstricke.

Daher empfiehlt sich in diesem Themenbereich stets rechtzeitige anwaltliche Beratung. Hier stehen wir Ihnen mit unserer arbeitsrechtlichen Expertise gerne zur Seite.