Dr. Gloistein & Partner

News

Rechtsinfos und aktuelle Beiträge

Abwicklungsvertrag und Verzicht auf Kündigungsschutzklage – Wann ist eine Klageverzichtsklausel wirksam?

Unterfällt das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers den Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) ist die grundlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber ausgeschlossen. Die ordentliche Kündigung bedarf dann vielmehr der „sozialen Rechtfertigung“. Wann von einer solchen auszugehen ist, beschreibt § 1 Abs. 2 des KSchG. Danach rechtfertigen betriebsbedingte, verhaltensbedingte und personenbedingte Gründe eine ordentliche Kündigung.

Das Kündigungsschutzgesetz und die Regelungen zur sozialen Rechtfertigung der Kündigung gelten immer dann, wenn das Arbeitsverhältnis länger als 6 Monate besteht (§ 1 Abs. 1 KSchG) und es sich beim Beschäftigungsbetrieb nicht um einen sogenannten Kleinbetrieb mit nicht mehr als 10 Arbeitnehmer handelt (§ 23 Abs. 1 KSchG). De facto unterfällt damit die Mehrheit sämtlicher Arbeitsverhältnisse dem Geltungsbereich des KSchG und damit auch dem sich daraus ergebenden Erfordernis der arbeitgeberseitigen Rechtfertigung/Begründung einer Kündigung.

Hat der Arbeitsgeber das Arbeitsverhältnis gekündigt, kann der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage beim örtlich zuständigen Arbeitsgericht erheben. Es ist deutlich darauf hinzuweisen, dass die Kündigungsschutzklage nur innerhalb einer Frist von 3 Wochen nach Zugang der Kündigungserklärung erhoben werden kann, § 4 KSchG. Erhebt der Arbeitnehmer nicht fristgerecht Klage, gilt die Kündigung nach § 7 KSchG von Anfang an als rechtswirksam!

Das Kündigungsschutzverfahren ist für den kündigenden Arbeitgeber häufig riskant. In einem solchen, vom Arbeitnehmer eingeleiteten Verfahren trägt er die alleinige Darlegungs- und Beweislast für die Rechtmäßigkeit der Kündigung. Der Arbeitgeber hat die Kündigungsgründe und damit die Betriebs-, Verhaltens- oder Personenbedingtheit im Streitfall zu beweisen. Ist das Arbeitsgericht von den Darlegungen des Arbeitgebers zum Kündigungsgrund nicht überzeugt, gibt das Gericht dem Kündigungsschutzbegehren des Arbeitnehmers statt, die Kündigung wird für unwirksam erklärt.

Die Risiken eines Kündigungsschutzverfahrens lassen sich für den Arbeitgeber dadurch umgehen, dass er mit dem Arbeitnehmer eine Vereinbarung über den Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage trifft (Klageverzichtsvereinbarung). Solche Regelungen eines Klageverzichts des Arbeitnehmers finden sich vielfach in sogenannten Abwicklungsverträgen. Hierbei handelt es sich um solche Verträge, die der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer im Zusammenhang mit einer arbeitgeberseitigen Kündigung schließen und in denen Fragen der Abwicklung des gekündigten Arbeitsverhältnisses behandelt werden. Neben Regelungen z.B. zu Fragen der Zeugniserteilung, Gewährung des Resturlaubs, Zahlung einer Abfindung etc. enthalten Abwicklungsverträge häufig auch Klauseln, nach denen sich der Arbeitnehmer verpflichtet, keine Kündigungsschutzklage gegen die ihm gegenüber ausgesprochene Kündigung zu erheben.

Bei der Abfassung solcher Klageverzichtsklauseln ist Vorsicht geboten. In vielen Fällen sind derlei Regelungen unwirksam. Dies hat das Bundesarbeitsgericht in einer jüngeren Entscheidung erneut herausgestellt. In einem solchen Fall der Unwirksamkeit bleibt es dem Arbeitnehmer trotz unterzeichneter Abwicklungsvereinbarung unbenommen, die ihm gegenüber ausgesprochene Kündigung des Arbeitsverhältnisses im Wege der Kündigungsschutzklage anzugreifen.

Nachstehend werden die rechtlichen Grenzen solcher Klauseln aufgezeigt:

1. Grundsätzliche Zulässigkeit einer Klageverzichtsvereinbarung

Der Arbeitnehmer ist selbstverständlich nicht verpflichtet, eine arbeitgeberseitige Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Kündigungsschutzklage anzugreifen, er kann auf die Klageerhebung verzichten. Unter den besonderen Voraussetzungen von § 1a KSchG kann der Arbeitnehmer bei Nichterhebung der Kündigungsschutzklage sogar eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes beanspruchen. Hier sei aber darauf hingewiesen, dass ein solcher Anspruch zwingend voraussetzt, dass es sich um eine betriebsbedingte Kündigung handelt und der Arbeitgeber eine solche Abfindung schon mit der Kündigungserklärung anbietet.

Nach allgemeiner Auffassung können sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer auch auf einen Verzicht des Arbeitnehmers zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage verständigen und einen entsprechenden Vertrag schließen (BAG, Urteil vom 19. 4. 2007, Az. 2 AZR 208/06).

2. Klageverzicht in vorformulierter Abwicklungsvereinbarung

Problematisch sind Klageverzichtsvereinbarungen, die vom Arbeitgeber einseitig vorformuliert worden sind. Dies ist in der Rechtswirklichkeit der Regelfall!

