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Ausschluss eines Betriebsratsratsmitglieds von der Beschlussfassung bei personeller Einzelmaßnahme – Was gilt bei Interessenkollision/eigener Betroffenheit:

 

1. Problemstellung

Das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) statuiert Mitbestimmungs- und Beteiligungsrechte in unterschiedlichen Bereichen betrieblicher Angelegenheiten. Davon kann ein Betriebsratsmitglied durchaus selbst betroffen sein. In erster Linie kommt dies bei Mitbestimmung-/Beteiligungsrechten des Betriebsrats bei Kündigung und personellen Einzelmaßnahmen in Betracht. Gemäß § 99 Abs. 1 BetrVG bestimmt der Betriebsrat in Unternehmen mit in der Regel mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern bei Einstellungen, Eingruppierungen, Umgruppierungen und Versetzungen mit – hier ist seine Zustimmung zur arbeitgeberseitig beabsichtigten Maßnahme zwingend von Nöten. Ferner besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der etwaigen (außerordentlichen) Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Betriebsratsmitglieds. Gemäß § 103 Abs. 1 BetrVG bedarf die  grundsätzlich allein zulässige außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses von Mitgliedern des Betriebsrats der vorherigen Zustimmung des Betriebsrats.

Es liegt auf der Hand, dass Maßnahmen der Kündigung, Versetzung und Umgruppierung durchaus auch gegenüber Betriebsratsmitgliedern in Betracht kommen. Auch in diesen Fällen sind die Beteiligungs-/Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nicht ausgeschlossen oder eingeschränkt!

Auch bei betriebsratsinternen Maßnahmen kann sich eine Eigenbetroffenheit eines Betriebsratsmitglieds bei Beschlussfassungen ergeben. Beispielhaft sei hier die mögliche Beschlussfassung des Betriebsrats über einen etwaigen Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds aus dem Betriebsrat gem. § 23 Abs. 1 Satz 2 BetrVG benannt. Auch hier bedarf es eines entsprechenden Betriebsratsbeschlusses.

In Fällen der vorstehend geschilderten Art stellt sich stets die Frage, inwieweit das betroffene Betriebsratsmitglied selbst an der Beschlussfassung bzw. schon der vorherigen Beratung mitwirken darf. Diese Frage ist von besonderer Relevanz, sind doch Beschlüsse des fehlerhaft besetzten Betriebsrats nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sämtlichst unwirksam (BAG, Beschluss vom 03.08.1999, Az: 1 ABR 30/98).

 

2. Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds von der Beschlussfassung bei unmittelbarer Eigenbetroffenheit

Grundsätzlich wirken sämtliche Betriebsratsmitglieder bzw. die jeweils nachrückenden Ersatzmitglieder an der Beschlussfassung entsprechend § 33 BetrVG mit. Ein Betriebsratsmitglied bzw. ein Ersatzmitglied ist von der Beschlussfassung ausgeschlossen, wenn es dauerhaft oder zeitweilig verhindert ist (§ 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG).

Grundsätzlich ist anerkannt, dass sich eine zeitweilige Verhinderung einer Amtsausübung und damit der Beschlussfassung auch daraus ergeben kann, dass das Betriebsratsmitglied selbst von einer Maßnahme betroffen ist, die Gegenstand der Beschlussfassung ist. Allerdings war bislang streitig, wann eine die zeitweilige Verhinderung bewirkende Eigenbetroffenheit tatsächlich anzunehmen ist.

Einige Arbeitsgerichte hatten die Auffassung vertreten, dass schon eine mittelbare Betroffenheit eines Betriebsratsmitglieds von einer mitbestimmungspflichtigen Maßnahme zur Folge hat, dass eine Mitwirkung an der Beschlussfassung durch dieses Betriebsratsmitglied ausgeschlossen ist. So hatte das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg über den Fall zu entscheiden, dass sich mehrere betriebsinterne Bewerber auf eine zu besetzende Stelle beworben hatten, darunter auch ein Betriebsratsmitglied. Der Arbeitgeber hatte sich letztendlich aber für einen Mitbewerber des Betriebsratsmitglieds entschieden und begehrte die Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung dieses Konkurrenten des Betriebsrats. Das LAG Baden-Württemberg nahm zutreffend an, dass das in Rede stehende Betriebsratsmitglied als nichtberücksichtigter Bewerber allenfalls mittelbar von der mitbestimmungspflichtigen Versetzung des „Konkurrenten“ betroffen sei, diese mittelbare Betroffenheit aber schon ausreiche, eine Verhinderung für die Beschlussfassung zu begründen. Das Gericht sah anderenfalls die Gefahr, dass das Betriebsratsmitglied hier „Richter in eigener Sache“ werde (LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 20.10.2011, Az: 3 TaBV 4/11).

Die Gegenauffassung ließ eine solche mittelbare Betroffenheit eines Betriebsratsmitglieds nicht ausreichen, um von einer Verhinderung bei der Beschlussfassung auszugehen. Eine Beschränkung der Amtsausübungsbefugnisse sei erst dann gerechtfertigt, wenn das Betriebsratsmitglied unmittelbar von der einer Beschlussfassung zu Grunde liegenden Maßnahme betroffen sei.

Diese Auffassung hat sich nun das Bundesarbeitsgericht in einer jüngeren Entscheidung grundsätzlich angeschlossen. Es hob die Entscheidung des LAG Baden-Württemberg auf. Dabei urteilte das BAG, ein Betriebsratsmitglied sei grundsätzlich von seiner Organtätigkeit nur bei denjenigen Maßnahmen und Regelungen ausgeschlossen, die es individuell und unmittelbar betreffen. Als Teil der vom Betriebstrat repräsentierten Belegschaft seien die Betriebsratsmitglieder häufig von den vom Betriebsrat im Rahmen seiner Mitbestimmung zu treffenden Entscheidungen mehr oder weniger auch selbst betroffen. Von ihnen werde daher grundsätzlich erwartet, dass sie sich als von der Belegschaft gewählte Amtsinhaber bei diesen Entscheidungen nicht von persönlichen Interessen leiten lassen. Ein Ausschluss von der Ausübung ihres Amtes sei daher auch aus Gründen der Rechtssicherheit und der Funktionsfähigkeit des Betriebsrats nur dann geboten und gerechtfertigt, wenn typischerweise davon ausgegangen werden müsse, dass das Betriebsratsmitglied sein Amt wegen seiner persönlichen Interessen nicht mehr mit der erforderlichen Unabhängigkeit wahrnehmen könne. Hiervon solle aber nur in den Fällen der individuellen und unmittelbaren Betroffenheit des Betriebsratsmitglieds auszugehen seien. An einer solchen fehle es, wenn das Betriebsratsmitglied nur als Angehöriger eines aus mehreren Personen bestehenden Teils der Belegschaft betroffen sei (BAG, Beschluss vom 24.04.2013, Az: 7 ABR 82/11).

Diese Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts eröffnet aber dennoch Deutungsspielräume. So ist nicht abschließend geklärt, wie zu verfahren ist, wenn ein Betriebsrat einer personellen Einzelmaßnahme eines mit einem Betriebsratsmitglied konkurrierenden anderen Arbeitnehmers allein mit der Erwägung widersprechen möchte, die Interessen gerade des Betriebsratsmitglieds seien durch diese Maßnahme beeinträchtigt.

Vorstehendes gibt Anlass, im Einzelfall eine detaillierte Überprüfung vorzunehmen. Hierbei unterstützen wir Sie gerne.