Dann beinhaltet der Vertrag sogenannte „Allgemeine Geschäftsbedingungen“ im Sinne der §§ 305 ff. BGB. Zwar definiert § 305 Abs. 1 BGB Allgemeine Geschäftsbedingungen als für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages stellt. Allerdings finden die wesentlichen Prüfungsmaßstäbe für Allgemeine Geschäftsbedingungen nach § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB auf Verträge zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher auch dann Anwendung, wenn die Regelungen – soweit der Verbraucher auf ihre Formulierung keinen Einfluss nehmen konnte – nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind. Solche Allgemeinen Geschäftsbedingungen unterfallen einer strengen Rechtmäßigkeitskontrolle, die insbesondere bei Abwicklungsvereinbarungen zum Tragen kommt.

Im Ergebnis gilt daher, dass auch der nur für den Einzelfall vom Arbeitgeber vorformulierte Abwicklungsvertrag der vergleichsweise strengen Rechtmäßigkeitsüberprüfung für Allgemeine Geschäftsbedingungen unterzogen werden kann.

3. Unwirksamkeit eines Klageverzichts ohne Gegenleistung

Die Arbeitsgerichte unterziehen vom Arbeitgeber vorgegebene Vertragsklauseln u.a. einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB. Gemäß § 307 Abs. 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.

In einer zurückliegenden Entscheidung hatte das Bundesarbeitsgericht geurteilt, der ohne Gegenleistung erklärte, formularmäßige Verzicht des Arbeitnehmers auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage stelle eine solche unangemessene Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB dar (BAG, Urteil vom 06.09.2007, Az. 2 AZR 722/06). In dem streitigen Fall hatte der Arbeitgeber das Kündigungsschreiben um den Passus ergänzt:

„Kündigung akzeptiert und mit Unterschrift bestätigt. Auf Klage gegen die Kündigung wird verzichtet.“

Diese Klausel hatte die gekündigte Arbeitnehmerin unterzeichnet und dennoch Kündigungsschutzklage erhoben. Das Bundesarbeitsgericht erklärte diese Klageverzichtsklausel mangels vorgesehener Gegenleistung für die gekündigte Arbeitnehmerin für unwirksam, dass Kündigungsschutzklageverfahren konnte durchgeführt werden.

In einer jüngeren Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht diese Rechtsprechung weiter entwickelt. Es hält daran fest, dass eine arbeitgeberseitig erstellte Klageverzichtsklausel in einer Abwicklungsvereinbarung immer unbillig und daher unwirksam ist, wenn dem Arbeitnehmer im Gegenzug kein Vorteil aus dem Abwicklungsvertrag gewährt wird, der die Benachteiligung des Arbeitnehmers im Hinblick auf einen Klageverzicht ausgleichen könnte (BAG, Urteil vom 24.09.2015, Az. 2 AZR 347/14

4. Angemessener Ausgleich des Klageverzichts?

Aus der vorstehend referierten Rechtsprechung ergibt sich ohne weiteres, dass der schlichtweg ohne jegliche Gegenleistung veranlasste Klageverzicht in einer arbeitgeberseitig erstellten Abwicklungsvereinbarung unwirksam ist. Wirksamkeit erlangt diese Klausel nur dann, wenn der Abwicklungsvertrag eine Kompensation des Klageverzichts vorsieht.

Damit stellt sich die Frage, wann von der vom Bundesarbeitsgericht geforderten angemessenen Kompensation des Klageverzichts auszugehen ist.

– „gutes“ Arbeitszeugnis

Das Bundesarbeitsgericht hat im Urteil vom 24.09.2015 herausgestellt, dass die in einer Abwicklungsvereinbarung vom Arbeitgeber übernommene Verpflichtung, dem Arbeitnehmer ein Zeugnis mit einer näher bestimmten überdurchschnittlichen Leistungs- und Führungsbeurteilung zu erteilen, keinen Vorteil darstellt, der geeignet wäre, die mit dem Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage verbundene Benachteiligung des Arbeitnehmers gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB auszugleichen (BAG, Urteil vom 24.09.2015, Az. 2 AZR 347/14).

Das Gericht meint, mit der Erteilung des Arbeitszeugnisses erfülle der Arbeitgeber lediglich eine gesetzliche Verpflichtung. Nicht zu berücksichtigen sei auch der Umstand, dass das so vereinbarte Zeugnis in der Beurteilung von Leistung und/oder Verhalten überdurchschnittlich ausfallen müsse.

– Abfindung

Ein angemessener Ausgleich für den Klageverzicht kann sich aus einer in der Abwicklungsvereinbarung vorgesehenen Abfindung ergeben.

Dabei ist jedenfalls davon auszugehen, dass eine Abfindung in Höhe eines halben Monatsgehalts pro Jahr der Beschäftigung als angemessen zu begreifen ist. Insoweit kann auf die Wertung des § 1a KSchG abgestellt werden.

Allerdings ist völlig unklar, wo die Grenzlinie zwischen „angemessener“ und „unangemessener“ Abfindung verläuft. Hier sind Wertungsentscheidungen am jeweiligen Einzelfall zu treffen.

Fazit:

Bei der Ausgestaltung eines Abwicklungsvertrags im Zusammenhang mit zuvor ausgesprochener Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist besondere Vorsicht an den Tag zu legen. Arbeitgeber müssen insbesondere die aktuelle Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu den Grenzen der Rechtswirksamkeit einer Klageverzichtsklausel im Einzelfall beachten. Dabei ist aber davon abzuraten, Arbeitnehmern in einem Abwicklungsvertrag ohne Weiteres eine Abfindung nach dem Maßstab des § 1a KSchG anzubieten.

Arbeitnehmer werden ihrerseits nach Erhalt einer Kündigung und Unterzeichnung einer Abwicklungsvereinbarung stets sorgfältig prüfen müssen, ob sie die Möglichkeit haben, fristgerecht Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht zu erheben, um so die Kündigungswirkungen doch noch zu beseitigen oder eine (erhöhte) Abfindung zu erhalten.

In diesen Fragestellungen unterstützen wir Sie gern.